WAZblog Waz man seinen Lesern eigentlich nicht zumuten sollte …

11. April 2009

Schmallippig zu sieben Jahre Haft verurteilt

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 19:41

„Drei Kinder hatten sich mit Wodka betrunken und mussten ‚hochgradig alkoholisiert‘ in eine Klinik eingeliefert worden, sagte der Polizeisprecher“. So zumindest steht es heute in einem 20-Zeiler auf der Rhein-Ruhr-Seite. Ich hoffe ich doch sehr, dass der Beamte das nicht so von sich gegeben hat, gleichwohl frage ich mich, wer denn außerdem genügend alkoholisiert war, um zu diesen Satz zu formulieren.
Denn vermutlich der- oder dieselbe hat in einem 15-Zeiler nur wenige Zentimeter entfernt auch die folgende Formulierung hinterlassen: „Im Prozess um den Wurf von Zaunlatten auf die A3 bei Duisburg ist der 21-jährige Angeklagte … zu sieben Jahre Haft verurteilt worden.“ Andererseits steht zu befürchten, dass auch nüchtern niemand bei der WAZ den Dativ vorgezogen hätte, wodurch der Angeklagte zu sieben Jahren verurteilt worden wäre.

„Schmallippig reagierten Sprecher der Bundeswehr und des Auswärtigen Amtes auf die zugespitzte Lage vor Ostafrika. ‚Der Krisenstab tagt‘, hieß es wie immer einsilbig bei Geiselnahmen deutscher Staatsbürger im Ausland.“ Diese verunglückte Formulierung verdanken wir heute der Politik-Seite. Allerdings weiß niemand, wie man schmallippig reagiert, weil man allenfalls schmallippig antworten oder sich äußern kann, und dann ist es geheuchelt oder gelogen. Mit „einsilbig“ oder gar „verschwiegen“ hat dieses Wort relativ wenig zu tun, um genau zu sein: eigentlich gar nichts.

Blättern wir also um und lesen beim „Ratgeber Auto“ eine etwas rätselhafte Unterzeile: „EU schreibt ab 2011 den Schleuderschutz ESP für alle Neuwagen vor sowie spritsparendere Reife“. Was mag das für eine Reife sein, von der da die Rede ist? Die Mittlere oder gar das Abitur? Ich hatte da den Verdacht, dass es sich vielleicht um Reifen handeln könnte, allerdings findet man im Artikel selbst rein gar nichts mehr dazu. Hm, warum steht es dann in der Subline?
Egal, dafür findet man folgenden Satz: „Öffentlich wurde der Widerstand von Kleinbauern gegen die Autofabrik mit Unzufriedenheit über die Industrialisierung Indiens gerechtfertigt.“ Dabei wäre es die Unzufriedenheit mit der Industrialisierung gewesen und bei der Gelegenheit hätte man das andere „mit“ ohne Probleme gegen „durch“ austauschen können. Dazu hätte man sich allerdings wenigstens einmal dazu durchringen müssen, auf die Universalpräposition „über“ zugunsten einer korrekten Präposition zu verzichten.

Aber vielleicht wird jetzt alles gut, wenn wir die Worte eines Gottesmanns vernehmen: Ein leibhaftiger Weihbischof erklärt auf der Kulturseite: „Angesichts der weitverbreiteten Ängste benötigen wir einen nüchternen Blick für die umfassende Vergewisserung der Lage.“ Dem könnte man voll zustimmen, wenn man wüsste, was das heißen soll. Abgesehen davon, dass man seinen Blick auf etwas richtet und nicht für, erinnert mich das alles ein bisschen an Werner Bornheims Rede vor dem Deutschen Bundestag (dokumentiert von Loriot): „Erstens das Selbstverständnis unter der Voraussetzung, zweitens, und das ist es, was wir unseren Wählern schuldig sind, drittens die konzentrierte Be-Inhaltung als Kernstück eines zukunftsweisenden Parteiprogramms.“
Aber der Herr Bischof hat noch mehr zu bieten als konzentrierte Be-Inhaltung, nämlich „Regelungen, die zukunftskräftig sind“. Warum sie nicht zukunftsträchtig sind, kann man nur vermuten: Kann es sein, dass er zwar Gottes Wort verkündet, das eigene indes nicht kennt? Nun, ja: Die Wege des Herrn sind nun mal unergründlich und die Worte seiner Diener manchmal nicht minder.
Das gilt auch für die Formulierung im letzten Absatz: „Gerade in kritischen Zeiten muss gelten, dass bewährte Partnerschaft hält, was sie verspricht: Verlässlichkeit auf Augenhöhe.“ Das kann man irgendwie gar nicht richtig auseinander pfriemeln: Wir haben eine bewährte Partnerschaft, O.K. Und die soll halten, was sie verspricht, das kann man ja auch erwarten. Aber was verspricht sie? Verlässlichkeit, und die auf Augenhöhe. Nur: ist es nicht schon Verlässlichkeit, wenn jemand hält, was er verspricht? Und was hat die Augenhöhe damit zu tun? Ich fürchte, spätestens jetzt sind wir wieder beim Selbstverständnis unter der Voraussetzung und bei der konzentrierten Be-Inhaltung gelandet.

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