WAZblog Waz man seinen Lesern eigentlich nicht zumuten sollte …

30. April 2009

Des Virus, des Virus‘ oder des Virusses?

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 20:49

Müsste man mal klären …
Und dazu reicht ein Blick in den Duden. Schon kann man feststellen, dass der Virus über keinen Genitiv verfügt. Also: Des Virus. Das hat die WAZ im Aufmacher auch richtig erkannt: „Es hat sich zwar ein neuer Subtyp des Virus gebildet.“ Nach dem Umblättern kann man aber lesen: „Was die Struktur des Virus’ angeht …“ Ja, Apostrophen werden eben immer wieder gerne genommen.

29. April 2009

Neben einer Erscheinung eher Kleinigkeiten heute

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 21:09

Angefangen im Seite-2-Kommentar des Chefredakteurs: „Diese so genannte Bad Bank ist von Übel für SPD wie Union.“ Zusammengesetzte Begriffe werden im Deutschen mit einem Bindestrich verbunden, darum müsste es die Bad-Bank sein (auch wenn das Wort dem Englischen entlehnt ist). Aber wer wollte so pingelig sein? Außer mir auch noch diese hier.
Ein paar Zeilen weiter habe wir dann noch diesen schönen Satz: „Vieles, wofür in der alten Koalition Schröders Müntefering und Steinmeier standen, erscheint von gestern.“ Das ist interessant: Etwas von gestern erscheint heute. Eine merkwürdige Erscheinung! Die hätte man vermeiden können, wenn der Chefredakteur auf die vermaledeite Vorsilbe verzichtet hätte: Vieles von der Koalition scheint von gestern zu sein.

Eine Seite weiter gibt es „Hilfe für kranken Amok-Droher“. Nun gut, Headlines müssen kurz und knackig sein. Aber ein „Amok-Droher“? Was soll dass den sein? Wenn ein Amokläufer jemand ist, der in blinder Wut tötet, dann ist also ein Amok-Droher jemand, der in blinder Wut droht? Nee, passt nicht. Der droht, in blinde Wut zu verfallen? Kann man so etwas androhen? Hm.

In derselben Spalte eine weitere kleine Headline: „Terrorprozess: Gericht schloss Adem Y. aus“. Wenn ein Terroranschlag ein Anschlag ist, der Schrecken, Angst und Terror verbreitet, dann ist ein Terrorprozess …

28. April 2009

Sollte ein solcher Vorgang auftreten, wird unangemessene Panik geschürt

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 21:06

Dieser Satz stammt von unserem NRW-Arbeitsminister, nachzulesen im heutigen Aufmacher: „Sollte ein solcher Vorgang in NRW auftreten, werde ich mit aller Vehemenz als Aufsichtsbehörde einschreiten.“ Einen Satz von solcher Größe und sprachlichen Schönheit kann wohl nur ein Politiker produzieren (da kommen selbst WAZ-Redakteure nicht mehr mit). Ein Vorgang tritt auf! Und dann wird eingeschritten. Das ist dreimal Fortbewegung in poetischer Form: gehen, auftreten, schreiten. Gekrönt wird das Ganze nur noch von dem „ich“ als Aufsichtsbehörde und der Vehemenz des Einschreitens. Jetzt wissen wir endlich, was Politiker können. Und vor allem: was sie nicht können.

Blättern wir um. Und lesen im Kommentar: „Die allermeisten Ärzten behandeln ihre Patienten aber wie selbstverständlich weiter“.

In der Zwischenzeit ist die Politik-Seite voller Panik. Nachdem Gesine Schwan „von ihrer eigenen Wirkungsmacht überrascht“ wird, was uns nicht wundert, da es das Wort gar nicht gibt, warnt unsere Kanzlerin ein paar Zeilen tiefer: „Es ist völlig unverantwortlich, jetzt Panik zu machen und Ängste zu schüren.“ Tja, wie macht man eigentlich Panik, denn trotz des schönen Begriffs „Panikmache“ ist das gar nicht so leicht.
Die Frage muss offen bleiben, denn „Wulff empfahl, man möge Schwan und Bundespräsident Horst Köhler sowie allen anderen, die nachdenklich redeten, aufmerksam zuhören.“ Es gibt nachdenkliche Menschen, die machen dann möglicherweise auch ein nachdenkliches Gesicht oder werden nachdenklich, wenn sie z.B. eine Rede hören, die nachdenklich macht (das wäre dann eine nachdenklich machende Rede), ggf. runzeln sie dann auch nachdenklich die Stirn – aber man hat noch nie jemanden nachdenklich reden gehört. Vermutlich war gemeint, das Köhler nachdenkt, bevor er redet, und daran sollten sich wirklich andere Politiker ein Beispiel nehmen.
Dann kommt es möglicherweise auch nicht mehr vor, dass „die Kandidatin für Anwürfe freigegeben“ wird.
Ob indes die Sorge kleiner wird, „dass die deutlich abgeflaute Debatte über SPD und Linkspartei wieder aufbranden könnte“, ist ungewiss, weil ein Wind, der abflaut, allenfalls wieder auffrischt und nicht aufbrandet. Letzteres tut nämlich die Meeresbrandung an Felsen oder Klippen.

Aber geraten wir doch lieber wieder in Panik. Und werden fündig im Artikel darunter. Zunächst „… verkündete Linkspartei-Landesvorstand und Bundestagskandidat Andrej Hunko ungeschminkt.“ Für diese Verkündigung hätte man ihn unbedingt vorher schminken müssen, das finde ich auch. Sollte er allerdings eine ungeschminkte Wahrheit verkündet haben, dann hätte man ihn ruhig ohne Make-up auftreten lassen können.
Sodann aber schlägt das Imperium zurück: „SPD-Generalsekretär Michael Groschek warf der Linkspartei vor, ‚vollkommen unangemessene Panik zu schüren‘.“ Was mich natürlich sofort zu der Frage bringt, wie man angemessene Panik schürt.
Zumindest aber wird nun die Panik geschürt, die im oberen Artikel noch gemacht wurde, während dort die Ängste geschürt wurden.
Schüren hin – Panik her, der CDU-Generalsekretär von NRW „titulierte sie (die Linkspartei. d.Verf) als ‚Rattenfänger‘, die aus dem Leid anderer Kapital schlagen wollten.“ (In der Online-Ausgabe steht übrigen „wolten“). Das mit dem Rattenfänger hat er wohl bei seinem Parteifreund Roland Koch abgeguckt – nur wird es nicht besser, wenn man es wiederholt. Denn der Rattenfänger hat damals Hameln von den Ratten befreit und ist anschließend von der städtischen Obrigkeit um seinen Lohn betrogen worden, nie hat er aus dem Leid anderer Leute irgend etwas schlagen wollen, geschweige denn Kapital. Aber woher soll so ein armer ungebildeter CDU-Generalsekretär so etwas wissen, zumal es ihm wohl nur darum geht, das Wort „Ratten“ irgendwie mit dem politischen Gegner in Verbindung zu bringen?

Sollte ein solcher Vorgang noch einmal auftreten, werde ich als sprachliche Aufsichtsbehörde mit aller Vehemenz angemessene Panik schüren … äh … machen, ob ich nun geschminkt bin oder nicht.

27. April 2009

Wer erklärt uns den Alarmzustand?

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 20:29

Na klar, die WAZ heute im Aufmacher: „Angesichts der Ausbreitung der Schweinegrippe haben die USA den Alarmzustand erklärt.“ Und nun wissen wir Bescheid. Endlich erklärt einem einer mal was! Wo die doch sonst so gerne alles mögliche ausrufen und allenfalls den Krieg erklären.

Nach dem Umblättern erfahren wir durch den Kommentar sogar noch mehr: „Zusammen mit der hohen Mobilität der Menschen müssen die Alarmglocken schrillen.“ Das muss sich ja grauenhaft anhören, wenn die Mobilität schrillt. Und auch noch zusammen mit den Alarmglocken! Fehlt nur noch, dass uns das jemand erklärt.

25. April 2009

Schwerer Großkonflikt mit spontane Arbeitsniederlegungen

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 21:32

Ist ein Konflikt groß, ist er wahrscheinlich auch schwer. Dass man das auch koppeln kann, finden wir heute im Aufmacher: „Deutschlands größter Stahlkonzern Thyssen-Krupp steckt mitten in einem schweren Großkonflikt zwischen seinen bundesweit 85 000 Beschäftigten und der Unternehmensspitze …“ Hätte es der schwere Konflikt allein nicht getan?
Kurz danach noch ein Satz, bei dem man beim ersten Lesen nur spürt, dass da irgend etwas falsch sein muss, ohne es genau lokalisieren zu können: „Gewerkschaften und Betriebsräte drohen mit massivem Widerstand: Großdemos, spontane Arbeitsniederlegungen – und einer Blockade aller Entscheidungen in den Aufsichtsräten.“ Das wäre aber nur richtig, wenn sie mit Widerstand und einer Blockade drohen würden. So, wie der Satz gebaut ist, sollten sie aber entweder mit Widerstand, spontanen Arbeitsniederlegungen und einer Blockade drohen oder aber mit folgendem Widerstand – nur dann sollte in allen Fällen der Nominativ stehen: auch bei der Blockade, die eine Blockade wäre.
Besonders schön ist aber diese Formulierung in der zweiten Spalte: „In der Vereinbarung heiße es wörtlich“.
Ich heiße übrigens Würstchen. Nein, Quatsch, vergessen wir das. Aber erinnern wir uns stets daran, dass es „in der Vereinbarung wörtlich hieße“, wenn es korrekt wäre.

24. April 2009

Spekulationen wuchern bei den schwächsten Verlierern

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 18:51

Dass „die Spekulationen wuchern“ (Bildunterschrift, Titelseite) ist ja schon ein höchst interessantes und bisher wenig beobachtetes Phänomen, aber im Kommentar auf Seite 2 haben wir es mit noch interessanteren Beobachtungen zu tun: „Um Deutschland herum brandet in zahlreichen Ländern die Wut der schwächsten Verlierer der Weltkrise auf.“ Da muss man fast froh sein, das nicht auch noch die Wut der stärksten Verlierer aufbrandet oder gar die der schwächsten Gewinner! Nicht auszudenken!

23. April 2009

Vorauseilend hinterhertrauernd am Grundpfeiler kratzen, den es in fertig noch nicht gibt

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 21:25

Es ist schon ein bisschen kurios, was man heute auf der Seite 2 zum Thema „Sperrung von Internet-Seiten“ lesen kann: „Denn die Gesetzesvorlage, die das Kabinett nun beschlossen hat, kratzt an einem ideellen Grundpfeiler des Internets …“ Normalerweise kratzt man am Lack, aber das meint natürlich etwas ganz anderes. Nur: Wenn einer an einem Pfeiler kratzt, an einem Grundpfeiler noch dazu, juckt das niemanden – und am wenigsten den Pfeiler.
In der nächsten Spalte folgt ein kleines Paradoxon: „Das Idealnetz, dem Iseri vorauseilend hinterhertrauert (und mit ihm 130 kommentierende Leser) …“ Entweder voraus oder hinterher, da sollte man sich schon entscheiden.

Stilistisch ganz besonders eigenwillig ist aber dieser Beitrag auf der Rhein-Ruhr-Seite: „Sie fahren von Drehscheibe zu Drehscheibe: nach Duisburg, wo Musik der Philharmoniker dem alten Meidericher Hochofen neue Kraft geben soll. Zu Essens Zollverein, wo Straßentheater Odysseus zum Leben wecken und Narziss. Nach Herne und Recklinghausen, wo zwei Städte eine Drehscheibe sind: die Emscherinsel mit Wasserspielen im Klärbecken. Nach Hattingen, wo die Henrichshütte ein Klanggarten wird mit Gemüseorchester, Stahlquartett und einer schnellen Schnecke, die alles verbindet. Und nach Dortmund, wo es alles gibt: Musik und Theater, aus Essen und Frankreich, auf dem Phoenixplatz vor der Phoenixhalle auf Phoenix West, wo sie derzeit bauen, bauen, bauen, weil es den Platz in fertig noch gar nicht gibt.“
Und das will ich gar nicht weiter kommentieren, weil ich nicht weiß, ob das überhaupt deutsch ist oder nur zum Leben geweckt und Narziss. Oder eine Drehscheibe mit Wasserspielen. Es kann aber auch sein, dass eine schnelle Schnecke alles verbindet. Aber mein stärkster Verdacht ist, dass es diesen Text in fertig noch gar nicht gibt.

22. April 2009

Bis zum bitteren Ende in den Mund nehmen

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 21:36

Heute im Titelseiten-Kommentar: „Das Wort Krebs haben wir doch bis zum bitteren Ende nicht in den Mund zu nehmen gewagt.“ Hm, wusste ich noch gar nicht, dass Wörter einen süßen Anfang und ein bitteres Ende haben können. Oder war hier vielleicht das dicke Ende gemeint, das noch nachkommt?
Doch vielleicht ist das auch „etwas, das wir nicht auch noch vor die Scheinwerfer zerren sollten“, wie man etwas später lesen kann. Zumal es vermutlich gar nichts nützen würde. Denn etwas wird nur dann grell beleuchtet, wenn man es ins Scheinwerferlicht zerrt. Es könnte natürlich auch jemand vor die Kameras treten, aber nur, wenn er etwas Wichtiges zu sagen hat und sich nicht am bitteren dicken Ende eines Wortes verschluckt.

21. April 2009

Den dunklen Schatten vorausschicken und mit Strammzellen Balken in Bewegung bringen

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 19:55

Bisweilen werfen Ereignisse ihre Schatten voraus. Und dass diese dann ziemlich dunkel sein müssen, leuchtet ein, denn von hellen Schatten hat man selten gehört. Um so erstaunlicher, was der iranische Präsident laut WAZ (Seite 2) da wieder hingekriegt hat: „Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad hatte seinen dunklen Schatten nach Genf vorausgeschickt.“ Das muss man erst mal hinkriegen!

Doch auch auf der Rhein-Ruhr-Seite geschehen wundersame Dinge: „Die Frage soll Balken in Bewegung setzen“, lässt die WAZ ein Mitglied der Zukunftskommission zu Wort kommen. Bleibt nur zu hoffen, dass dies keine Lüge war, die ggf. die Balken biegen lässt.

Und im Artikel darunter erfahren wir ganz, ganz Neues aus der Wissenschaft: „Die Experten fordern daher die Förderung auch von umstrittenen Wissenschaftsfeldern wie etwa die Gentechnologie, die Strammzellforschung und die Kernenergie – allesamt Bereiche, für die sich das Wissenschaftsministerium bereits einsetzt.“
Wirklich stramm dabei, unsere Experten, so stellen sie alles andere in den Schatten, selbst, wenn er nicht vorausgeschickt wurde.

20. April 2009

Der Wahlkampf zieht herauf, ein vertieftes Europa hat Chancen und die Unternehmen müssen Ausblicke abgeben

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 19:42

Schon der Aufmacher überrascht uns mit einer interessanten Formulierung: „Die Vorschläge, die am Dienstag im Landeskabinett beraten werden sollen, sind brisant, nicht nur, weil der Wahlkampf heraufzieht.“ Was man bisher nur vom Gewitter kannte, vermag nun auch eine simple politische Veranstaltung. Man mag mich jetzt gerne wieder der Pingeligkeit zeihen, aber Wahlkämpfe ziehen nicht herauf. Die kündigen sich an, beginnen oder befinden sich meinetwegen sogar im Anzug, wenn man unbedingt an etwas ziehen will.

Die „intelligente Autobahn“ am Ende des Artikels wollen wir nicht weiter kommentieren und uns lieber der Seite 2 zuwenden, weil hier noch schönere Formulierungen zu finden sind. Nicht nur „SPD und Grüne, die Atom-Ausstiegler …“, sondern auch so etwas wie das Folgende: „NRW: Allenfalls Mittelmaß bei der Forschung, sagt Dahrendorfs Kommission ungeschminkt.“ Unerhört, das niemand Dahrendorfs Kommission geschminkt hat, wo sie doch vor Kameras treten musste! Nicht, dass sie noch total blass ausgesehen hat, als sie vielleicht die ungeschminkte Wahrheit sagen wollte!
Ein bisschen drollig ist dagegen der Satz ein paar Zeilen weiter: „Ganz einfach: Weil embryonale Stammzellen ganz neue Therapiemöglichkeiten eröffnen könnten für bislang unheilbare Krankheiten: Parkinson, Alzheimer, Herz-Klabaster.“ Drollig nicht nur wegen der doppelten Doppelpunkte oder des falschen Bindestrichs, sondern auch wegen dieser furchtbaren Krankheit namens Herzklabaster, welche wahlweise Herzklopfen, Herzrhythmusstörung oder auch Herzinfarkt bedeuten kann. Eine unheilbare Krankheit ist es jedoch in keinem Fall, und man fragt sich, welcher Teufel einen Chefredakteur reitet, damit jener Parkinson, Alzheimer und den – wenn überhaupt – nur umgangssprachlich möglichen Herzklabaster in einem Atemzug nennt. Wollte er zynisch sein oder besonders witzig? Oder wollte er nur überprüfen, ob seine Artikel überhaupt gelesen werden?
Zumindest setzt er noch einen drauf: „Müsste man den … Kommissionsbericht in die politische Gesäß-Geographie von links nach rechts einordnen, man käme auf: durchweg liberal.“ Ich käme da eher auf: Arsch?
Aber ich bin ja nicht die entscheidende Instanz, wenn ich auch manchmal so tue. Lesen wir also lieber weiter: „Richtig gerungen haben sie in der Kommission, wie man hört, über die Integrationspolitik …“ Aha, über die Politik wird gerungen! Wieder einmal ein kreativer Einsatz der Universalpräposition. Aber warum auch nicht: Worüber man streiten kann, kann man doch sicher auch ringen!
„Ob ein vertieftes Europa so überhaupt noch eine Chance hätte?“ werden wir gegen Ende des Artikels gefragt, und wir würden ja auch gern mit darüber nachdenken, wenn wir nur wüssten, was eigentlich sein soll: ein vertieftes Europa. Die Niederlande und ein bisschen drumherum?
Tja, und dann haben wir am Ende noch eine Formulierung, die irgendwie rätselhaft ist: „Die Flexibilität, das Mantra der Globalisierer, die allseitige Verfügbarkeit nicht nur von Kapital, sondern auch von Menschen, wird glasklar als Zumutung verstanden. Das ist neu. Und ermöglicht auch globalisierten Existenzen, in, sagen wir, Hattingen oder Herne weiterzuwohnen, wenn der Weltmarkt mal wieder zuschlägt.“ Also: Wenn der Weltmarkt mal wieder zuschlägt: Keine Sorge, denn dann dürfen globalisierte Existenzen weiter in Hattingen wohnen, weil das Mantra der Globalisierer glasklar als Zumutung verstanden wird.
So etwas kann man doch eigentlich nur schreiben, wenn man Herzklabaster hat – oder ungeschminkt über den heraufziehenden Wahlkampf ringt.

Wenden wir uns der Rhein-Ruhr-Seite zu. Hier steht im schönsten Denglisch: „Vier Jahre sind seit dem Überfall vergangen. Henriette B. traut sich immer noch nicht, zur Bank zu gehen, um Geld abzuheben. Auf der Straße glaubt sie immer wieder, ein Gesicht, eine Figur zu erinnern.“ Im Englischen ginge das: „Remember the time“. Aber im Deutschen ist das Verb reflexiv, deshalb müsste es heißen: „Auf der Straße glaubt sie, sich an ein Gesicht zu erinnern“.
Im nächsten Absatz wurde die Rentnerin „… vom Angriff hinterrücks völlig überrascht“, was mich jetzt ein bisschen überrascht, wenn auch nicht völlig hinterrücks bzw. hinterrücks völlig.
Aber wie hinterrücks die Überraschung auch gewesen sein mag: „Ihre hochbetagte Mutter will eigentlich kein Aufheben um ihre Person machen.“ Das wiederum kann ich nachvollziehen, weil man normalerweise nicht viel Aufhebens um etwas machen will.

Also blättern wir um und schauen, was die Politik-Seite heute bietet. „Björn Böhning, Wortführer der SPD-Linke …“ lesen wir da und fragen uns, warum er nicht Wortführer der SPD-Linken sein darf.
Liegt es vielleicht daran, dass „Steinmeier … nach 20 Minuten die Debatte mit einer Formulierung abgebunden“ hat? Allerdings müssen wir uns jetzt fragen, warum der Kanzlerkandidat die Debatte nicht einfach abgebrochen hat, wie es jeder andere an seiner Stelle getan hätte. Zumindest jeder, der sie nicht unterbunden hätte.
Wie auch immer – es wird noch ein bisschen rätselhafter: „Böhning nickte brav. Wie der gesamte Entwurf wurde auch dieser Passus einstimmig verabschiedet. Sie hatten dem Kandidaten allenfalls ein Machtwörtchen abverlangt.“ Wer war das? Die Einstimmigen oder die Böhnings?
Egal, Steinmeier kriegt das schon hin, „darum halte er sich für das Amt ‚für geeignet’…“ Genau, denn halten wir uns nicht alle für Vieles für geeignet? Viele Journalisten ja sogar fürs Schreiben für!

Doch kommen wir nun endlich zur Wirtschaftsseite, denn hier “ … müssen die Unternehmen wieder Ausblicke abgeben“, wie uns eine Unterzeile verrät. Und das auch noch „mit Blick auf die geknickte Forscherehre“, die uns sogar noch in einer Zwischenüberschrift angekündigt wird. Nur: Wie knickt man eine Ehre? Man kann sie jemandem erweisen oder jemanden bei ihr packen, man kann sie sogar abschneiden. Aber knicken? Da gibt es höchstens Leute, die geknickt schauen. Vielleicht, weil sie in ihrer Ehre gekränkt wurden. Ansonsten kann man sich diesen Ausdruck knicken.
Überschrieben ist dieser Artikel mit „Prognosen müssen sein“ und als ich das sah, habe ich mich direkt gefragt, wann ich denn von den ersten „Prognosen über“ lesen muss. Vielleicht schon im ersten Absatz? Weit gefehlt! Hier heißt es noch ganz richtig: „Die staatlich finanzierten Wirtschaftsforscher verweigerten eine Prognose für die Entwicklung im kommenden Jahr.“ Aber im zweiten Absatz, hier heißt es: „Auch sie sind in diesem Jahr sehr vorsichtig mit Prognosen über den voraussichtlichen Geschäftserfolg.“ Und schon hat sich die Universalpräposition mal wieder durchgesetzt.
Macht ja nichts, es gibt Schlimmeres. Im folgenden Absatz steht zu lesen: „Ihr Geschäftserfolg ist auch in schlechten Zeiten unsicheren Zeiten sehr gut planbar.“ Ist das eine neue Soap bei RTL? Also sowas wie GZSZ, jetzt aber SZUZ?
Aber das kann eh nicht jeder gucken; so sind „die Dax-Gesellschaften … verpflichtet, einen Ausblick auf das laufende Geschäftsjahr zu werfen.“ Dabei hätte es gereicht, einen Blick zu werfen, auf der anderen Seite hätte man sich einen Ausblick gestatten können.
Aber vielleicht war das „angesichts der Krise und der unerwartet starken Rückgänge bei Nachfrage und Umsätzen …“ ein bisschen viel verlangt, zumal mir ein einfacher Rückgang, der ohnehin keinen Plural kennt, gereicht hätte.
„Dennoch ist der Verzicht auf Prognosen für Investoren nicht dauerhaft annehmbar“, heißt es weiter, was irgendwie einleuchtend ist, da es richtigerweise „hinnehmbar“ heißen müsste.
Und nun geht der Artikel langsam auf sein wohlverdientes Ende zu, aber vorher müssen wir noch Folgendes lesen: „Die Ausgabe von Zielen für das laufende Geschäftjahr gehört wie Quartalsberichte oder Ad-Hoc-Meldungen zum Grundinstrumentarium, mit der Privatanleger Qualität und Aussichten ihres Investments überprüfen können.“ Ja, wenn es denn die Ausgabe von Zielen gewesen wäre, mit der Privatanleger ihre Aussichten überprüfen, dann wäre „der“ richtig gewesen. Wäre! Aber leider handelt es sich eindeutig um das Instrumentarium, mit dem die Anleger prüfen können.
Und das sollten sie auch tun, denn „die Aktien der Firmen, die ihre Ziele verfehlen, fallen wie Steine vom Börsenhimmel.“ Das ist überraschend, bislang sah man allenfalls Sterne vom Himmel fallen. Die sind zwar phonetisch ähnlich, aber letztendlich doch recht anders. Hauptsache, sie knicken keine Journalistenehre, während man einen Ausblick darauf wirft.

18. April 2009

Untersuchungen über Menschenrechtsverletzungen machen einfach wütend und gehen über Würsten und Rotkohl

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 20:23

Das ist schwer, aber nicht unmöglich. So heißt es heute im Aufmacher: „Muggenthaler forderte eine unabhängige Untersuchung über alle Menschenrechtsverletzungen im so genannten Krieg gegen den Terror.“ Nun ist ja bekannt, dass die Universalpräposition immer wieder gerne genommen wird, aber in diesem Zusammenhang hat sie nun mal überhaupt gar nichts zu suchen. Denn eine Untersuchung aller Menschenrechtsverletzungen würde allemal ausreichen.

Aber selbstverständlich hat man uns auch heute wieder mehr zu bieten als eine verunglückte Präposition. Im nebenstehenden Seite-1-Kommentar befindet sich folgende interessante Formulierung: „Wir neigen dazu, das Netz als einen Haufen abstrakter Pixel zu sehen“. Ehrlich gesagt, kenne ich niemanden, der das tut. Weder als Haufen abstrakter noch als konkreter Pixel. „Aber Kinder werden entführt, gefoltert, gemordet, Familien zerstört, um diese Pixel zu kreieren“. So schrecklich das alles ist und es sogar sein mag, dass gemordet wird, aber wenn es sich um konkrete Personen statt abstrakter Pixel handelt, werden diese immer noch er-und nicht ge-mordet. Oder kann man sich ein Geständnis vorstellen, in welchem der Täter zugibt: „Jawohl, dann hab ich das Opfer gemordet“? Möglicherweise noch mit dem Zusatz: „Ich hab es mit dem Messer gestochen“. Oder andersherum: Wenn ein Täter ein Opfer ermordet hat, dann hat er zwar gemordet, aber nicht das Opfer. Alles unklar?
Am Ende des Kommentars haben wir es wieder mit der Unsitte zu tun, eine notwendige Ergänzung wegzulassen, um damit – ja was? – vielleicht eine Allgemeingültigkeit vorzutäuschen, die nicht gegeben ist: „… die Datenschützer, die von Zensur reden, machen einfach wütend“. Ja, wen machen die wütend? Den Autor? Den Leser? Mich jedenfalls nicht; mich macht wütend, dass hier etwas für alle als allgemein gültig behauptet wird – und das noch wider die Regeln der Sprache.

Dafür belustigt eher, müsste man ja jetzt schreiben, aber es belustigt mich, was man nach dem Umblättern im Kommentar des Chefredakteurs lesen kann: „Kohl sind einige herzzerreißende Hässlichkeiten zu verdanken, wie ein sternenhimmelgleich funkelndes Licht-Etwas über dem runden Konferenztisch, an dem bisweilen Journalisten mit ihm abends über Würsten und Rotkohl gingen, staunend, wie viel davon in den räuberisch schaufelnden Koloss hineinpasste.“ Also, das ist schon echt klasse formuliert, vor allem das mit dem räuberisch Schaufelnden, nur das mit den Würsten und dem Rotkohl verstehe ich nicht. Ich habe schon davon gehört, das jemand über Tisch und Bank ging, aber über Würsten? Hauptsache, möchte man fast sagen, sind sie nicht über Leichen gegangen, wer weiß, ob die dann womöglich noch als Haufen abstrakter Pixel gemordet worden wären. Das hätte nämlich ganz schön wütend gemacht!

17. April 2009

Prominente Patienten ins Mäntelchen des Schweigens hüllen

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 20:55

Die „Rhein-Ruhr“-Seite befasst sich heute hauptsächlich mit der Privatsphäre von Stars und benutzt zu diesem Zweck die beliebte Universalpräposition zweimal, wo sie nicht so recht hingehört. Der Anwalt einer „No-Angels“-Sängerin „wünscht …, dass die Presse schweigt. Über die Untersuchungshaft …“
Und während man hier noch geteilter Meinung sein kann, weil in letzter Zeit immer mehr über etwas anstatt „von“ etwas geschwiegen wird, so ist „das gesellschaftliche Problem, über das man aufklären muss“ am Ende des Artikels noch eine Spur schräger. Hier hätte zumindest ein Objekt wie z.B. „die Öffentlichkeit“ hingehört, das bzw. die man über das Problem aufklärt. Ansonsten wäre ein anderes Verb angebracht, wie z.B. „berichten“.
Aber schweigen wir von etwas Anderem: „Müssen Medien prominente Patienten ins Mäntelchen des Schweigens hüllen?“ fragt der Artikel an anderer Stelle und gibt auch gleich die Antwort: „Die Rechtsbeistände auch anderer guter Bekannter finden, wohl: …“
Ich bin nicht dieser Ansicht. Denn mal abgesehen von dem verkorksten Satzbau in der Antwort kann man zwar den Mantel des Schweigens über etwas breiten oder sich ein Mäntelchen umhängen (wahlweise ein demokratisches, fortschrittliches, religiöses), um sich zu tarnen, ja sogar sein Mäntelchen nach dem Wind hängen, aber was die Medien da mit dem Mäntelchen anstellen, das will nicht so recht funktionieren.
Muss man darüber aufklären oder schweigen? Ich finde, wohl.

16. April 2009

Faktenhudelei

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 20:43

„Nur net hudeln“, sagt der Österreicher, wenn es ihm zu schnell geht. Doch was ist gemeint, wenn im Titelseiten-Kommentar das Folgende zu lesen ist: „Mehr Wissen ist nötig, und zwar nicht wegen bloßer Faktenhudelei“? Das Wort gibt es nicht. Wenn schon, dann ist vielleicht Faktenhuberei gemeint. Zwar gibt es beides nicht im Duden. Gleichwohl hat man von Letzterem schon mal gehört. Zumindest vom Faktenhuber. Das ist jemand, der reines Faktenwissen besitzt, aber keine Zusammenhänge her- oder tiefergehende Betrachtungen anstellen kann.
Aber den Faktenhudeler kennt man nicht und genauso wenig die Faktenhudelei. Lobhudelei, die kennt man schon. Das Wort bezeichnet übertriebenes und geheucheltes Lob. Und so hat man bei der WAZ vielleicht gemeint, man kann die Hudelei immer dann anhängen, wenn etwas übertrieben ist. Demzufolge haben wir es dann bald mit „Gesetzeshudelei“, „Steuerhudelei“, „Datenhudelei“ und „Krisenhudelei“ zu tun. Und mit ein bisschen Glück landet die eine oder andere Hudelei vielleicht sogar beim „Wort des Jahres“. Als Worthudelei.

15. April 2009

Mit Stacheldraht einmauern und den Kreditfluss lähmen

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 20:13

Empörung scheint das Sprach- oder mindestens das Schreibvermögen zu beeinträchtigen. Vor allem dann, wenn man einen Unrechtsstaat geißelt. Der Chefredakteur erfindet im Seite-2-Kommentar neue Wörter: „Die Rechtsprechung war nicht unabhängig, sondern SED-lich.“ Und als ob eine SED-liche Rechtsprechung nicht schon schlimm genug wäre, fährt er fort: “Der freie Wille war frei, insofern er der Einheitsmeinung in der dem Politbüro gleichgeschalteten Presse entsprach.” Ich denke jetzt schon sehr lange über diesen Satz nach, doch es ist ihm bei bestem – freien – Willen einfach kein Sinn zu entlocken. Mal sehen, vielleicht bekommt man das durch Umformulieren hin: „Der freie Wille war insofern frei, als er der Einheitsmeinung entsprach.“ Klingt deutlich besser, aber das wollte doch bestimmt keiner sagen … Oder sollte es heißen: „Der freie Wille war solange frei, wie er der Einheitsmeinung entsprach?“ Möglicherweise, allerdings fragt man sich, was der freie Wille an dieser Stelle überhaupt zu suchen hat. Denn wie kann ein Wille einer Meinung entsprechen? Und wie wird ein Wille unfrei? Ich fürchte, hier ist dem Chefredakteur der Unterschied zwischen “freiem Willen” und “freier Meinung” ein bisschen verrutscht. Oder er hat zu viel gute Kinofilme gesehen, vielleicht “Im Auftrag des Teufels” (mit Keanu Reeves und Al Pacino), hier ist ja auch oft vom freien Willen die Rede – und vom Teufel. Und den gottlosen SED-Staat, das Politbüro, den Teufel und die Unfreiheit, das kann man doch flugs alles zusammen in einen … äh … in ein Fegefeuer werfen, nicht war? In dieser Hitze kann man dann auch vergessen, dass die Einheitsmeinung in der Presse, der der freie Wille entsprechen soll und welche wiederum dem Politbüro gleichgeschaltet ist, einfach keinen Sinn hat, so sehr man auch nach ihm sucht.

Doch nicht nur beim Chefredakteur ist das Sprachvermögen beeinträchtigt. Auf der Politik-Seite meldet sich der Direktor der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen zu Wort: „Ein Staat, der seine Bevölkerung mit Stacheldraht und Selbstschussanlagen einmauert, ist per se ein Unrechtsstaat.“ Das mag schon sein, das mit dem Unrechtsstaat, aber das mit dem Stacheldraht ist schwierig: Zum Mauern braucht man Steine und Mörtel, alles andere taugt dazu nicht und man kann daher weder mit Stacheldraht noch mit Selbstschussanlagen irgend jemanden einmauern. Auch dann nicht, wenn man noch so drastisch schildern möchte, wie das Unrecht ausgesehen hat.
Der anschließende Satz ist dann leider auch nicht besser: „Wenn er auch noch mehr als 200 000 Menschen unschuldig ins Gefängnis wirft, ist dies erst recht offenkundig.“ Offenkundig ist schon offenkundig, offenkundiger geht’s nicht mehr, auch nicht erst recht.
Und „dass an dieser Einschätzung gerüttelt wird“, geht leider auch nicht: Man kann an Grundfesten rütteln, mit Einschätzungen klappt das nicht besonders gut, die können besser in Frage gestellt werden.
Und da wir gerade dabei sind: Es ist auch nicht ganz leicht, dass „der fundamentale Unterschied zwischen Demokratie und Diktatur ins Schwimmen gerät.“ Das ist nicht nur „mit einem demokratischen Politikverständnis“ (hm, was mag das sein?) „nicht vereinbar“, sondern auch mit der deutschen Sprache, weil die hier eher die Formulierung bereithielte, dass der Unterschied verwischt wird oder vielleicht sogar verschwimmt.
Den kleinen Beziehungsfehler ein paar Zeilen weiter: „41 Prozent der Ostdeutschen sind der Ansicht, die DDR sei kein Unrechtsstaat gewesen. Nur 28 Prozent sagen, er war es sehr wohl“, wollen wir dann nicht weiter kommentieren und uns der nächsten Politik-Seite zuwenden.

Hier heißt es zunächst: „Nach sieben Stunden war die Zeit des Zögerns vorbei.“ Was, bitte, ist die Zeit des Zögerns? Warum konnte man nicht einfach schreiben, dass nach sieben Stunden des Zögerns irgend etwas passierte? Möglicherweise, weil uns auch im Folgenden nicht erklärt wird, was es mit den sieben Stunden auf sich hatte: „Als Angela Merkel kurz vor Weihnachten ihren ersten Wirtschaftsgipfel im Kanzleramt veranstaltete, genügte die Prognose von Bert Rürup, um die Regierung in Alarmstimmung zu versetzen.“ Und auch bis zum Ende des Artikels erfahren wir dazu nichts.
Stattdessen das Folgende: „Ohnehin kämpft Steinbrück momentan mit weiteren Sorgen: die faulen Wertpapiere, die … die Bilanzen deutscher Banken belasten und den Kreditfluss lähmen.“ Flüsse, und seien es Kreditflüsse, kann man nicht lähmen, man kann sie höchstens aufhalten, stauen oder umleiten.

Bleibt noch die kleine Headline auf der Rhein-Ruhr-Seite: „Offene Fragen nach Tod von Kind“. Warum konnten es keine offene Fragen nach dem Tod eines Kindes sein?
Vielleicht, weil der freie Wille dem nicht entsprach, insofern er gerade die Zeit des Zögerns brauchte, um die Flüsse zu lähmen, damit der Unterschied nicht ins Schwimmen gerät.

14. April 2009

Unter leisen Sohlen entführt und unterm Pantoffel hart geprüft

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 20:52

Wenn man jemandem einen guten Tipp gibt, dann gibt man ihm einen Fingerzeig. Und wenn gar noch höhere Wesen im Spiel sind, dann mag es sich gar um einen Fingerzeig Gottes handeln. Doch ist das offensichtlich nicht alles, denn „die Kommunalwahl gilt als wichtiger Fingerzeig für die Bundestagswahl“, zumindest laut WAZ-Titelseite.
Zugegeben, das war jetzt ganz schön pingelig, denn warum soll man den Fingerzeig nicht einfach mal umdeuten? Hm, vielleicht, weil eine Kommunalwahl kein Fingerzeig sein kann. Sie kann einen Anhaltspunkt geben oder eine Tendenz zeigen, vielleicht auch ein Stimmungsbarometer sein. Warum muss man bei dieser Vielfalt von sprachlichen Möglichkeiten auf einen nicht passenden Fingerzeig zurückgreifen?
Das Folgende ist es nicht minder pingelig: „Nach dem Rücktritt von OB Fritz Schramma (CDU) scheint die Erfolgsaussicht des gemeinsamen rot-grünen OB-Kandidaten Jürgen Roters gestiegen zu sein.“ Kann eine Erfolgsaussicht steigen? Eine Aussicht kann es schon mal nicht. Aber was machen wir nun mit der Erfolgsaussicht? Lassen wir sie steigen oder nicht? Je mehr ich darüber nachdenke: Besser nicht. Vielleicht sollte sie einfach nur größer werden.
Als nächstes kommt etwas vergleichsweise Einfaches: „Ein Sieg in der größten NRW-Stadt jedenfalls dürfte Symbolcharakter fürs ganze Land entfalten – und Sogwirkung auf Wähler ausüben.“ Natürlich kann man seinen Charakter entfalten (wenn man kann), aber mit dem Symbol davor wird das vergleichsweise schwierig: Etwas bekommt Symbolcharakter, es bekommt eine symbolhafte Bedeutung und hat es demzufolge nicht nötig, noch irgendetwas zu entfalten, geschweige denn einen Charakter. Und die ausgeübte Sogwirkung kann mann sich ohnehin schenken, weil man schreiben könnte, dass ein Sieg wie ein Sog wirkt. Das klingt dann zwar weniger hochtrabend, aber dafür ist es auch weniger – hochtrabend!

Im Seite-2-Kommentar müssen wir dann noch das Folgende lesen: „Seit Wochen zeigen Sozialdemokraten eine erhöhte Interviewbereitschaft, die sich zuletzt in Kritik an der Kanzlerin (Franz Müntefering) niederschlug …“ Tut mir leid, aber eine erhöhte Interviewbereitschaft schlägt sich in überhaupt nichts nieder, am wenigsten aber in Kritik. Das geht einfach nicht.
Und genauso wenig geht, „dass die SPD so früh in die Offensive strebt …“, denn man geht dort hinein, während man vielleicht nach Höherem strebt.
Und dass „… Politiker ihren Wählern das blanke Gefühl vermitteln …“, kann ich mir auch kaum vorstellen, mit der blanken Angst hätte ich da weniger Probleme.

Aber kommen wir endlich zu den Sohlen, die finden wir eine Seite weiter in einem Artikel über Kaugummi auf Bürgersteigen: „… so lange bleibt es kleben, hat Marcus Sonntag erforscht, (wenn es nicht entführt wird unter leisen Sohlen).“ Entschuldigung, man kann sich anschleichen oder sich zurückhaltend geben, dann kommt man auf leisen Sohlen; aber etwas oder jemanden unter leisen Sohlen entführen – das ist einfach Blödsinn!
Auch die „Fotos, die Ekel machen“, fallen unter diese Kategorie. Ekel empfinden wir, es ist ein Gefühl. Und das kann man nicht „machen“! Und Fotos vermögen dies noch weniger, sofern da eine Steigerung möglich ist.

Offenbar sind Steigerungen immer möglich, denn auf der „Menschen“-Seite „… verwandelt sich die Recklinghäuserin in eine aufgetakelte Muckermaus, die unterm Pantoffel eines cholerischen Gatten vom Leben hart geprüft wird.“ Da wir nicht wissen, was eine Muckermaus ist, sollte uns auch nicht stören, dass sie unterm Pantoffel geprüft wird, selbst dann nicht, wenn den der cholerische Ehemann trägt. Und wir sollten weder dem Bild des Mannes nachtrauern, der unterm Pantoffel steht, noch uns Gedanken über Prüfungen machen, die das Leben stellt. Das alles kann schließlich heutzutage wunderbar vermuddelt werden, oder?

Zum Schluss haben wir noch im Sportteil eine schöne Äußerung von Herrn Klinsmann: „Wir haben gegen Barcelona noch einiges zu reparieren“.
So gesehen, hat auch die WAZ gegen ihre Leser noch einiges zu reparieren, damit wir nicht unter der leisen Sohle des Pantoffels geprüft oder gar entführt werden. Ich meine: Hart geprüft werden wir doch sowieso, und zwar jeden Tag, wenn wir die WAZ aufschlagen.

11. April 2009

Schmallippig zu sieben Jahre Haft verurteilt

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 19:41

„Drei Kinder hatten sich mit Wodka betrunken und mussten ‚hochgradig alkoholisiert‘ in eine Klinik eingeliefert worden, sagte der Polizeisprecher“. So zumindest steht es heute in einem 20-Zeiler auf der Rhein-Ruhr-Seite. Ich hoffe ich doch sehr, dass der Beamte das nicht so von sich gegeben hat, gleichwohl frage ich mich, wer denn außerdem genügend alkoholisiert war, um zu diesen Satz zu formulieren.
Denn vermutlich der- oder dieselbe hat in einem 15-Zeiler nur wenige Zentimeter entfernt auch die folgende Formulierung hinterlassen: „Im Prozess um den Wurf von Zaunlatten auf die A3 bei Duisburg ist der 21-jährige Angeklagte … zu sieben Jahre Haft verurteilt worden.“ Andererseits steht zu befürchten, dass auch nüchtern niemand bei der WAZ den Dativ vorgezogen hätte, wodurch der Angeklagte zu sieben Jahren verurteilt worden wäre.

„Schmallippig reagierten Sprecher der Bundeswehr und des Auswärtigen Amtes auf die zugespitzte Lage vor Ostafrika. ‚Der Krisenstab tagt‘, hieß es wie immer einsilbig bei Geiselnahmen deutscher Staatsbürger im Ausland.“ Diese verunglückte Formulierung verdanken wir heute der Politik-Seite. Allerdings weiß niemand, wie man schmallippig reagiert, weil man allenfalls schmallippig antworten oder sich äußern kann, und dann ist es geheuchelt oder gelogen. Mit „einsilbig“ oder gar „verschwiegen“ hat dieses Wort relativ wenig zu tun, um genau zu sein: eigentlich gar nichts.

Blättern wir also um und lesen beim „Ratgeber Auto“ eine etwas rätselhafte Unterzeile: „EU schreibt ab 2011 den Schleuderschutz ESP für alle Neuwagen vor sowie spritsparendere Reife“. Was mag das für eine Reife sein, von der da die Rede ist? Die Mittlere oder gar das Abitur? Ich hatte da den Verdacht, dass es sich vielleicht um Reifen handeln könnte, allerdings findet man im Artikel selbst rein gar nichts mehr dazu. Hm, warum steht es dann in der Subline?
Egal, dafür findet man folgenden Satz: „Öffentlich wurde der Widerstand von Kleinbauern gegen die Autofabrik mit Unzufriedenheit über die Industrialisierung Indiens gerechtfertigt.“ Dabei wäre es die Unzufriedenheit mit der Industrialisierung gewesen und bei der Gelegenheit hätte man das andere „mit“ ohne Probleme gegen „durch“ austauschen können. Dazu hätte man sich allerdings wenigstens einmal dazu durchringen müssen, auf die Universalpräposition „über“ zugunsten einer korrekten Präposition zu verzichten.

Aber vielleicht wird jetzt alles gut, wenn wir die Worte eines Gottesmanns vernehmen: Ein leibhaftiger Weihbischof erklärt auf der Kulturseite: „Angesichts der weitverbreiteten Ängste benötigen wir einen nüchternen Blick für die umfassende Vergewisserung der Lage.“ Dem könnte man voll zustimmen, wenn man wüsste, was das heißen soll. Abgesehen davon, dass man seinen Blick auf etwas richtet und nicht für, erinnert mich das alles ein bisschen an Werner Bornheims Rede vor dem Deutschen Bundestag (dokumentiert von Loriot): „Erstens das Selbstverständnis unter der Voraussetzung, zweitens, und das ist es, was wir unseren Wählern schuldig sind, drittens die konzentrierte Be-Inhaltung als Kernstück eines zukunftsweisenden Parteiprogramms.“
Aber der Herr Bischof hat noch mehr zu bieten als konzentrierte Be-Inhaltung, nämlich „Regelungen, die zukunftskräftig sind“. Warum sie nicht zukunftsträchtig sind, kann man nur vermuten: Kann es sein, dass er zwar Gottes Wort verkündet, das eigene indes nicht kennt? Nun, ja: Die Wege des Herrn sind nun mal unergründlich und die Worte seiner Diener manchmal nicht minder.
Das gilt auch für die Formulierung im letzten Absatz: „Gerade in kritischen Zeiten muss gelten, dass bewährte Partnerschaft hält, was sie verspricht: Verlässlichkeit auf Augenhöhe.“ Das kann man irgendwie gar nicht richtig auseinander pfriemeln: Wir haben eine bewährte Partnerschaft, O.K. Und die soll halten, was sie verspricht, das kann man ja auch erwarten. Aber was verspricht sie? Verlässlichkeit, und die auf Augenhöhe. Nur: ist es nicht schon Verlässlichkeit, wenn jemand hält, was er verspricht? Und was hat die Augenhöhe damit zu tun? Ich fürchte, spätestens jetzt sind wir wieder beim Selbstverständnis unter der Voraussetzung und bei der konzentrierten Be-Inhaltung gelandet.

9. April 2009

Die Mehrheit als Einzelkämpfer, der Onkel als Marienkäfer, Merkel als Mensch und alle an der Bad Bank dran

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 19:19

Heute gibt es eine Doppelausgabe. Vermutlich sind deshalb auch doppelt so viele Fehler drin, man kommt kaum nach. Beginnen wir mit der Titelseite: „Die Mehrheit der deutschen Mütter und Väter fühlt sich heute als Einzelkämpfer.“ Die Mehrheit als Einzelkämpfer, das ist in sich schon ein kleines bisschen widersprüchlich, aber wollen wir wirklich so kleinlich sein und auf einer eleganteren Formulierung bestehen? Ich denke schon.

Ein bisschen eleganter könnte es auch auf der Rhein-Ruhr-Seite sein: „Der erste Trauerfall war ein Marienkäfer. Er fand den Tod im Blumenbeet und seine letzte Ruhe hinter dem Kindergarten, aber richtig tragisch war das alles nicht: Denn die Kinder haben den Käfer nicht gekannt. ‚Wenn man einen kennt, ist es viel schlimmer‘, sagt Maurice.
Maurice kannte einmal einen, das war sein Onkel …“
Doch bevor wir uns von dem Schock erholen können, dass der arme Maurice der Neffe eines Marienkäfers ist, müssen wir das Folgende zur Kenntnis nehmen: „Das Grab haben die Kinder selbst angelegt, es war der feierliche Abschluss eines Projekts: ‚Kinder, Tod und Lebensfreude‘ haben die Dortmunder Friedhofsgärtner es genannt, die wirklich finden, dass diese Drei zusammengehören, sogar müssen.“ Komisch, warum muss ich jetzt zuallererst an „Kinder, Tod und Teufel“ denken? Und warum finden die Dortmunder Friedhofsgärtner es „wirklich“? Und was sind „diese Drei“, groß geschrieben? Und warum sind es überhaupt nur drei, da doch schon die Kinder mindestens zwei sein müssen?
Diese Fragen müssen wohl offen bleiben, denn „‚Wir erklären den Familien, wie Tod geht‘, sagt Martin Struck, dem sein Beruf den Humor nicht ausgetrieben hat, aber er meint das ganz ernst …“ Hoppla! Was ist jetzt los? Wir erklären, wie Tod geht? Und das meinen wir ernst, obwohl wir Humor haben? Oder wie? Ich würde das nicht mal ernst meinen, wenn ich keinen Humor hätte.
Aber dieser Friedhofsgärtner hat ja auch schon einiges erlebt: „Struck hat seinen Vater früh verloren und die kalte Hand seines Opas noch anfassen dürfen, und er hat all diese Kinder gesehen, mit denen er inzwischen über das Sterben geredet hat: so viele Fragen, aber niemals Tränen und gar keine Angst.“ Und das alles in einem Atemzug! In dem hat er seinen Vater früh verloren und dabei die kalte Hand des Opas anfassen dürfen. Kurz danach hat er Kinder gesehen und viele Fragen gehabt, aber keine Tränen und keine Angst, oder habe ich das falsch verstanden? Hölle, Tod und Teufel!
Kaum zu glauben, aber „auch den Erzieherinnen hat das gefallen: dass ihre Schützlinge begreifen, dass Schmerz manchmal sein muss, aber vergeht, und auch, dass Tod nicht toll ist. Es gab da nämlich ein paar, sagt Waltraud Piechaczyk, ‚die spielten etwas zu oft Totschlagen und Totschießen‘, aber auch die sind ganz still geworden, als das nun ernst wurde.“ Als was nun ernst wurde? Das Totschlagen und Totschießen? Ging es etwa Onkel Marienkäfer an den Kragen? Oder war hier erneut die kalte Hand des Opas im Spiel?

Auch das werden wir nie erfahren, darum schlagen wir die Politik-Seite auf und lesen die Headline: „Merkels Menschwerdung“. Prompt kommt mir ein Aufsatz von Friedrich Engels in den Sinn: „Der Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen“.
Doch bevor wir jetzt weiter gackern, lesen wir erst einmal: „Ende Februar breitete sich in den Medien die Einschätzung aus …“ Wie breitet sich eine Einschätzung aus, so wie ein Ölteppich?
Aber lesen wir weiter: „Im März konnte man etwas über Merkels Strategie zur persönlichen Krisenbewältigung lernen: Menschwerdung. Statt große Reden zu halten oder Machtworte auszuteilen, absolvierte die Kanzlerin vier Wochen lang jenseits des Tagesgeschäfts ungezählte Gespräche mit Kritikern und viele Termine vor sorgfältig ausgewähltem Publikum.“ Also: Die Menschwerdung (des Affen? Gacker!) ist eine Strategie zur persönlichen Krisenbewältigung. Anschließend werden Machtworte ausgeteilt, die allerdings normalerweise gesprochen werden und dann landen wir schon wieder im Jenseits. Warum eigentlich kann man nicht schreiben, dass die Kanzlerin abseits vom Tagesgeschäft Gespräche führte? Ist das Jenseits so attraktiv geworden, dass man es in jedem dritten WAZ-Artikel bemühen muss?
„‚Ich bin dann immer mehr in die Bredouille gekommen‘, schilderte Merkel“, was nicht weiter verwundert, da sie eh nicht als besondere rhetorische Leuchte bekannt ist, denn sonst wäre sie in dieselbe geraten. Leider redet sie noch weiter: „Ich habe mich in der Beweisführung immer weiter verstrickt, dass schon alles ein gutes Ende nehmen wird.“ Und ich versuche, mich jetzt nicht in der Beweisführung zu verstricken, dass das eigentlich gar kein Satz ist. Zumindest kein verständlicher.
Möglicherweise ist das alles aber auch nur Bestandteil ihrer „Charmoffensive“, wie in der Bildunterschrift zu lesen ist.
Und die hängt vermutlich mit Folgendem zusammen: „Gerade die Angriffe der SPD bringen einen Wesenskern von Merkels Selbstverteidigungsstrategie zum Vorschein. Sie wehrt sich nicht.“ Da muss man erst mal drauf kommen!

Und auch diese Headline auf der Wirtschaftsseite ist einen Tusch wert: „Bund mit Hochdruck an Bad Bank dran“! Und jetzt sind Sie dran. Aber an was und mit welchem Druck?

Auf der Sport(titel-)seite erfahren wir, „dass mit Lucio, van Daniel van Buyten, Miroslav Klose und dem noch kurzfristig ausgefallenen Philipp Lahm vier wichtige Spieler fehlten…“.
Und wem diese merkwürdige Doppelung noch nicht ausreicht, der wird im nächsten Absatz belohnt, denn „ein paar Stunden vor Anpfiff hatte Klinsmann noch versucht, einen letzten Reizpunkt zu setzen, als er sich für Hans-Jörg Butt im Tor entschied und nicht für den etatmäßigen Stammkeeper Michael Rensing“.
Da wir weder wissen, was ein Reizpunkt ist, noch, wie er gesetzt wird, noch, was ein etatmäßiger Keeper ist, sollte uns auch das Folgende nicht überraschen: „Das Spiel im vor 93 210 Zuschauern im Nou Camp hatte begonnen …“
Und „dass es kurz darauf nicht schon 3:0 stand für Barcelona (Komma fehlt!) hatten die Bayern in erster Linie Schiedsrichter Howard Webb zu verdanken… “ und kann uns nun auch nicht mehr aufregen. Was ist schon ein fehlendes Komma angesichts einer Schiedsrichter-Fehlentscheidung?

Wenden wir uns daher lieber dem nebenstehenden Kommentar zu, der uns berichtet, „dass Franz Beckenbauer trotz des Ruheverdikts der Führungs-Weggefährten bereits den Säbel in der Hand hält“, anstatt mit ihm zu rasseln, wie man es von diesem Sprachbild erwartet. Doch vielleicht will er ja mit dem Säbel Onkel Marienkäfer auflauern und ihm so erklären, wie Tod geht und nicht toll ist? Ich fürchte nur, dass er dadurch in die Bredouille kommt, seine Menschwerdung verpasst, während er die kalte Hand des Opas ergreift und dadurch einen letzten Reizpunkt setzt. Und das wäre doch schade, oder?

8. April 2009

Erfindung einer neuen charmanten Ausstrahlung

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 18:51

… von Macht. Was ist das? Keine Ahnung, und ich bezweifle, dass es überhaupt jemand erklären kann, aber es steht heute im Kommentar auf der Seite 2: „Bei aller Skepsis gegenüber Lichtgestalten kommt man kaum umhin, Obama die Erfindung einer neuen charmanten Ausstrahlung von Macht zuzusprechen.“ Also gut: Dann sprechen wir ihm sie zu, die Erfindung. Einer Ausstrahlung. Einer Ausstrahlung von Macht. Nein, die Erfindung einer neuen Ausstrahlung. Einer neuen charmanten Ausstrahlung. Wird das Ganze jetzt klarer, oder bekommt es gar einen Sinn?
Selbst dann nicht, wenn man 1000 Tode stirbt. Und in dem Fall wäre dieser Plural sogar gerechtfertigt. Nicht jedoch in folgender Headline, die wir auf der Rhein-Ruhr-Seite finden: „Mehr Ehen und mehr Tode als im Vorjahr“, denn hier hätte man von Todesfällen berichten müssen.

7. April 2009

Verschärfung der Umweltzonen

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 20:29

… ist sicher nicht ganz leicht. Trotzdem steht heute auf der Titelseite, „dass die Umweltzonen … nach 2010 ausgeweitet und verschärft werden.“ Und obwohl man nur Regelungen, Vorschriften, Gesetze oder dergleichen verschärfen kann, aber keine Zonen, Gegenden oder Stadtteile, „soll 2010 über eine mögliche Verschärfung der Umweltzonen entschieden werden.“ Da bleiben wir also gespannt, wie das klappen soll, auch wenn die „Indus-trie- und Handelskammern davor warnten“ und ich mich dem aus rein semantischen Gründen nur anschließen kann.

6. April 2009

Enger Draht statt Geschenke

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 21:00

„SPD-Chef Franz Müntefering pflegt einen engen Draht zum Altkanzler“ steht heute auf der Politik-Seite und man macht sich direkt Sorgen um den Schröder. Ist das eine Würgeschlinge, dieser Draht, oder eine Falle? Ja, wäre es eine enge Verbindung oder ein guter Draht gewesen, dann wäre uns direkt viel wohler!
Aber er scheint noch zu leben, ihm geht es gut, denn: „Statt Geschenke wünscht er sich Spenden …“ Und mir würde es erheblich besser gehen, wünschte er sich die Spenden statt Geschenken!

4. April 2009

Verwirrt über angebrochenen Neuanfang

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 21:54

Auf der Titelseite „relativierte die Regierung gestern ihre Planspiele, die Prämie … zu halbieren“ und man fragt sich, wie sie das wohl hinkriegt. Vielleicht kann man Kritik relativieren, Aussagen oder Pläne, aber mit Planspielen dürfte das nicht ganz einfach sein.

Dafür ist auf der Rhein-Ruhr-Seite „ein Neuanfang angebrochen“, was vielleicht ein bisschen zu viel des Guten, Pardon: des Neuen ist. Ein Anfang, ein Neuanfang, ein anbrechender Neuanfang.

Und auf der Politik-Seite erfahren wir, dass die Bundesregierung „die zweistellige Milliardensumme … als maßgeblichen Baustein“ wertet, „um durch eine schnelle Auftragswelle … die tiefe Wirtschaftskrise abzumildern.“ Aber nicht genug damit, dass ein Baustein durch eine Welle eine Krise abmildert, denn „viele Kommunen zeigten sich … verwirrt darüber, welche Investitionen erlaubt sind…“ Nun gut, hier ist wieder die Universalpräposition im Einsatz, man ist also verwirrt über statt von, aber man ist auch noch verwirrt darüber, welche Investitionen erlaubt sind, anstatt dass man völlig auf eine Präposition verzichtet und einfach nur verwirrt ist, weil nicht klar geregelt ist, welche Investitionen erlaubt sind und welche nicht. War das denn jetzt so schwer?
Oder, um mit der WAZ zu fragen: „Darf man Feuerwehrhäuser neu bauen, eine Schulkantine aus dem Boden gestampft werden?“ Oder anders gefragt: Darf man eine Kantine aus dem Boden gestampft werden? Ich glaube nicht!
Im letzten Absatz müssen wir dann noch lesen: „Die Beschränkung entfalle auch für Sportstätten, Kultureinrichtungen und Gefängnissen„. Ja, dass kann passieren, wenn man beim Schreiben einschläft: Für Stätten, Einrichtungen und – Achtung! – Gefängisse!
Am Ende des Artikels schließlich „weist Staatssekretär Günter Winands auf die neue Rechtslage“. Aber nein, das tut er nicht, er verweist darauf.

3. April 2009

Elel … Elelll… lextri …lex … trixität … Eelelktrizität, jawoll!

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 20:54

„Allohol mcht dsszzplnrt!“ heißt es und die heutige Ausgabe scheint das zu bestätigen.

Doch zuvor begeben wir uns in die wunderbare Welt journalistischer Fabulierkunst. Und da finden wir im Seite-1-Kommentar die Bemerkung: „Das Hin und Her bei der Abwrackprämie nimmt immer chaotischere Züge an, bei der der Bürger nicht mehr durchblickt.“ Bei wem oder was blickt der Bürger nicht mehr durch? Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Bei der Hin und Her oder bei der chaotischere Züge. Und beides klingt ein bisschen seltsam, oder?
Im nächsten Absatz „müsste der Bund noch mehr Schulden aufnehmen“. Auch auf die Gefahr, dass ich als Pingel und Erbsenzähler gelte: Man macht Schulden, und zwar dann, wenn man Kredite aufnimmt.
Es geht aber noch weiter, denn „damit würde er weiter ein Strohfeuer schüren“. Leider ist ein Strohfeuer schnell ausgebrannt und eben gerade nicht schürbar, genau dadurch zeichnet sich aus und genau das ist der Grund für die Benutzung dieses Sprachbildes, jedenfalls dann, wenn man es richtig benutzt.

Im neben stehenden Artikel ist die Rede davon, dass „der Abschlusserklärung … ein zähes und hektisches Ringen um einen Konsens zwischen den unterschiedlichen Ländern vorangegangen“ war. Für mich eher zwei Begriffe, die sich ausschließen: Entweder ist etwas zäh, dann kann es nicht hektisch sein, oder ein Ablauf ist hektisch, dann wird er aber wohl kaum als zäh empfunden.

Auf der Rhein-Ruhr-Seite treten uns „zwölf Wachleute vom überwiegenden Typus großgewachsener Glatzkopf“ entgegen, obwohl zwölf Wachleute, überwiegend vom Typus großgewachsener Glatzkopf gemeint waren, aber vermutlich „ist das ein typischer Schein-Superlativ, der immer kleiner wird, je näher man ihn durchdenkt“, wie am Ende des Artikels zu lesen ist. Je näher ich das durchdenke, desto stärker wird mein Verdacht, dass es sich bei dieser Formulierung um Unsinn handelt.
Und im folgenden Satz steht etwas, das vermutlich inzwischen schon korrekt ist: „… schon im Dezember diesen Jahres wird in Witten ein größeres Einkaufszentrum eröffnet.“ Dabei lautet der Genitiv dieses Demonstrativpronomens „dieses“ und demzufolge müsste es „im Dezember dieses Jahres“ heißen.

Auch auf der Politik-Seite finden wir heute interessante Formulierungen. Da wird der „‚hässliche Deutsche … im Ausland immer wieder gern beschworen“ und ein paar Zeilen weiter sogar „einiges dafür getan, dieses Bild zu aktualisieren“. Und dann kommt „auch Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy in den Genuss einer ähnlichen Zuschreibung.“
Und es geschehen merkwürdige, unserer bekannten Physik widersprechende Dinge: „Der Gipfel rollte am Mittwoch Abend gerade an.“ Naja!
Und im vierten Absatz dann wieder ein ganz grandioses Sprachbild. „Von „öffentlicher Effekthascherei” war die Rede, die Premier Brown die Parade verregne…“ Bekannt war bisher, dass man jemandem in die Parade fahren konnte, ja, selbst, dass jemandem die Petersilie verhagelt. Aber das mit dem Verregnen, das ist komplett neu, allerhöchstens fällt mir ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter ein, aber keine Möglichkeit, das mit einer Parade in Verbindung zu bringen.

Doch kommen wir endlich zum heutigen Highlight, und das steht auf der „Events-Aktuell“-Seite. Unter der Headline „Ein seltsames Paar“ steht eine auch noch recht große Subline: „Elelktropop-Duo stellt neues Album (‚Yes‘) vor“. Und das kann man wirklich nur aussprechen, wenn bereits einige Becher intus hat. Und dann vermutlich auch schreiben, zum Wohle!

2. April 2009

Unwucht lässt Gegenwind um die Ohren zischen

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 19:59

Die „Welt kämpft gegen die Krise“, so titelt die WAZ heute, aber muss das denn gleich dazu führen, dass „Obama … versucht, die Wogen zwischen den krisengeplagten Industrienationen zu glätten“? Kann er nicht einfach nur Wogen glätten?
Und es kommt auch etwas schräg daher, wenn Obama „ohne Vorwurf hinzu(fügte), dass es auch in Europa eine Unwucht zwischen Kontrolle und Kapitalströmen gegeben habe.“ Denn wir kennen eine Unwucht bisher nur von Rädern und dergleichen, oder, wie bei Wikipedia nachzulesen, von „rotierenden Körpern, deren Masse nicht rotationssymmetrisch verteilt ist“. Wie das nun die Kapitalströme und die Kontrolle hinkriegen sollen, werden wir dann wohl nicht mehr erfahren.
Stattdessen müssen wir uns damit auseinandersetzen, dass „die Regierungsvertreter … darüber“ diskutieren, „den Finanzsektor transparenter und robuster zu machen, Steueroasen auszutrocknen und die Kontrolle über die Märkte zu stärken.“ Mal abgesehen davon, dass man hier getrost auf die Universalpräposition hätte verzichten können, da einen Kontrolle der Märkte sicher ausreichend gewesen wäre, stelle ich es mir ausgesprochen schwer vor, Oasen auszutrocknen, da wir sprachlich bisher nur über Erfahrungen verfügen, Sümpfe trocken zu legen. Aber wer weiß, vielleicht gehört das Austrocknen von Oasen demnächst auch zu den anerkannten Sprachbildern. Es steht zu befürchten.
Am Ende des Artikels kommen dann die Globalisierungsgegner noch einmal zum Zuge und „lieferten sich Rangeleien“. Wozu aber normalerweise noch jemand gehört. Sonst könnte ich mir jetzt auch mal schnell eine Rangelei liefern.

Und ich wüsste sogar, mit wem. Denn im Seite-1-Kommentar muss ich lesen, dass „Löw und seinem Team nach einer weiteren Enttäuschung ein scharfer Gegenwind um die Ohren gezischt“ ist. Ein scharfer Wind mag jemandem ins Gesicht blasen, dann hat er mit großem Widerstand zu rechnen, oder jemand hat viel um die Ohren, dann ist er vielleicht gestresst oder er hat viel zu tun, aber diese Kombination aus Gegenwind, Ohren und Zischen ist reichlich daneben.

Daneben finden wir übrigens auch eine Äußerung unseres Arbeitsministers, der laut WAZ „unter anderem die Schaffung von Lehrstellen für Altbewerber fördern und alle Auszubildende absichern“ will. Vielleicht sollte er lieber alle Auszubildenden absichern, aber ob er es dann hinkriegt, dass „auch in diesem Jahr jede und jeder Jugendliche einen Ausbildungsplatz“ erhält, ist eher fraglich. Es soll ja Jugendliche geben, die zur Schule gehen und daher gar keinen Ausbildungsplatz benötigen. Doch darüber kann ein Arbeitsminister im Eifer einer Rede schonmal hinwegsehen.

Auf der WAZ-Extra-Seite sind sehr viele Fotos und wenig Text. Trotzdem kann man dort einigen Unsinn unterbringen. Zunächst eine Ableitung der berüchtigten Koch-Rochade: „Was sie jetzt dazu treibt, ist der brutalst mögliche Bruch von Vertrauen“, und dann, als ob es nicht schon schlimm genug wäre, folgt der Satz: „Dies geschieht, weil Hasadeure maßlose Gier ausleben konnten, weil sie das beste denkbare Wirtschaftssystem bis über die Schwelle des weltweiten Desasters pervertieren konnten (Komma fehlt) ohne dass ihnen jemand Einhalt gebot.“ Da freut man sich fast, dass die Hasadeure keine maßvolle Gier auslebten. Aber wo finden wir die Schwelle des Desasters? Vielleicht in den geglätteten Wogen? Oder zischt uns da gar ein Gegenwind um die Ohren?

1. April 2009

Ö-Hunde

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 21:00

Kann ja passieren: Schwupps, landet man mit dem Finger auf der falschen Taste, und schon ist da ein falscher Buchstabe. Und wenn jetzt noch irgendwer Korrektur lesen würde, wäre das auch nicht weiter tragisch. Da das aber bei der WAZ niemand tut, steht heute folgender Satz auf der „Welt“-Seite: „Die libyschen Behörden haben den Untergang bestätigtö, teilte die IOM mit. Hunde- (neue Zeile) rte seien ertrunken, die genaue Zahl der Opfer sei aber unklar.“
Dass aber keine Hunde beteiligt waren, habe ich bereits bestätigtö.

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