WAZblog Waz man seinen Lesern eigentlich nicht zumuten sollte …

15. Mai 2009

Der Inner, die Familerin und der Finanzer

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 15:38

Immer, wenn der Chefredakteur höchstpersönlich zur Feder greift, muss man sich auf eine Überraschung gefasst machen. Heute ist es eine Wortneuschöpfung. Im Titelseitenkommentar steht zu lesen: „Und weshalb spielt auch die Bundeskanzlerin diese Karte, obwohl die Naturwissenschaftlerin von den ramponierten Staatsfinanzen ähnlich viel versteht wie ihr Finanzer?“. Ein tolles Wort! Das hat uns gerade noch gefehlt. (Die einzigen, die es bisher benutzten, waren die Österreicher: Hier bezeichnet es umgangssprachlich einen Zollbeamten) Und man kann auf derselben Ebene weiter kreativ tätig sein und auch andere Minister entsprechend umtaufen: Wolfgang Schäuble wäre dann der Inner, Sigmar Gabriel der Umwelter und Frau von der Leyen die Familerin. Den besten Job bei dieser Art Aufgabenneuverteilung in der Bundesregierung hätte allerdings Wolfgang Tiefensee: Er wäre dann nämlich der Verkehrer.

14. Mai 2009

Die Bedürften lassen eine Debatte wieder aufbranden

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 20:48

Mit dem Aufbranden haben wir’s ja bei der WAZ, das wird immer wieder gerne genommen. Im heutigen Seite-2-Kommentar sind es „viele Abgeordnete von SPD, Grünen und Linkspartei“, die „fürchteten, mit einer Neuregelung der Spätabtreibungen werde die Debatte um den Paragrafen 218 wieder aufbranden.“ Aber Falsches wird nicht richtiger, wenn man es wiederholt. Und Debatten können weder ab- noch wieder aufbranden. Das Meer brandet auf, an Klippen oder Felsen. Das tut es grundsätzlich – und nicht etwa, nachdem es irgendwann mal abgebrandet wäre und jetzt mit voller Wucht wiederkehren würde. Und darum haut das mit der wieder aufbrandeten Debatte schon gar nicht hin.

Eine Seite weiter (Rhein-Ruhr) ist wieder Frau Politik zugange, diesmal sogar in einer fetten Headline: „Politik will Ende der ‚Ballerei‘ in Schulen“. Warum ist es nicht die Landesregierung, warum sind es nicht die Politiker? Weil es dasselbe Dummdeutsch ist wie vorgestern.

Auf der Politik-Seite „konnte der SPD-Politiker kein sozialpolitisch kitzliges Thema liegenlassen, ohne seinen Senf dazu zu geben.“ Aber nachdem er seinen Senf dazu getan hatte, konnte er es? Entweder konnte er kein Thema liegenlassen oder er muss jedes Mal seinen Senf dazu geben, beides zusammen ist nicht nur doppelt gemoppelt, sondern auch noch Blödsinn.
Dafür ist das hier, im nächsten Absatz, ein bisschen überraschend: „Weil Städte und Gemeinden die Heizkosten übernehmen würden, gingen die Bedürften oft verschwenderisch mit Energie um.“ Diese Formulierungen bedürften einer Korrektur, wenn man mir diesen Kalauer verzeihen will. Aber dann würde vermutlich die Politik wieder aufbranden …

13. Mai 2009

Ein latent spaltpilzbefallenes Thema verkehrlich angebunden

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 19:42

Vielleicht war es ein rabenschwarzer Tag, als die heutige Ausgabe entstand, und so mag dann auch der folgende Satz im Titelseiten-Kommentar entstanden sein: „Wer die rabenschwarzen Nachrichten der letzten Monate verfolgt hat …“ Aber vielleicht folgen dann ja die weißen Nachrichten? Zumindest gute, allerdings geht das auch schief: „… Bochum erfährt diese Anerkennung sich nicht allein aus Mitleid, sondern weil es … verkehrlich bestens angebunden ist …“

Im Kommentar auf der Seite 2 „kämen die Auswirkungen eines Kollapses den Erschütterungen eines schweren Erdbebens gleich.“ Irgendwie logisch, oder?

Und im Kommentar darunter hat Frau Merkel „für die Christdemokraten die Hauptverantwortung für das latent spaltpilzbefallene Thema Integration/Einbürgerung reklamiert.“ Als Spaltpilz bezeichnet man Personen, Ideen oder Konzepte, die eine Gruppe spalten können. Wie ein Thema von einem Spaltpilz befallen wird, und dann auch noch latent, also schlummernd, unerkannt, unterschwellig oder verborgen, werden wir heute nicht mehr klären können.

Und so ist es, glaube ich, verkehrlich … äh … verzeihlich, wenn wir für heute erst einmal Schluss machen.

12. Mai 2009

Die Politik, Mick Jaggers und Wim Wender

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 21:03

Wer ist eigentlich „die Politik“? Früher mal war das ein mehr oder weniger abstrakter Begriff, der etwas mit dem Verhalten von Menschen und Machthabern in einem Staat zu tun hatte. Seit neuestem wird aber Politik mehr und personifiziert. Laufend kann man davon lesen, dass die Politik etwas übersehen habe oder noch dies oder jenes tun müsse. Den vorläufigen Höhepunkt dieser Entwicklung lesen wir heute im Seite-2-Kommentar: „Die Politik musste lernen, wie wenig ein Rettungspaket über hunderte von Milliarden Euro nützt … “ Wie soll sie das tun? Müsste nicht hier nicht viel eher die Bundesregierung lernen (bei der Gelegenheit: das Rettungspaket war auch nicht „über“, sondern „von“), wie wenig ein Paket von Milliarden nützt? Zumindest sind es immer Politiker, die irgend etwas entscheiden oder tun, die etwas übersehen haben oder lernen müssen. „Die Politik“ kann da herzlich wenig tun und lernen kann sie schon gar nicht. Fragt sich nur, woher diese merkwürdige Personifizierung kommt. Ist es eine Mode, Wichtigtuerei, der Versuch der Verschleierung wahrer Verantwortlichkeiten oder schlicht und einfach Dummdeutsch?

Solche Fragen müssen wir uns glücklicherweise nicht stellen, wenn wir die kleine Headline von der Kulturseite lesen: „Jaggers wollte Wenders nicht“. Hier ist einfach nur ein „s“ zuviel. Vermutlich bei Wim Wender.

11. Mai 2009

Biederstifter und Brandmann

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 15:03

Zunächst einmal hat Karstadt auf der Titelseite „Nur ein Monat Zeit“, wie uns die Subheadline mitteilt. Und ich brauche mindestens einen Monat, um das zu verarbeiten.

Und mindestens noch einen Monat mehr, um mit dieser interessanten Figur von der Rhein-Ruhr-Seite fertig zu werden: „Kaum Nazitypen darunter, einiges Prekariat, und oben geben einige Männer in Anzügen die Biederstifter.“ Wer ist dieser Biederstifter? Zumindest kein Druckfehler, denn im übernächsten Absatz taucht er wieder auf, und jetzt sogar im Plural: „Es ist aber nur schwer erträglich, was die Biederstifter reden …“ Gebildete Menschen unter uns kennen natürlich Max Frischs Stück „Biedermann und die Brandstifter“. Aber ist das eine Erklärung für diese Zusammenziehung? Höchstens, wenn der Brandmann folgt.

9. Mai 2009

Es überrascht und tröstet

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 21:16

Die sprachliche Unsitte, notwenige Ergänzungen und Bezüge wegzulassen, finden wir heute gleich zweimal, und zwar im Seite-2-Kommentar: „Deshalb überrascht, mit welcher Vehemenz die Bürger … die Grundwerte von Staat und Nation hochhalten.“ Und im nächsten Absatz: „Es mag zudem trösten, dass die Finanzkrise manchen Reichen auch materiell wieder mehr Bescheidenheit lehrt.“
Wer ist hier überrascht? Wer wird getröstet? Ich habe mich darüber schon mehrfach echauffiert, und es scheint sich als neue Mode im Dummdeutschen zu etablieren: „Das gefällt nicht“, „es macht wütend“, „er kann bezwingen“. Ist das fehlender Mut, die Betroffenen zu benennen, oder will man so die eigene Wichtigkeit unterstreichen? Etwa so: „Ich bin so wichtig, dass das, was mir nicht gefällt, auch allen anderen nicht gefällt, deshalb gefällt es eben nicht.“ Oder: „Weil es mich überrascht, haben gefälligst alle überrascht zu sein, also überrascht es.“ So oder so ähnlich muss es wohl sein. Oh, was macht das wütend!
Da lese ich dann doch noch lieber so herrlich durcheinander purzelnde Sprachbilder wie das hier im folgenden Absatz: „Es wäre Spielerei, die nun seit 60 Jahren bewährte Säule des Staatswesens ohne Not in die politische Arena zu werfen.“ Das finde ich auch, denn man weiß ja nie, wer gerade so in der politischen Arena spielt und von einer solchen dicken Säule erschlagen werden könnte …

8. Mai 2009

An die eigene Sicht auf die Dinge glauben und die Bahn einbremsen

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 19:37

Wer kennt nicht den saublöden neuen Slogan des RWE: „vorweg gehen“? Es kann niemand „vorweg“ gehen, man kann etwas vorweg nehmen, gegangen wird indes voraus. Im beste Falle vorneweg. Nur kann man dann dieses kleine alberne Buchstabenspiel mit dem „RWE“ im „vorweg“ natürlich vergessen. Und das sollte man ohnehin.
Aber ich schweife ab.
Zumindest aber scheint dieses ganze Durcheinander um „vor-“ oder „vorneweg“ so verwirrend zu sein, dass heute auf der Politik-Seite zu lesen ist: „Die schlechte Nachricht vornweg: …“ Und die gute Nachricht hinterher: Das ist nicht unbedingt falsch, aber gerade hier hätte man getrost „vorweg“ schreiben können, das wäre nicht nur richtig, sondern auch eleganter gewesen.
Dafür folgt ein paar Zeilen weiter ein etwas merkwürdiger Satz: „38 Prozent der Befragten gaben an, vor allem an ihre eigene Sicht auf die Dinge zu glauben …“ Ich habe da eine andere Sicht der Dinge, nur muss ich nicht an sie glauben. Schließlich glaube ich ja auch nicht an meine Meinung, ich habe sie einfach nur.
Auch andere haben Meinungen: „… 64, (Komma zu viel) beziehungsweise 65 Prozent finden, deutsche Feiertage förderten den sozialen Zusammenhalt. In anderen Ländern, wie Großbritannien, gehen die Ansichten in der Frage weit auseinander.“ Es ist schon etwas verwunderlich, dass sich die Briten Gedanken über deutsche Feiertage machen …
Doch „selbst die ewige Streitfrage nach Deutschkenntnissen löst sich in der Gallup-Umfrage in Wohlgefallen auf …“ So froh ich bin, dass es keine Streitfrage „über“ war, „nach“ ist hier leider auch fehl am Platze, da es bei einer Streitfrage um den Streit geht und nicht um eine Frage, die beantwortet werden soll. Aber da sie sich eh in Wohlgefallen auflöst, müssen wir uns da auch keinen weiteren Gedanken machen.

Und wenden uns dem Essener Lokalteil zu. Hier lesen wir: „Politiker bremsen Bahn AG ein.“ Da fragt man sich, wie die das machen. Früher wurden Autos eingefahren, das Einbremsen ist neu. Allerdings kann man immer noch erleben, dass man ausgebremst wird.

7. Mai 2009

Vorschläge über den internationalsten Konzern vergraulen Moskau

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 18:53

Die Rhein-Ruhr-Seite bemüht zunächst einmal wieder die Universalpräposition: „Und einmal entfacht, wird die Diskussion um die Stadt am Fluß heftig befeuert mit zahlreichen Vorschlägen über alternative Standorte für die Hochschule.“ Ich hätte da eher ein paar Vorschläge für besseres Deutsch.

Auch für die Wirtschafts-Seite, wo man Folgendes lesen kann: „Auslaufen der Atomenergie, wichtige Richtungsentscheidungen … , wachsende Widerstände … und ein miserables Image der Branche wegen starker Preiserhöhungen bei Gas und Strom – diese Gemengelage forderte einen ganzen Manager …“ Irgendwas muss die WAZ-Leute an diesem blödsinnigen Ausdruck faszinieren, weil er immer wieder vorkommt. Dabei hat er mit Grundstücken zu tun und absolut nichts mit einer Menge von politischen oder anderen Problemen, schon gar nicht mit einer Lage, die durch das Zusammenmengen verschiedener Probleme eintritt. Doch genau das scheint man bei der WAZ fest zu glauben und deshalb müssen wir immer wieder von einer Gemengelage lesen.
Da lesen wir doch viel lieber so etwas: „Seine geradlinige, sehr direkte Art ging aber schon mal nach hinten los.“ Ist zwar auch Humbug, weil nur Schüsse und im übertragenen Sinn allenfalls brisante Äußerungen nach hinten losgehen können, lässt sich aber viel lockerer überlesen.
Was man wiederum hiervon nicht sagen kann: „Seinen unternehmerisch wohl härtesten Kampf hatte Bernotat nicht bei seinen früheren Stationen … zu kämpfen, sondern 2006, als er sich anschickte … Eon zum internationalsten Energiekonzern der Welt zu machen.“ International – internationaler – am internationalsten. Und am Ende sogar am internationalsten in der Welt – wenn das keine Steigerung ist! Dagegen ist die UNO ja gar nichts.

Kein Wunder, dass es da zu internationalen Verstimmungen kommt: „Nato-Übung in Georgien vergrault Moskau“, lautet eine Headline auf der Politik-Seite. Was allerdings hieße, dass die Russen vertrieben oder verscheucht worden wären, also irgendwie weggemobbt. Davon kann man aber im eigentlichen Artikel nichts lesen. Allenfalls so etwas: „Bei einigen Nato-Partnern zeigt das russische Grollen bereits Wirkung.“ Und graulen oder grollen – ist denn der Unterschied wirklich so groß, dass man ihn bemerken könnte? Eigentlich schon!

6. Mai 2009

Strahlkraft entfalten, das Einfälle entstehen

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 18:46

Doch zunächst haben wir es im Aufmacher mit noch schlimmeren Dingen zu tun: „Gewalt: Lehrer schlagen Alarm“, lautet die Headline. Das ist auch wirklich schlimm mit der Gewalt und dass jetzt Lehrer ungestraft auf den armen Alarm einschlagen, finde ich unmöglich.
Und es gibt noch eine überraschende Tatsache, dargelegt vom GEW-Landesvorsitzenden: „Es gibt jugendliche Gangs in Schulen, Waffen, Drogen.“ Wie kommen die da nur überall rein?
Wie auch immer, es gibt Schlimmeres: „Amokläufe wie der in Winnenden seien zwar selten, ‚aber das Spiel damit liegt nahe!'“ Welches Spiel? Wieso? Warum?

Es gibt wichtigere Fragen. Wie diese hier: „Welche Stadt erhält den ‚Gesundheitscampus‘, auf dem Gesundheitseinrichtungen konzentriert werden, die europaweite Strahlkraft entfalten sollen?“ Ach, nee! Strahlkraft, und die auch noch entfaltet! Konnte man nicht eine einfache Ausstrahlung nehmen?
Offenbar nicht, denn: „Dahinter steckt die Erfahrung des früheren Bundesforschungsministers, das bahnbrechende Einfälle oft entstehen, wenn sich Forscher und Praktiker im Alltag zwanglos begegnen können.“ Ein bahnbrechender Einfall wäre hier gewesen, ein Doppel-S zu verwenden.

5. Mai 2009

Sein großen Flügel kommentieren wir mal weg

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 21:11

„Sie lächelt alle Zweifel weg“, ist der Artikel über die Präsidentschaftskandidatin auf Seite 2 überschrieben. Da kann sich der SPD-Vorsitzende nicht lumpen lassen: „Müntefering kommentiert alles als alte Geschichte weg.“
Vielleicht sollten wir solche Sachen einfach als unbrauchbar weglesen, dass klappt aber leider nicht immer.
Vor allem, wenn jetzt noch ein zwei schöne Beziehungsfehler folgen: „Im ‚ZDF-Morgenmagazin‘ wiederholt sie auch ihre Warnung vor der Wut in der Bevölkerung, die wachsen könnte, wenn die Ungerechtigkeitsgefühle in der Krise größer würden.“ Demnach wächst die Bevölkerung, wenn die Ungerechtigkeitsgefühle größer werden. Das wäre doch was für Frau von der Leyen, oder?
Und der zweite: „Wenn jedoch alle Wahlleute von Union, FDP und Freien Wählern … Horst Köhler wählen, dann wäre er im ersten Wahlgang bestätigt. Er erfordert eine Mehrheit von 613 Stimmen unter den 1224 Delegierten.“ Der Köhler, nicht der Wahlgang. Oder ist es andersherum? Ach: Egal!

Denn interessanter ist da eine Formulierung im Artikel: „Schöner Wohnen in der Leichenhalle“ auf der Rhein-Ruhr-Seite. Hier heißt es: „Sein großen Flügel will er in der ehemaligen Kapelle aufstellen“. Da stellt sich mir nur noch die Frage: Wie finde ich dazu nur ein Schlusskommentar, ohne zu deklinieren? (Ganz einfach: Man muss nur den Schmerz in den Ohren ignorieren.)

4. Mai 2009

Wer ist denn lieber Fischer als Präsident?

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 20:08

Die ersten beiden Seiten heute haben es in sich: „NRW-SPD-Chefin Hannelore Kraft sprach vom ‚aufschreckenden Alarmzeichen …'“, ohne sich darüber zu wundern, dass ein Alarm in ungefähr 99 % aller Fälle aufschreckt.
Und im Seite-1-Kommentar wird zu einer merkwürdigen Passiv-Konstruktion gegriffen: „Es scheint, als werde nicht begriffen …“ Ist das irgendwie „modischer“, als einfach zu sagen: „Es scheint, als begreife niemand …“? Es wird nicht begriffen – das liegt irgendwo auf einem ähnlichen Level wie diese unsägliche Formulierung: „das gefällt nicht“. Oder: „das macht wütend“.
Am Ende des Artikels wird da sogar noch einer draufgesetzt: „Doch dass der Linksmob … ein langfristiges Ziel hat, den Staat zu übernehmen, ist nicht zu meinen.“ Dass so etwas noch Deutsch ist, ist nicht zu meinen. Dass es Dummdeutsch ist, wäre eher zu meinen. Das meine ich jedenfalls.

Eine ziemlich beknackte Formulierung finden wir auch nach dem Umblättern im nächsten Kommentar: „Von der SPD wird Schwans Bewerbung um das höchste Amt und Stimmen der Linken ohnehin mehr ertragen als getragen.“ Man kann eben nicht alles in einem Atemzug nennen, nur um ein paar Wörter einzusparen.
Ein paar Zeilen tiefer „entfaltet die Nachricht weitere Botschaften.“ Wer hätte das gedacht!
„Dennoch sind die Intrigen, die man der Branche fallweise unterstellen muss und selten nachweisen kann, nicht schön anzusehen.“ Das glaube ich gern, obwohl ich nicht weiß, wie man fallweise unterstellt.

Den Vogel abgeschossen hat aber eine Headline auf der Titelseite: „Steinmeier wollte lieber Fischer als Präsident“. Hätte es hier nicht eher heißen sollen, dass Steinmeier lieber Fischer sein wollte als Präsident? Ich z.B. wäre viel lieber Fischer als Präsident. Vielleicht aber auch Bäcker oder Journalist.
Doch da fällt mir ein: Steinmeier steht ja als Präsidentschaftskandidat gar nicht zur Debatte. Nur: Wenn er da lieber den Politiker Fischer haben wollte, dann als Präsidenten. Noch muss man im Deutschen deklinieren, auch wenn die WAZ das gern vergisst. Und in dem Fall steht der Wen-Fall. Denn als Wen wollte er den Fischer? Eben.

2. Mai 2009

Überbietungswettbewerb mit Folterinstrumenten

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 19:56

„Der Überbietungswettbewerb mit Folterinstrumenten, den sich Bsirske, Sommer und Co. gestern geleistet haben, wirkte gleichwohl ein wenig lächerlich“, schreibt die WAZ heute im Seite-2-Kommentar. Ich finde ihn eher etwas unverständlich, weiß man doch nicht, ob es es sich um einen Wettbewerb handelt, der mit Folterinstrumenten ausgetragen wird oder um einen Wettbewerb, der klären soll, wer die besten Folterinstrumente hat. Und wenn dass geklärt sein sollte, weiß man noch immer nicht, was ein „Überbietungswettbewerb“ ist. Zumal es das Wort bisher noch nicht gab und ein Wettbewerb in vielen Fällen damit zu tun hat, dass sich die Teilnehmer gegenseitig zu übertreffen suchen, was manche vielleicht für überbieten halten könnten. Letzteres findet allerdings eher in einer Versteigerung als in einem Wettbewerb statt.
Nachdem das also schon ungeklärt bleiben muss, verwirrt uns dieses hier noch ein bisschen mehr: „Diese Krise ist aber nicht zu bewältigen, indem der Berufsstand der Bosse am Pranger steht. Deutschland braucht gute Manager, um den Schlamassel zu bewältigen.“ Denn was ist das für ein Berufstand: „Bosse“? Und wenn es ihn gäbe, würde er nicht am Pranger stehen, sondern dorthin gestellt werden. Und einen Schlamassel bewältigt man auch nicht, sondern man wird da herausgezogen oder zieht jemanden heraus. Also wer steht hier wo und wer macht was?
Wir werden es nie erfahren und uns stattdessen mit folgendem Rätselwort beschäftigen müssen: „Aber soziale Verwerfungen herbeizureden mit dem Fingerzeig auf ‚die da oben‘, ist billigster Populismus und vergisst, dass unsere Marktwirtschaft der Sozialpartnerschaft einen Wohlfahrtstaat begründet.“
Sind schon die sozialen Verwerfungen so gut wie unmöglich herbeizureden, ist der Fingerzeig schon völlig fehl am Platze (weil es sich dabei um einen guten Tipp handelt), so gerät der Satz dann am Ende vollends aus der Kurve: Die Marktwirtschaft begründet der Sozialpartnerschaft einen Wohlfahrtstaat? (Der vielleicht auch besser ein Wohlfahrt-s-staat sein sollte.) Oder sollte es die Marktwirtschaft der Sozialpartnerschaft sein, die einen Wohlfahrtsstaat begründet? Alles eher Unsinn.
Vielleicht darf ich mal einen Fingerzeig geben: Bevor man einen Überbietungswettbewerb mit Phrasen startet, bei dem die Folterinstrumente am Pranger stehen, sollte man weniger herbeireden, sonst landet man in einem sprachlichen Schlamassel, den man nicht bewältigen kann und aus dem einen auch keiner mehr rauszieht.

1. Mai 2009

In 1000 Meter Tiefe Pfand umsetzen

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 21:29

Was tut in den Ohren weh und steht heute im Aufmacher? Das hier: “ Überdies ist die ‚Zweite Stadt‘, ein ehrgeiziges Kunstprojekt in 1000 Meter Tiefe in den Schächten der ehemaligen Zeche Zollverein, noch nicht finanziert.“ Was ist so schwer daran, dass sich das Kunstprojekt in 1000 Metern Tiefe befindet?

„Dafür sieht er als seinen Job an, was er ist: arbeitslos“, steht auf der Rhein-Ruhr-Seite. Daraufhin sehe ich als meinen Job an, was ich jetzt bin: sprachlos.
Und so kann ich glücklicherweise auch nicht mehr kommentieren, was man ein paar Absätze später lesen muss: „… wenn es zum Monatsende doch mal knapp wird, geht der Vater Pfand umsetzen.“

30. April 2009

Des Virus, des Virus‘ oder des Virusses?

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 20:49

Müsste man mal klären …
Und dazu reicht ein Blick in den Duden. Schon kann man feststellen, dass der Virus über keinen Genitiv verfügt. Also: Des Virus. Das hat die WAZ im Aufmacher auch richtig erkannt: „Es hat sich zwar ein neuer Subtyp des Virus gebildet.“ Nach dem Umblättern kann man aber lesen: „Was die Struktur des Virus’ angeht …“ Ja, Apostrophen werden eben immer wieder gerne genommen.

29. April 2009

Neben einer Erscheinung eher Kleinigkeiten heute

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 21:09

Angefangen im Seite-2-Kommentar des Chefredakteurs: „Diese so genannte Bad Bank ist von Übel für SPD wie Union.“ Zusammengesetzte Begriffe werden im Deutschen mit einem Bindestrich verbunden, darum müsste es die Bad-Bank sein (auch wenn das Wort dem Englischen entlehnt ist). Aber wer wollte so pingelig sein? Außer mir auch noch diese hier.
Ein paar Zeilen weiter habe wir dann noch diesen schönen Satz: „Vieles, wofür in der alten Koalition Schröders Müntefering und Steinmeier standen, erscheint von gestern.“ Das ist interessant: Etwas von gestern erscheint heute. Eine merkwürdige Erscheinung! Die hätte man vermeiden können, wenn der Chefredakteur auf die vermaledeite Vorsilbe verzichtet hätte: Vieles von der Koalition scheint von gestern zu sein.

Eine Seite weiter gibt es „Hilfe für kranken Amok-Droher“. Nun gut, Headlines müssen kurz und knackig sein. Aber ein „Amok-Droher“? Was soll dass den sein? Wenn ein Amokläufer jemand ist, der in blinder Wut tötet, dann ist also ein Amok-Droher jemand, der in blinder Wut droht? Nee, passt nicht. Der droht, in blinde Wut zu verfallen? Kann man so etwas androhen? Hm.

In derselben Spalte eine weitere kleine Headline: „Terrorprozess: Gericht schloss Adem Y. aus“. Wenn ein Terroranschlag ein Anschlag ist, der Schrecken, Angst und Terror verbreitet, dann ist ein Terrorprozess …

28. April 2009

Sollte ein solcher Vorgang auftreten, wird unangemessene Panik geschürt

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 21:06

Dieser Satz stammt von unserem NRW-Arbeitsminister, nachzulesen im heutigen Aufmacher: „Sollte ein solcher Vorgang in NRW auftreten, werde ich mit aller Vehemenz als Aufsichtsbehörde einschreiten.“ Einen Satz von solcher Größe und sprachlichen Schönheit kann wohl nur ein Politiker produzieren (da kommen selbst WAZ-Redakteure nicht mehr mit). Ein Vorgang tritt auf! Und dann wird eingeschritten. Das ist dreimal Fortbewegung in poetischer Form: gehen, auftreten, schreiten. Gekrönt wird das Ganze nur noch von dem „ich“ als Aufsichtsbehörde und der Vehemenz des Einschreitens. Jetzt wissen wir endlich, was Politiker können. Und vor allem: was sie nicht können.

Blättern wir um. Und lesen im Kommentar: „Die allermeisten Ärzten behandeln ihre Patienten aber wie selbstverständlich weiter“.

In der Zwischenzeit ist die Politik-Seite voller Panik. Nachdem Gesine Schwan „von ihrer eigenen Wirkungsmacht überrascht“ wird, was uns nicht wundert, da es das Wort gar nicht gibt, warnt unsere Kanzlerin ein paar Zeilen tiefer: „Es ist völlig unverantwortlich, jetzt Panik zu machen und Ängste zu schüren.“ Tja, wie macht man eigentlich Panik, denn trotz des schönen Begriffs „Panikmache“ ist das gar nicht so leicht.
Die Frage muss offen bleiben, denn „Wulff empfahl, man möge Schwan und Bundespräsident Horst Köhler sowie allen anderen, die nachdenklich redeten, aufmerksam zuhören.“ Es gibt nachdenkliche Menschen, die machen dann möglicherweise auch ein nachdenkliches Gesicht oder werden nachdenklich, wenn sie z.B. eine Rede hören, die nachdenklich macht (das wäre dann eine nachdenklich machende Rede), ggf. runzeln sie dann auch nachdenklich die Stirn – aber man hat noch nie jemanden nachdenklich reden gehört. Vermutlich war gemeint, das Köhler nachdenkt, bevor er redet, und daran sollten sich wirklich andere Politiker ein Beispiel nehmen.
Dann kommt es möglicherweise auch nicht mehr vor, dass „die Kandidatin für Anwürfe freigegeben“ wird.
Ob indes die Sorge kleiner wird, „dass die deutlich abgeflaute Debatte über SPD und Linkspartei wieder aufbranden könnte“, ist ungewiss, weil ein Wind, der abflaut, allenfalls wieder auffrischt und nicht aufbrandet. Letzteres tut nämlich die Meeresbrandung an Felsen oder Klippen.

Aber geraten wir doch lieber wieder in Panik. Und werden fündig im Artikel darunter. Zunächst „… verkündete Linkspartei-Landesvorstand und Bundestagskandidat Andrej Hunko ungeschminkt.“ Für diese Verkündigung hätte man ihn unbedingt vorher schminken müssen, das finde ich auch. Sollte er allerdings eine ungeschminkte Wahrheit verkündet haben, dann hätte man ihn ruhig ohne Make-up auftreten lassen können.
Sodann aber schlägt das Imperium zurück: „SPD-Generalsekretär Michael Groschek warf der Linkspartei vor, ‚vollkommen unangemessene Panik zu schüren‘.“ Was mich natürlich sofort zu der Frage bringt, wie man angemessene Panik schürt.
Zumindest aber wird nun die Panik geschürt, die im oberen Artikel noch gemacht wurde, während dort die Ängste geschürt wurden.
Schüren hin – Panik her, der CDU-Generalsekretär von NRW „titulierte sie (die Linkspartei. d.Verf) als ‚Rattenfänger‘, die aus dem Leid anderer Kapital schlagen wollten.“ (In der Online-Ausgabe steht übrigen „wolten“). Das mit dem Rattenfänger hat er wohl bei seinem Parteifreund Roland Koch abgeguckt – nur wird es nicht besser, wenn man es wiederholt. Denn der Rattenfänger hat damals Hameln von den Ratten befreit und ist anschließend von der städtischen Obrigkeit um seinen Lohn betrogen worden, nie hat er aus dem Leid anderer Leute irgend etwas schlagen wollen, geschweige denn Kapital. Aber woher soll so ein armer ungebildeter CDU-Generalsekretär so etwas wissen, zumal es ihm wohl nur darum geht, das Wort „Ratten“ irgendwie mit dem politischen Gegner in Verbindung zu bringen?

Sollte ein solcher Vorgang noch einmal auftreten, werde ich als sprachliche Aufsichtsbehörde mit aller Vehemenz angemessene Panik schüren … äh … machen, ob ich nun geschminkt bin oder nicht.

27. April 2009

Wer erklärt uns den Alarmzustand?

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 20:29

Na klar, die WAZ heute im Aufmacher: „Angesichts der Ausbreitung der Schweinegrippe haben die USA den Alarmzustand erklärt.“ Und nun wissen wir Bescheid. Endlich erklärt einem einer mal was! Wo die doch sonst so gerne alles mögliche ausrufen und allenfalls den Krieg erklären.

Nach dem Umblättern erfahren wir durch den Kommentar sogar noch mehr: „Zusammen mit der hohen Mobilität der Menschen müssen die Alarmglocken schrillen.“ Das muss sich ja grauenhaft anhören, wenn die Mobilität schrillt. Und auch noch zusammen mit den Alarmglocken! Fehlt nur noch, dass uns das jemand erklärt.

25. April 2009

Schwerer Großkonflikt mit spontane Arbeitsniederlegungen

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 21:32

Ist ein Konflikt groß, ist er wahrscheinlich auch schwer. Dass man das auch koppeln kann, finden wir heute im Aufmacher: „Deutschlands größter Stahlkonzern Thyssen-Krupp steckt mitten in einem schweren Großkonflikt zwischen seinen bundesweit 85 000 Beschäftigten und der Unternehmensspitze …“ Hätte es der schwere Konflikt allein nicht getan?
Kurz danach noch ein Satz, bei dem man beim ersten Lesen nur spürt, dass da irgend etwas falsch sein muss, ohne es genau lokalisieren zu können: „Gewerkschaften und Betriebsräte drohen mit massivem Widerstand: Großdemos, spontane Arbeitsniederlegungen – und einer Blockade aller Entscheidungen in den Aufsichtsräten.“ Das wäre aber nur richtig, wenn sie mit Widerstand und einer Blockade drohen würden. So, wie der Satz gebaut ist, sollten sie aber entweder mit Widerstand, spontanen Arbeitsniederlegungen und einer Blockade drohen oder aber mit folgendem Widerstand – nur dann sollte in allen Fällen der Nominativ stehen: auch bei der Blockade, die eine Blockade wäre.
Besonders schön ist aber diese Formulierung in der zweiten Spalte: „In der Vereinbarung heiße es wörtlich“.
Ich heiße übrigens Würstchen. Nein, Quatsch, vergessen wir das. Aber erinnern wir uns stets daran, dass es „in der Vereinbarung wörtlich hieße“, wenn es korrekt wäre.

24. April 2009

Spekulationen wuchern bei den schwächsten Verlierern

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 18:51

Dass „die Spekulationen wuchern“ (Bildunterschrift, Titelseite) ist ja schon ein höchst interessantes und bisher wenig beobachtetes Phänomen, aber im Kommentar auf Seite 2 haben wir es mit noch interessanteren Beobachtungen zu tun: „Um Deutschland herum brandet in zahlreichen Ländern die Wut der schwächsten Verlierer der Weltkrise auf.“ Da muss man fast froh sein, das nicht auch noch die Wut der stärksten Verlierer aufbrandet oder gar die der schwächsten Gewinner! Nicht auszudenken!

23. April 2009

Vorauseilend hinterhertrauernd am Grundpfeiler kratzen, den es in fertig noch nicht gibt

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 21:25

Es ist schon ein bisschen kurios, was man heute auf der Seite 2 zum Thema „Sperrung von Internet-Seiten“ lesen kann: „Denn die Gesetzesvorlage, die das Kabinett nun beschlossen hat, kratzt an einem ideellen Grundpfeiler des Internets …“ Normalerweise kratzt man am Lack, aber das meint natürlich etwas ganz anderes. Nur: Wenn einer an einem Pfeiler kratzt, an einem Grundpfeiler noch dazu, juckt das niemanden – und am wenigsten den Pfeiler.
In der nächsten Spalte folgt ein kleines Paradoxon: „Das Idealnetz, dem Iseri vorauseilend hinterhertrauert (und mit ihm 130 kommentierende Leser) …“ Entweder voraus oder hinterher, da sollte man sich schon entscheiden.

Stilistisch ganz besonders eigenwillig ist aber dieser Beitrag auf der Rhein-Ruhr-Seite: „Sie fahren von Drehscheibe zu Drehscheibe: nach Duisburg, wo Musik der Philharmoniker dem alten Meidericher Hochofen neue Kraft geben soll. Zu Essens Zollverein, wo Straßentheater Odysseus zum Leben wecken und Narziss. Nach Herne und Recklinghausen, wo zwei Städte eine Drehscheibe sind: die Emscherinsel mit Wasserspielen im Klärbecken. Nach Hattingen, wo die Henrichshütte ein Klanggarten wird mit Gemüseorchester, Stahlquartett und einer schnellen Schnecke, die alles verbindet. Und nach Dortmund, wo es alles gibt: Musik und Theater, aus Essen und Frankreich, auf dem Phoenixplatz vor der Phoenixhalle auf Phoenix West, wo sie derzeit bauen, bauen, bauen, weil es den Platz in fertig noch gar nicht gibt.“
Und das will ich gar nicht weiter kommentieren, weil ich nicht weiß, ob das überhaupt deutsch ist oder nur zum Leben geweckt und Narziss. Oder eine Drehscheibe mit Wasserspielen. Es kann aber auch sein, dass eine schnelle Schnecke alles verbindet. Aber mein stärkster Verdacht ist, dass es diesen Text in fertig noch gar nicht gibt.

22. April 2009

Bis zum bitteren Ende in den Mund nehmen

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 21:36

Heute im Titelseiten-Kommentar: „Das Wort Krebs haben wir doch bis zum bitteren Ende nicht in den Mund zu nehmen gewagt.“ Hm, wusste ich noch gar nicht, dass Wörter einen süßen Anfang und ein bitteres Ende haben können. Oder war hier vielleicht das dicke Ende gemeint, das noch nachkommt?
Doch vielleicht ist das auch „etwas, das wir nicht auch noch vor die Scheinwerfer zerren sollten“, wie man etwas später lesen kann. Zumal es vermutlich gar nichts nützen würde. Denn etwas wird nur dann grell beleuchtet, wenn man es ins Scheinwerferlicht zerrt. Es könnte natürlich auch jemand vor die Kameras treten, aber nur, wenn er etwas Wichtiges zu sagen hat und sich nicht am bitteren dicken Ende eines Wortes verschluckt.

21. April 2009

Den dunklen Schatten vorausschicken und mit Strammzellen Balken in Bewegung bringen

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 19:55

Bisweilen werfen Ereignisse ihre Schatten voraus. Und dass diese dann ziemlich dunkel sein müssen, leuchtet ein, denn von hellen Schatten hat man selten gehört. Um so erstaunlicher, was der iranische Präsident laut WAZ (Seite 2) da wieder hingekriegt hat: „Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad hatte seinen dunklen Schatten nach Genf vorausgeschickt.“ Das muss man erst mal hinkriegen!

Doch auch auf der Rhein-Ruhr-Seite geschehen wundersame Dinge: „Die Frage soll Balken in Bewegung setzen“, lässt die WAZ ein Mitglied der Zukunftskommission zu Wort kommen. Bleibt nur zu hoffen, dass dies keine Lüge war, die ggf. die Balken biegen lässt.

Und im Artikel darunter erfahren wir ganz, ganz Neues aus der Wissenschaft: „Die Experten fordern daher die Förderung auch von umstrittenen Wissenschaftsfeldern wie etwa die Gentechnologie, die Strammzellforschung und die Kernenergie – allesamt Bereiche, für die sich das Wissenschaftsministerium bereits einsetzt.“
Wirklich stramm dabei, unsere Experten, so stellen sie alles andere in den Schatten, selbst, wenn er nicht vorausgeschickt wurde.

20. April 2009

Der Wahlkampf zieht herauf, ein vertieftes Europa hat Chancen und die Unternehmen müssen Ausblicke abgeben

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 19:42

Schon der Aufmacher überrascht uns mit einer interessanten Formulierung: „Die Vorschläge, die am Dienstag im Landeskabinett beraten werden sollen, sind brisant, nicht nur, weil der Wahlkampf heraufzieht.“ Was man bisher nur vom Gewitter kannte, vermag nun auch eine simple politische Veranstaltung. Man mag mich jetzt gerne wieder der Pingeligkeit zeihen, aber Wahlkämpfe ziehen nicht herauf. Die kündigen sich an, beginnen oder befinden sich meinetwegen sogar im Anzug, wenn man unbedingt an etwas ziehen will.

Die „intelligente Autobahn“ am Ende des Artikels wollen wir nicht weiter kommentieren und uns lieber der Seite 2 zuwenden, weil hier noch schönere Formulierungen zu finden sind. Nicht nur „SPD und Grüne, die Atom-Ausstiegler …“, sondern auch so etwas wie das Folgende: „NRW: Allenfalls Mittelmaß bei der Forschung, sagt Dahrendorfs Kommission ungeschminkt.“ Unerhört, das niemand Dahrendorfs Kommission geschminkt hat, wo sie doch vor Kameras treten musste! Nicht, dass sie noch total blass ausgesehen hat, als sie vielleicht die ungeschminkte Wahrheit sagen wollte!
Ein bisschen drollig ist dagegen der Satz ein paar Zeilen weiter: „Ganz einfach: Weil embryonale Stammzellen ganz neue Therapiemöglichkeiten eröffnen könnten für bislang unheilbare Krankheiten: Parkinson, Alzheimer, Herz-Klabaster.“ Drollig nicht nur wegen der doppelten Doppelpunkte oder des falschen Bindestrichs, sondern auch wegen dieser furchtbaren Krankheit namens Herzklabaster, welche wahlweise Herzklopfen, Herzrhythmusstörung oder auch Herzinfarkt bedeuten kann. Eine unheilbare Krankheit ist es jedoch in keinem Fall, und man fragt sich, welcher Teufel einen Chefredakteur reitet, damit jener Parkinson, Alzheimer und den – wenn überhaupt – nur umgangssprachlich möglichen Herzklabaster in einem Atemzug nennt. Wollte er zynisch sein oder besonders witzig? Oder wollte er nur überprüfen, ob seine Artikel überhaupt gelesen werden?
Zumindest setzt er noch einen drauf: „Müsste man den … Kommissionsbericht in die politische Gesäß-Geographie von links nach rechts einordnen, man käme auf: durchweg liberal.“ Ich käme da eher auf: Arsch?
Aber ich bin ja nicht die entscheidende Instanz, wenn ich auch manchmal so tue. Lesen wir also lieber weiter: „Richtig gerungen haben sie in der Kommission, wie man hört, über die Integrationspolitik …“ Aha, über die Politik wird gerungen! Wieder einmal ein kreativer Einsatz der Universalpräposition. Aber warum auch nicht: Worüber man streiten kann, kann man doch sicher auch ringen!
„Ob ein vertieftes Europa so überhaupt noch eine Chance hätte?“ werden wir gegen Ende des Artikels gefragt, und wir würden ja auch gern mit darüber nachdenken, wenn wir nur wüssten, was eigentlich sein soll: ein vertieftes Europa. Die Niederlande und ein bisschen drumherum?
Tja, und dann haben wir am Ende noch eine Formulierung, die irgendwie rätselhaft ist: „Die Flexibilität, das Mantra der Globalisierer, die allseitige Verfügbarkeit nicht nur von Kapital, sondern auch von Menschen, wird glasklar als Zumutung verstanden. Das ist neu. Und ermöglicht auch globalisierten Existenzen, in, sagen wir, Hattingen oder Herne weiterzuwohnen, wenn der Weltmarkt mal wieder zuschlägt.“ Also: Wenn der Weltmarkt mal wieder zuschlägt: Keine Sorge, denn dann dürfen globalisierte Existenzen weiter in Hattingen wohnen, weil das Mantra der Globalisierer glasklar als Zumutung verstanden wird.
So etwas kann man doch eigentlich nur schreiben, wenn man Herzklabaster hat – oder ungeschminkt über den heraufziehenden Wahlkampf ringt.

Wenden wir uns der Rhein-Ruhr-Seite zu. Hier steht im schönsten Denglisch: „Vier Jahre sind seit dem Überfall vergangen. Henriette B. traut sich immer noch nicht, zur Bank zu gehen, um Geld abzuheben. Auf der Straße glaubt sie immer wieder, ein Gesicht, eine Figur zu erinnern.“ Im Englischen ginge das: „Remember the time“. Aber im Deutschen ist das Verb reflexiv, deshalb müsste es heißen: „Auf der Straße glaubt sie, sich an ein Gesicht zu erinnern“.
Im nächsten Absatz wurde die Rentnerin „… vom Angriff hinterrücks völlig überrascht“, was mich jetzt ein bisschen überrascht, wenn auch nicht völlig hinterrücks bzw. hinterrücks völlig.
Aber wie hinterrücks die Überraschung auch gewesen sein mag: „Ihre hochbetagte Mutter will eigentlich kein Aufheben um ihre Person machen.“ Das wiederum kann ich nachvollziehen, weil man normalerweise nicht viel Aufhebens um etwas machen will.

Also blättern wir um und schauen, was die Politik-Seite heute bietet. „Björn Böhning, Wortführer der SPD-Linke …“ lesen wir da und fragen uns, warum er nicht Wortführer der SPD-Linken sein darf.
Liegt es vielleicht daran, dass „Steinmeier … nach 20 Minuten die Debatte mit einer Formulierung abgebunden“ hat? Allerdings müssen wir uns jetzt fragen, warum der Kanzlerkandidat die Debatte nicht einfach abgebrochen hat, wie es jeder andere an seiner Stelle getan hätte. Zumindest jeder, der sie nicht unterbunden hätte.
Wie auch immer – es wird noch ein bisschen rätselhafter: „Böhning nickte brav. Wie der gesamte Entwurf wurde auch dieser Passus einstimmig verabschiedet. Sie hatten dem Kandidaten allenfalls ein Machtwörtchen abverlangt.“ Wer war das? Die Einstimmigen oder die Böhnings?
Egal, Steinmeier kriegt das schon hin, „darum halte er sich für das Amt ‚für geeignet’…“ Genau, denn halten wir uns nicht alle für Vieles für geeignet? Viele Journalisten ja sogar fürs Schreiben für!

Doch kommen wir nun endlich zur Wirtschaftsseite, denn hier “ … müssen die Unternehmen wieder Ausblicke abgeben“, wie uns eine Unterzeile verrät. Und das auch noch „mit Blick auf die geknickte Forscherehre“, die uns sogar noch in einer Zwischenüberschrift angekündigt wird. Nur: Wie knickt man eine Ehre? Man kann sie jemandem erweisen oder jemanden bei ihr packen, man kann sie sogar abschneiden. Aber knicken? Da gibt es höchstens Leute, die geknickt schauen. Vielleicht, weil sie in ihrer Ehre gekränkt wurden. Ansonsten kann man sich diesen Ausdruck knicken.
Überschrieben ist dieser Artikel mit „Prognosen müssen sein“ und als ich das sah, habe ich mich direkt gefragt, wann ich denn von den ersten „Prognosen über“ lesen muss. Vielleicht schon im ersten Absatz? Weit gefehlt! Hier heißt es noch ganz richtig: „Die staatlich finanzierten Wirtschaftsforscher verweigerten eine Prognose für die Entwicklung im kommenden Jahr.“ Aber im zweiten Absatz, hier heißt es: „Auch sie sind in diesem Jahr sehr vorsichtig mit Prognosen über den voraussichtlichen Geschäftserfolg.“ Und schon hat sich die Universalpräposition mal wieder durchgesetzt.
Macht ja nichts, es gibt Schlimmeres. Im folgenden Absatz steht zu lesen: „Ihr Geschäftserfolg ist auch in schlechten Zeiten unsicheren Zeiten sehr gut planbar.“ Ist das eine neue Soap bei RTL? Also sowas wie GZSZ, jetzt aber SZUZ?
Aber das kann eh nicht jeder gucken; so sind „die Dax-Gesellschaften … verpflichtet, einen Ausblick auf das laufende Geschäftsjahr zu werfen.“ Dabei hätte es gereicht, einen Blick zu werfen, auf der anderen Seite hätte man sich einen Ausblick gestatten können.
Aber vielleicht war das „angesichts der Krise und der unerwartet starken Rückgänge bei Nachfrage und Umsätzen …“ ein bisschen viel verlangt, zumal mir ein einfacher Rückgang, der ohnehin keinen Plural kennt, gereicht hätte.
„Dennoch ist der Verzicht auf Prognosen für Investoren nicht dauerhaft annehmbar“, heißt es weiter, was irgendwie einleuchtend ist, da es richtigerweise „hinnehmbar“ heißen müsste.
Und nun geht der Artikel langsam auf sein wohlverdientes Ende zu, aber vorher müssen wir noch Folgendes lesen: „Die Ausgabe von Zielen für das laufende Geschäftjahr gehört wie Quartalsberichte oder Ad-Hoc-Meldungen zum Grundinstrumentarium, mit der Privatanleger Qualität und Aussichten ihres Investments überprüfen können.“ Ja, wenn es denn die Ausgabe von Zielen gewesen wäre, mit der Privatanleger ihre Aussichten überprüfen, dann wäre „der“ richtig gewesen. Wäre! Aber leider handelt es sich eindeutig um das Instrumentarium, mit dem die Anleger prüfen können.
Und das sollten sie auch tun, denn „die Aktien der Firmen, die ihre Ziele verfehlen, fallen wie Steine vom Börsenhimmel.“ Das ist überraschend, bislang sah man allenfalls Sterne vom Himmel fallen. Die sind zwar phonetisch ähnlich, aber letztendlich doch recht anders. Hauptsache, sie knicken keine Journalistenehre, während man einen Ausblick darauf wirft.

18. April 2009

Untersuchungen über Menschenrechtsverletzungen machen einfach wütend und gehen über Würsten und Rotkohl

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 20:23

Das ist schwer, aber nicht unmöglich. So heißt es heute im Aufmacher: „Muggenthaler forderte eine unabhängige Untersuchung über alle Menschenrechtsverletzungen im so genannten Krieg gegen den Terror.“ Nun ist ja bekannt, dass die Universalpräposition immer wieder gerne genommen wird, aber in diesem Zusammenhang hat sie nun mal überhaupt gar nichts zu suchen. Denn eine Untersuchung aller Menschenrechtsverletzungen würde allemal ausreichen.

Aber selbstverständlich hat man uns auch heute wieder mehr zu bieten als eine verunglückte Präposition. Im nebenstehenden Seite-1-Kommentar befindet sich folgende interessante Formulierung: „Wir neigen dazu, das Netz als einen Haufen abstrakter Pixel zu sehen“. Ehrlich gesagt, kenne ich niemanden, der das tut. Weder als Haufen abstrakter noch als konkreter Pixel. „Aber Kinder werden entführt, gefoltert, gemordet, Familien zerstört, um diese Pixel zu kreieren“. So schrecklich das alles ist und es sogar sein mag, dass gemordet wird, aber wenn es sich um konkrete Personen statt abstrakter Pixel handelt, werden diese immer noch er-und nicht ge-mordet. Oder kann man sich ein Geständnis vorstellen, in welchem der Täter zugibt: „Jawohl, dann hab ich das Opfer gemordet“? Möglicherweise noch mit dem Zusatz: „Ich hab es mit dem Messer gestochen“. Oder andersherum: Wenn ein Täter ein Opfer ermordet hat, dann hat er zwar gemordet, aber nicht das Opfer. Alles unklar?
Am Ende des Kommentars haben wir es wieder mit der Unsitte zu tun, eine notwendige Ergänzung wegzulassen, um damit – ja was? – vielleicht eine Allgemeingültigkeit vorzutäuschen, die nicht gegeben ist: „… die Datenschützer, die von Zensur reden, machen einfach wütend“. Ja, wen machen die wütend? Den Autor? Den Leser? Mich jedenfalls nicht; mich macht wütend, dass hier etwas für alle als allgemein gültig behauptet wird – und das noch wider die Regeln der Sprache.

Dafür belustigt eher, müsste man ja jetzt schreiben, aber es belustigt mich, was man nach dem Umblättern im Kommentar des Chefredakteurs lesen kann: „Kohl sind einige herzzerreißende Hässlichkeiten zu verdanken, wie ein sternenhimmelgleich funkelndes Licht-Etwas über dem runden Konferenztisch, an dem bisweilen Journalisten mit ihm abends über Würsten und Rotkohl gingen, staunend, wie viel davon in den räuberisch schaufelnden Koloss hineinpasste.“ Also, das ist schon echt klasse formuliert, vor allem das mit dem räuberisch Schaufelnden, nur das mit den Würsten und dem Rotkohl verstehe ich nicht. Ich habe schon davon gehört, das jemand über Tisch und Bank ging, aber über Würsten? Hauptsache, möchte man fast sagen, sind sie nicht über Leichen gegangen, wer weiß, ob die dann womöglich noch als Haufen abstrakter Pixel gemordet worden wären. Das hätte nämlich ganz schön wütend gemacht!

17. April 2009

Prominente Patienten ins Mäntelchen des Schweigens hüllen

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 20:55

Die „Rhein-Ruhr“-Seite befasst sich heute hauptsächlich mit der Privatsphäre von Stars und benutzt zu diesem Zweck die beliebte Universalpräposition zweimal, wo sie nicht so recht hingehört. Der Anwalt einer „No-Angels“-Sängerin „wünscht …, dass die Presse schweigt. Über die Untersuchungshaft …“
Und während man hier noch geteilter Meinung sein kann, weil in letzter Zeit immer mehr über etwas anstatt „von“ etwas geschwiegen wird, so ist „das gesellschaftliche Problem, über das man aufklären muss“ am Ende des Artikels noch eine Spur schräger. Hier hätte zumindest ein Objekt wie z.B. „die Öffentlichkeit“ hingehört, das bzw. die man über das Problem aufklärt. Ansonsten wäre ein anderes Verb angebracht, wie z.B. „berichten“.
Aber schweigen wir von etwas Anderem: „Müssen Medien prominente Patienten ins Mäntelchen des Schweigens hüllen?“ fragt der Artikel an anderer Stelle und gibt auch gleich die Antwort: „Die Rechtsbeistände auch anderer guter Bekannter finden, wohl: …“
Ich bin nicht dieser Ansicht. Denn mal abgesehen von dem verkorksten Satzbau in der Antwort kann man zwar den Mantel des Schweigens über etwas breiten oder sich ein Mäntelchen umhängen (wahlweise ein demokratisches, fortschrittliches, religiöses), um sich zu tarnen, ja sogar sein Mäntelchen nach dem Wind hängen, aber was die Medien da mit dem Mäntelchen anstellen, das will nicht so recht funktionieren.
Muss man darüber aufklären oder schweigen? Ich finde, wohl.

16. April 2009

Faktenhudelei

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 20:43

„Nur net hudeln“, sagt der Österreicher, wenn es ihm zu schnell geht. Doch was ist gemeint, wenn im Titelseiten-Kommentar das Folgende zu lesen ist: „Mehr Wissen ist nötig, und zwar nicht wegen bloßer Faktenhudelei“? Das Wort gibt es nicht. Wenn schon, dann ist vielleicht Faktenhuberei gemeint. Zwar gibt es beides nicht im Duden. Gleichwohl hat man von Letzterem schon mal gehört. Zumindest vom Faktenhuber. Das ist jemand, der reines Faktenwissen besitzt, aber keine Zusammenhänge her- oder tiefergehende Betrachtungen anstellen kann.
Aber den Faktenhudeler kennt man nicht und genauso wenig die Faktenhudelei. Lobhudelei, die kennt man schon. Das Wort bezeichnet übertriebenes und geheucheltes Lob. Und so hat man bei der WAZ vielleicht gemeint, man kann die Hudelei immer dann anhängen, wenn etwas übertrieben ist. Demzufolge haben wir es dann bald mit „Gesetzeshudelei“, „Steuerhudelei“, „Datenhudelei“ und „Krisenhudelei“ zu tun. Und mit ein bisschen Glück landet die eine oder andere Hudelei vielleicht sogar beim „Wort des Jahres“. Als Worthudelei.

15. April 2009

Mit Stacheldraht einmauern und den Kreditfluss lähmen

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 20:13

Empörung scheint das Sprach- oder mindestens das Schreibvermögen zu beeinträchtigen. Vor allem dann, wenn man einen Unrechtsstaat geißelt. Der Chefredakteur erfindet im Seite-2-Kommentar neue Wörter: „Die Rechtsprechung war nicht unabhängig, sondern SED-lich.“ Und als ob eine SED-liche Rechtsprechung nicht schon schlimm genug wäre, fährt er fort: “Der freie Wille war frei, insofern er der Einheitsmeinung in der dem Politbüro gleichgeschalteten Presse entsprach.” Ich denke jetzt schon sehr lange über diesen Satz nach, doch es ist ihm bei bestem – freien – Willen einfach kein Sinn zu entlocken. Mal sehen, vielleicht bekommt man das durch Umformulieren hin: „Der freie Wille war insofern frei, als er der Einheitsmeinung entsprach.“ Klingt deutlich besser, aber das wollte doch bestimmt keiner sagen … Oder sollte es heißen: „Der freie Wille war solange frei, wie er der Einheitsmeinung entsprach?“ Möglicherweise, allerdings fragt man sich, was der freie Wille an dieser Stelle überhaupt zu suchen hat. Denn wie kann ein Wille einer Meinung entsprechen? Und wie wird ein Wille unfrei? Ich fürchte, hier ist dem Chefredakteur der Unterschied zwischen “freiem Willen” und “freier Meinung” ein bisschen verrutscht. Oder er hat zu viel gute Kinofilme gesehen, vielleicht “Im Auftrag des Teufels” (mit Keanu Reeves und Al Pacino), hier ist ja auch oft vom freien Willen die Rede – und vom Teufel. Und den gottlosen SED-Staat, das Politbüro, den Teufel und die Unfreiheit, das kann man doch flugs alles zusammen in einen … äh … in ein Fegefeuer werfen, nicht war? In dieser Hitze kann man dann auch vergessen, dass die Einheitsmeinung in der Presse, der der freie Wille entsprechen soll und welche wiederum dem Politbüro gleichgeschaltet ist, einfach keinen Sinn hat, so sehr man auch nach ihm sucht.

Doch nicht nur beim Chefredakteur ist das Sprachvermögen beeinträchtigt. Auf der Politik-Seite meldet sich der Direktor der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen zu Wort: „Ein Staat, der seine Bevölkerung mit Stacheldraht und Selbstschussanlagen einmauert, ist per se ein Unrechtsstaat.“ Das mag schon sein, das mit dem Unrechtsstaat, aber das mit dem Stacheldraht ist schwierig: Zum Mauern braucht man Steine und Mörtel, alles andere taugt dazu nicht und man kann daher weder mit Stacheldraht noch mit Selbstschussanlagen irgend jemanden einmauern. Auch dann nicht, wenn man noch so drastisch schildern möchte, wie das Unrecht ausgesehen hat.
Der anschließende Satz ist dann leider auch nicht besser: „Wenn er auch noch mehr als 200 000 Menschen unschuldig ins Gefängnis wirft, ist dies erst recht offenkundig.“ Offenkundig ist schon offenkundig, offenkundiger geht’s nicht mehr, auch nicht erst recht.
Und „dass an dieser Einschätzung gerüttelt wird“, geht leider auch nicht: Man kann an Grundfesten rütteln, mit Einschätzungen klappt das nicht besonders gut, die können besser in Frage gestellt werden.
Und da wir gerade dabei sind: Es ist auch nicht ganz leicht, dass „der fundamentale Unterschied zwischen Demokratie und Diktatur ins Schwimmen gerät.“ Das ist nicht nur „mit einem demokratischen Politikverständnis“ (hm, was mag das sein?) „nicht vereinbar“, sondern auch mit der deutschen Sprache, weil die hier eher die Formulierung bereithielte, dass der Unterschied verwischt wird oder vielleicht sogar verschwimmt.
Den kleinen Beziehungsfehler ein paar Zeilen weiter: „41 Prozent der Ostdeutschen sind der Ansicht, die DDR sei kein Unrechtsstaat gewesen. Nur 28 Prozent sagen, er war es sehr wohl“, wollen wir dann nicht weiter kommentieren und uns der nächsten Politik-Seite zuwenden.

Hier heißt es zunächst: „Nach sieben Stunden war die Zeit des Zögerns vorbei.“ Was, bitte, ist die Zeit des Zögerns? Warum konnte man nicht einfach schreiben, dass nach sieben Stunden des Zögerns irgend etwas passierte? Möglicherweise, weil uns auch im Folgenden nicht erklärt wird, was es mit den sieben Stunden auf sich hatte: „Als Angela Merkel kurz vor Weihnachten ihren ersten Wirtschaftsgipfel im Kanzleramt veranstaltete, genügte die Prognose von Bert Rürup, um die Regierung in Alarmstimmung zu versetzen.“ Und auch bis zum Ende des Artikels erfahren wir dazu nichts.
Stattdessen das Folgende: „Ohnehin kämpft Steinbrück momentan mit weiteren Sorgen: die faulen Wertpapiere, die … die Bilanzen deutscher Banken belasten und den Kreditfluss lähmen.“ Flüsse, und seien es Kreditflüsse, kann man nicht lähmen, man kann sie höchstens aufhalten, stauen oder umleiten.

Bleibt noch die kleine Headline auf der Rhein-Ruhr-Seite: „Offene Fragen nach Tod von Kind“. Warum konnten es keine offene Fragen nach dem Tod eines Kindes sein?
Vielleicht, weil der freie Wille dem nicht entsprach, insofern er gerade die Zeit des Zögerns brauchte, um die Flüsse zu lähmen, damit der Unterschied nicht ins Schwimmen gerät.

14. April 2009

Unter leisen Sohlen entführt und unterm Pantoffel hart geprüft

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 20:52

Wenn man jemandem einen guten Tipp gibt, dann gibt man ihm einen Fingerzeig. Und wenn gar noch höhere Wesen im Spiel sind, dann mag es sich gar um einen Fingerzeig Gottes handeln. Doch ist das offensichtlich nicht alles, denn „die Kommunalwahl gilt als wichtiger Fingerzeig für die Bundestagswahl“, zumindest laut WAZ-Titelseite.
Zugegeben, das war jetzt ganz schön pingelig, denn warum soll man den Fingerzeig nicht einfach mal umdeuten? Hm, vielleicht, weil eine Kommunalwahl kein Fingerzeig sein kann. Sie kann einen Anhaltspunkt geben oder eine Tendenz zeigen, vielleicht auch ein Stimmungsbarometer sein. Warum muss man bei dieser Vielfalt von sprachlichen Möglichkeiten auf einen nicht passenden Fingerzeig zurückgreifen?
Das Folgende ist es nicht minder pingelig: „Nach dem Rücktritt von OB Fritz Schramma (CDU) scheint die Erfolgsaussicht des gemeinsamen rot-grünen OB-Kandidaten Jürgen Roters gestiegen zu sein.“ Kann eine Erfolgsaussicht steigen? Eine Aussicht kann es schon mal nicht. Aber was machen wir nun mit der Erfolgsaussicht? Lassen wir sie steigen oder nicht? Je mehr ich darüber nachdenke: Besser nicht. Vielleicht sollte sie einfach nur größer werden.
Als nächstes kommt etwas vergleichsweise Einfaches: „Ein Sieg in der größten NRW-Stadt jedenfalls dürfte Symbolcharakter fürs ganze Land entfalten – und Sogwirkung auf Wähler ausüben.“ Natürlich kann man seinen Charakter entfalten (wenn man kann), aber mit dem Symbol davor wird das vergleichsweise schwierig: Etwas bekommt Symbolcharakter, es bekommt eine symbolhafte Bedeutung und hat es demzufolge nicht nötig, noch irgendetwas zu entfalten, geschweige denn einen Charakter. Und die ausgeübte Sogwirkung kann mann sich ohnehin schenken, weil man schreiben könnte, dass ein Sieg wie ein Sog wirkt. Das klingt dann zwar weniger hochtrabend, aber dafür ist es auch weniger – hochtrabend!

Im Seite-2-Kommentar müssen wir dann noch das Folgende lesen: „Seit Wochen zeigen Sozialdemokraten eine erhöhte Interviewbereitschaft, die sich zuletzt in Kritik an der Kanzlerin (Franz Müntefering) niederschlug …“ Tut mir leid, aber eine erhöhte Interviewbereitschaft schlägt sich in überhaupt nichts nieder, am wenigsten aber in Kritik. Das geht einfach nicht.
Und genauso wenig geht, „dass die SPD so früh in die Offensive strebt …“, denn man geht dort hinein, während man vielleicht nach Höherem strebt.
Und dass „… Politiker ihren Wählern das blanke Gefühl vermitteln …“, kann ich mir auch kaum vorstellen, mit der blanken Angst hätte ich da weniger Probleme.

Aber kommen wir endlich zu den Sohlen, die finden wir eine Seite weiter in einem Artikel über Kaugummi auf Bürgersteigen: „… so lange bleibt es kleben, hat Marcus Sonntag erforscht, (wenn es nicht entführt wird unter leisen Sohlen).“ Entschuldigung, man kann sich anschleichen oder sich zurückhaltend geben, dann kommt man auf leisen Sohlen; aber etwas oder jemanden unter leisen Sohlen entführen – das ist einfach Blödsinn!
Auch die „Fotos, die Ekel machen“, fallen unter diese Kategorie. Ekel empfinden wir, es ist ein Gefühl. Und das kann man nicht „machen“! Und Fotos vermögen dies noch weniger, sofern da eine Steigerung möglich ist.

Offenbar sind Steigerungen immer möglich, denn auf der „Menschen“-Seite „… verwandelt sich die Recklinghäuserin in eine aufgetakelte Muckermaus, die unterm Pantoffel eines cholerischen Gatten vom Leben hart geprüft wird.“ Da wir nicht wissen, was eine Muckermaus ist, sollte uns auch nicht stören, dass sie unterm Pantoffel geprüft wird, selbst dann nicht, wenn den der cholerische Ehemann trägt. Und wir sollten weder dem Bild des Mannes nachtrauern, der unterm Pantoffel steht, noch uns Gedanken über Prüfungen machen, die das Leben stellt. Das alles kann schließlich heutzutage wunderbar vermuddelt werden, oder?

Zum Schluss haben wir noch im Sportteil eine schöne Äußerung von Herrn Klinsmann: „Wir haben gegen Barcelona noch einiges zu reparieren“.
So gesehen, hat auch die WAZ gegen ihre Leser noch einiges zu reparieren, damit wir nicht unter der leisen Sohle des Pantoffels geprüft oder gar entführt werden. Ich meine: Hart geprüft werden wir doch sowieso, und zwar jeden Tag, wenn wir die WAZ aufschlagen.

11. April 2009

Schmallippig zu sieben Jahre Haft verurteilt

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 19:41

„Drei Kinder hatten sich mit Wodka betrunken und mussten ‚hochgradig alkoholisiert‘ in eine Klinik eingeliefert worden, sagte der Polizeisprecher“. So zumindest steht es heute in einem 20-Zeiler auf der Rhein-Ruhr-Seite. Ich hoffe ich doch sehr, dass der Beamte das nicht so von sich gegeben hat, gleichwohl frage ich mich, wer denn außerdem genügend alkoholisiert war, um zu diesen Satz zu formulieren.
Denn vermutlich der- oder dieselbe hat in einem 15-Zeiler nur wenige Zentimeter entfernt auch die folgende Formulierung hinterlassen: „Im Prozess um den Wurf von Zaunlatten auf die A3 bei Duisburg ist der 21-jährige Angeklagte … zu sieben Jahre Haft verurteilt worden.“ Andererseits steht zu befürchten, dass auch nüchtern niemand bei der WAZ den Dativ vorgezogen hätte, wodurch der Angeklagte zu sieben Jahren verurteilt worden wäre.

„Schmallippig reagierten Sprecher der Bundeswehr und des Auswärtigen Amtes auf die zugespitzte Lage vor Ostafrika. ‚Der Krisenstab tagt‘, hieß es wie immer einsilbig bei Geiselnahmen deutscher Staatsbürger im Ausland.“ Diese verunglückte Formulierung verdanken wir heute der Politik-Seite. Allerdings weiß niemand, wie man schmallippig reagiert, weil man allenfalls schmallippig antworten oder sich äußern kann, und dann ist es geheuchelt oder gelogen. Mit „einsilbig“ oder gar „verschwiegen“ hat dieses Wort relativ wenig zu tun, um genau zu sein: eigentlich gar nichts.

Blättern wir also um und lesen beim „Ratgeber Auto“ eine etwas rätselhafte Unterzeile: „EU schreibt ab 2011 den Schleuderschutz ESP für alle Neuwagen vor sowie spritsparendere Reife“. Was mag das für eine Reife sein, von der da die Rede ist? Die Mittlere oder gar das Abitur? Ich hatte da den Verdacht, dass es sich vielleicht um Reifen handeln könnte, allerdings findet man im Artikel selbst rein gar nichts mehr dazu. Hm, warum steht es dann in der Subline?
Egal, dafür findet man folgenden Satz: „Öffentlich wurde der Widerstand von Kleinbauern gegen die Autofabrik mit Unzufriedenheit über die Industrialisierung Indiens gerechtfertigt.“ Dabei wäre es die Unzufriedenheit mit der Industrialisierung gewesen und bei der Gelegenheit hätte man das andere „mit“ ohne Probleme gegen „durch“ austauschen können. Dazu hätte man sich allerdings wenigstens einmal dazu durchringen müssen, auf die Universalpräposition „über“ zugunsten einer korrekten Präposition zu verzichten.

Aber vielleicht wird jetzt alles gut, wenn wir die Worte eines Gottesmanns vernehmen: Ein leibhaftiger Weihbischof erklärt auf der Kulturseite: „Angesichts der weitverbreiteten Ängste benötigen wir einen nüchternen Blick für die umfassende Vergewisserung der Lage.“ Dem könnte man voll zustimmen, wenn man wüsste, was das heißen soll. Abgesehen davon, dass man seinen Blick auf etwas richtet und nicht für, erinnert mich das alles ein bisschen an Werner Bornheims Rede vor dem Deutschen Bundestag (dokumentiert von Loriot): „Erstens das Selbstverständnis unter der Voraussetzung, zweitens, und das ist es, was wir unseren Wählern schuldig sind, drittens die konzentrierte Be-Inhaltung als Kernstück eines zukunftsweisenden Parteiprogramms.“
Aber der Herr Bischof hat noch mehr zu bieten als konzentrierte Be-Inhaltung, nämlich „Regelungen, die zukunftskräftig sind“. Warum sie nicht zukunftsträchtig sind, kann man nur vermuten: Kann es sein, dass er zwar Gottes Wort verkündet, das eigene indes nicht kennt? Nun, ja: Die Wege des Herrn sind nun mal unergründlich und die Worte seiner Diener manchmal nicht minder.
Das gilt auch für die Formulierung im letzten Absatz: „Gerade in kritischen Zeiten muss gelten, dass bewährte Partnerschaft hält, was sie verspricht: Verlässlichkeit auf Augenhöhe.“ Das kann man irgendwie gar nicht richtig auseinander pfriemeln: Wir haben eine bewährte Partnerschaft, O.K. Und die soll halten, was sie verspricht, das kann man ja auch erwarten. Aber was verspricht sie? Verlässlichkeit, und die auf Augenhöhe. Nur: ist es nicht schon Verlässlichkeit, wenn jemand hält, was er verspricht? Und was hat die Augenhöhe damit zu tun? Ich fürchte, spätestens jetzt sind wir wieder beim Selbstverständnis unter der Voraussetzung und bei der konzentrierten Be-Inhaltung gelandet.

9. April 2009

Die Mehrheit als Einzelkämpfer, der Onkel als Marienkäfer, Merkel als Mensch und alle an der Bad Bank dran

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 19:19

Heute gibt es eine Doppelausgabe. Vermutlich sind deshalb auch doppelt so viele Fehler drin, man kommt kaum nach. Beginnen wir mit der Titelseite: „Die Mehrheit der deutschen Mütter und Väter fühlt sich heute als Einzelkämpfer.“ Die Mehrheit als Einzelkämpfer, das ist in sich schon ein kleines bisschen widersprüchlich, aber wollen wir wirklich so kleinlich sein und auf einer eleganteren Formulierung bestehen? Ich denke schon.

Ein bisschen eleganter könnte es auch auf der Rhein-Ruhr-Seite sein: „Der erste Trauerfall war ein Marienkäfer. Er fand den Tod im Blumenbeet und seine letzte Ruhe hinter dem Kindergarten, aber richtig tragisch war das alles nicht: Denn die Kinder haben den Käfer nicht gekannt. ‚Wenn man einen kennt, ist es viel schlimmer‘, sagt Maurice.
Maurice kannte einmal einen, das war sein Onkel …“
Doch bevor wir uns von dem Schock erholen können, dass der arme Maurice der Neffe eines Marienkäfers ist, müssen wir das Folgende zur Kenntnis nehmen: „Das Grab haben die Kinder selbst angelegt, es war der feierliche Abschluss eines Projekts: ‚Kinder, Tod und Lebensfreude‘ haben die Dortmunder Friedhofsgärtner es genannt, die wirklich finden, dass diese Drei zusammengehören, sogar müssen.“ Komisch, warum muss ich jetzt zuallererst an „Kinder, Tod und Teufel“ denken? Und warum finden die Dortmunder Friedhofsgärtner es „wirklich“? Und was sind „diese Drei“, groß geschrieben? Und warum sind es überhaupt nur drei, da doch schon die Kinder mindestens zwei sein müssen?
Diese Fragen müssen wohl offen bleiben, denn „‚Wir erklären den Familien, wie Tod geht‘, sagt Martin Struck, dem sein Beruf den Humor nicht ausgetrieben hat, aber er meint das ganz ernst …“ Hoppla! Was ist jetzt los? Wir erklären, wie Tod geht? Und das meinen wir ernst, obwohl wir Humor haben? Oder wie? Ich würde das nicht mal ernst meinen, wenn ich keinen Humor hätte.
Aber dieser Friedhofsgärtner hat ja auch schon einiges erlebt: „Struck hat seinen Vater früh verloren und die kalte Hand seines Opas noch anfassen dürfen, und er hat all diese Kinder gesehen, mit denen er inzwischen über das Sterben geredet hat: so viele Fragen, aber niemals Tränen und gar keine Angst.“ Und das alles in einem Atemzug! In dem hat er seinen Vater früh verloren und dabei die kalte Hand des Opas anfassen dürfen. Kurz danach hat er Kinder gesehen und viele Fragen gehabt, aber keine Tränen und keine Angst, oder habe ich das falsch verstanden? Hölle, Tod und Teufel!
Kaum zu glauben, aber „auch den Erzieherinnen hat das gefallen: dass ihre Schützlinge begreifen, dass Schmerz manchmal sein muss, aber vergeht, und auch, dass Tod nicht toll ist. Es gab da nämlich ein paar, sagt Waltraud Piechaczyk, ‚die spielten etwas zu oft Totschlagen und Totschießen‘, aber auch die sind ganz still geworden, als das nun ernst wurde.“ Als was nun ernst wurde? Das Totschlagen und Totschießen? Ging es etwa Onkel Marienkäfer an den Kragen? Oder war hier erneut die kalte Hand des Opas im Spiel?

Auch das werden wir nie erfahren, darum schlagen wir die Politik-Seite auf und lesen die Headline: „Merkels Menschwerdung“. Prompt kommt mir ein Aufsatz von Friedrich Engels in den Sinn: „Der Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen“.
Doch bevor wir jetzt weiter gackern, lesen wir erst einmal: „Ende Februar breitete sich in den Medien die Einschätzung aus …“ Wie breitet sich eine Einschätzung aus, so wie ein Ölteppich?
Aber lesen wir weiter: „Im März konnte man etwas über Merkels Strategie zur persönlichen Krisenbewältigung lernen: Menschwerdung. Statt große Reden zu halten oder Machtworte auszuteilen, absolvierte die Kanzlerin vier Wochen lang jenseits des Tagesgeschäfts ungezählte Gespräche mit Kritikern und viele Termine vor sorgfältig ausgewähltem Publikum.“ Also: Die Menschwerdung (des Affen? Gacker!) ist eine Strategie zur persönlichen Krisenbewältigung. Anschließend werden Machtworte ausgeteilt, die allerdings normalerweise gesprochen werden und dann landen wir schon wieder im Jenseits. Warum eigentlich kann man nicht schreiben, dass die Kanzlerin abseits vom Tagesgeschäft Gespräche führte? Ist das Jenseits so attraktiv geworden, dass man es in jedem dritten WAZ-Artikel bemühen muss?
„‚Ich bin dann immer mehr in die Bredouille gekommen‘, schilderte Merkel“, was nicht weiter verwundert, da sie eh nicht als besondere rhetorische Leuchte bekannt ist, denn sonst wäre sie in dieselbe geraten. Leider redet sie noch weiter: „Ich habe mich in der Beweisführung immer weiter verstrickt, dass schon alles ein gutes Ende nehmen wird.“ Und ich versuche, mich jetzt nicht in der Beweisführung zu verstricken, dass das eigentlich gar kein Satz ist. Zumindest kein verständlicher.
Möglicherweise ist das alles aber auch nur Bestandteil ihrer „Charmoffensive“, wie in der Bildunterschrift zu lesen ist.
Und die hängt vermutlich mit Folgendem zusammen: „Gerade die Angriffe der SPD bringen einen Wesenskern von Merkels Selbstverteidigungsstrategie zum Vorschein. Sie wehrt sich nicht.“ Da muss man erst mal drauf kommen!

Und auch diese Headline auf der Wirtschaftsseite ist einen Tusch wert: „Bund mit Hochdruck an Bad Bank dran“! Und jetzt sind Sie dran. Aber an was und mit welchem Druck?

Auf der Sport(titel-)seite erfahren wir, „dass mit Lucio, van Daniel van Buyten, Miroslav Klose und dem noch kurzfristig ausgefallenen Philipp Lahm vier wichtige Spieler fehlten…“.
Und wem diese merkwürdige Doppelung noch nicht ausreicht, der wird im nächsten Absatz belohnt, denn „ein paar Stunden vor Anpfiff hatte Klinsmann noch versucht, einen letzten Reizpunkt zu setzen, als er sich für Hans-Jörg Butt im Tor entschied und nicht für den etatmäßigen Stammkeeper Michael Rensing“.
Da wir weder wissen, was ein Reizpunkt ist, noch, wie er gesetzt wird, noch, was ein etatmäßiger Keeper ist, sollte uns auch das Folgende nicht überraschen: „Das Spiel im vor 93 210 Zuschauern im Nou Camp hatte begonnen …“
Und „dass es kurz darauf nicht schon 3:0 stand für Barcelona (Komma fehlt!) hatten die Bayern in erster Linie Schiedsrichter Howard Webb zu verdanken… “ und kann uns nun auch nicht mehr aufregen. Was ist schon ein fehlendes Komma angesichts einer Schiedsrichter-Fehlentscheidung?

Wenden wir uns daher lieber dem nebenstehenden Kommentar zu, der uns berichtet, „dass Franz Beckenbauer trotz des Ruheverdikts der Führungs-Weggefährten bereits den Säbel in der Hand hält“, anstatt mit ihm zu rasseln, wie man es von diesem Sprachbild erwartet. Doch vielleicht will er ja mit dem Säbel Onkel Marienkäfer auflauern und ihm so erklären, wie Tod geht und nicht toll ist? Ich fürchte nur, dass er dadurch in die Bredouille kommt, seine Menschwerdung verpasst, während er die kalte Hand des Opas ergreift und dadurch einen letzten Reizpunkt setzt. Und das wäre doch schade, oder?

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