Eine schöne Wortkombination hat sich der Chefredakteur heute für den Kommentar auf Seite 2 ausgedacht und damit die Kategorie „Arbeiterführer“ um eine weitere Sparte bereichert: „Und ganz bestimmt werden nicht alle in der Union jubeln über Laumann, den noch vor seinem Chef Jürgen Rüttgers eigentlichen Arbeiterführer…“ Demnach gibt es also Arbeiterführer, eigentliche Arbeiterführer und dann auch noch vor jemandem eigentliche Arbeiterführer. Vielleicht finden wir dann morgen den neben dem noch vor jemandem eigentlichen Arbeiterführer und übermorgen den über dem neben dem noch vor jemandem eigentlichen Arbeiterführer.
Im letzten Absatz eine weitere interessante Formulierung: „Angela Merkel wirkt in diesen Tagen nicht wie eine Treiberin, sondern wie eine Getriebene.“ Was ist eine Treiberin oder ein Treiber? (Bleiben wir mal, um die Dinge nicht noch mehr zu verkomplizieren, bei der männlichen Form:) Einen Treiber kennt man z.B. von der Jagd. Da scheucht er das Wild auf, welches der Jäger dann abschießt. Eine modernere Bedeutung des Wortes hat mit der Computerwelt zu tun: Hier ist ein Treiber ein kleines Programm, das ein Peripherie-Gerät (z.B. den Drucker) für den Rechner „ansprechbar“ macht. Beides kann hier nicht gemeint sein. Was ist hingegen eine Getriebene oder ein Getriebener? Das ist jemand, der von einer Aufgabe oder Idee beseelt oder mehr noch: geradezu besessen ist. Ich z.B. bin ein Getriebener, was die Verteidigung der deutschen Sprache angeht. Und daher würde ich solche Autoren gerne vertreiben oder sie zumindest antreiben, damit sie besser schreiben lernen. Darum bin ich aber noch lange kein Treiber!
29. November 2008
Der vor seinem Chef eigentliche Arbeiterführer und die Treiberin
28. November 2008
Während man sich mit Schnellbooten anschleicht, haben Wurzeln Fuß gefasst (oder so)
Schleicherei ohne Ende! Sind wir gestern noch schleichend gelaufen, verlegen wir heute unsere entsprechenden Aktivitäten auf das Meer: „Inzwischen scheint aber klar, dass die Terroristen sich im Schutz der Nacht mit Schnellbooten angeschlichen haben.“ (Kommentar Seite 2). Vermutlich haben sie die Boote auf dem Rücken getragen, als sie sich angeschlichen haben, oder wie soll man sich das vorstellen?
Doch schon vor den schleichenden Schnellbooten geschieht Wundersames, denn „diese Gewalttaten haben die politischen Landschaft der größten Demokratie der Welt umgekrempelt„. Das würde ich zu gern einmal sehen, wie eine Landschaft umgekrempelt wird (allerdings: nachdem letzte Woche Arme aufgekrempelt wurden, warum eine Landschaft nicht um?)
Das alles war noch relativ harmlos und man könnte es als Ausrutscher eines gestressten Redakteurs abtun. Nun aber gerät der Artikel mehr und mehr aus der Kurve und ich frage mich, wie viel Alkohol ein durchschnittlicher WAZ-Kommentator so zu sich nimmt, während er einen solchen Artikel verfasst:
„Die hindunationalistische Bharatiya Janata Party will Sicherheitsprobleme und Terrorismus zum zentralen Punkt ihrer Kritik an der Kongress-Regierung machen – frei nach dem Motto: Nicht alle Moslems sind Terroristen, aber alle Terroristen sind Moslems.“ Das ist schon reichlich schwer verständlich, der Anschluss hingegen ist dann gar nicht mehr zu verstehen: „Die Geschichte Indiens beweist das Gegenteil.“ Das Gegenteil? Das hieße dann etwa so: Nicht alle Terroristen sind Moslems, aber alle Moslems sind Terroristen.
Der folgende Satz macht das Ganze nicht besser: „Dennoch“ (Wieso dennoch?) „wird die blutige Attacke von Bombay das ohnehin spröde Geflecht der Gesellschaft zum Zerreißen spannen.“
Warum musste es jetzt ausgerechnet ein sprödes Geflecht sein? Spröde bedeutet nämlich soviel wie „unbiegsam, brüchig, unelastisch, zerbrechlich“, was erstens für ein Geflecht und zweitens zum Spannen außerordentlich ungeeignet sein dürfte. Aber auch sonst fällt es schwer, diesem Satz überhaupt irgendeinen Sinn abzugewinnen. Übrigens genauso wie dem nächsten, der offenbar als Erläuterung gedacht war, diesem Zweck aber leider nicht nahe kommt: „Das Land hat sich längst in eine nationalistisch gesinnte hinduistische Mittelklasse und Unterklasse auf der einen Seite und Minderheiten auf der anderen Seite gespalten.“ Auf der einen Seite haben wir also zwei Klassen, auf der anderen Minderheiten. Und alles zusammen bildet ein sprödes Geflecht, das zum Zerreißen gespannt ist, oder wie? Ich frag ja nur…
„Die Moslems“, erfahren wir weiter, „rund 130 Millionen von eine Milliarde Einwohner…“ sind aber 130 Millionen von einer Milliarde Einwohner, wenn wir es mit dem Dativ ein bisschen genauer nehmen wollen.
Und nun folgt der Satz, der meinen Verdacht erhärtet hat, dass manche Artikel unter Alkoholeinfluss geschrieben werden: „Es war deshalb wie ein Schock, als während des vergangenen Jahres deutlich wurde, dass der Extremismus längst Wurzeln in den eigenen Megametropolen Fuß gefasst hatte.“ Also: Wer hat da jetzt Fuß gefasst, die Wurzeln oder der Extremismus? Oder hat der Extremismus Wurzeln gefasst?
Jetzt könnten wir es mit diesem Kommentar gut sein lassen, leider gibt es in der Online-Ausgabe dann noch einen Aufmerksamkeit erheischenden Satz: „Der indischen Marine, die vor Somalia einen von Piraten gekaperten thailändischen Fischkutter mit Mann und Geiseln versenkte und sich nicht einmal die Mühe gab, nach Überlebenden zu suchen, erwartet schon gar nicht, dass sie zu allem entschlossene Terroristen in kleinen, schnellen Booten aufspüren kann.“ Wenn man den Satz auf das Wesentliche reduziert, steht da: „Der indischen Marine erwartet schon gar nicht, dass sie Terroristen in kleinen, schnellen Booten aufspüren kann.“ Hauchen Sie mich mal an, Herr Kommentator!
27. November 2008
Schleichend läuft der Frosch auf der Herdplatte
Konnten wir uns gestern noch über die Höhe einer Senkung wundern, so müssen wir heute ähnlich Widersprüchliches zur Kenntnis nehmen. Denn im Kommentar auf der Seite 2 „läuft die Krise jetzt schleichend durch die Realwirtschaft.“ Wie muss man sich das vorstellen? Läuft sie oder schleicht sie? Ich find’s schon komisch, mir eine durch die Realwirtschaft schleichende Krise vorzustellen, aber diese hier läuft auch noch beim Schleichen … oder schleicht beim Laufen.
Zwei Absätze davor wird es auch noch richtig gefährlich, „wenn Tag für Tag neue Krisen-Meldungen einschlagen“.
Ja, und dann der Frosch. Eigentlich ein witziges Bild: „Die Politik reagiert wie der Frosch auf der heißen Herdplatte.“ Jetzt denkt man, der hüpft herum. Tut er aber gar nicht: „Beim langsamen Erhitzen bleibt er sitzen, wirft man ihn in heißes Wasser, springt er heraus.“ Aber warum erhitzt man eine heiße Herdplatte, auf der ein Frosch sitzt, und wirft ihn dann in heißes Wasser? Und was hat das mit der Politik zu tun? Ich vermute, man wollte uns Folgendes sagen: Wenn man einen Frosch auf eine (zunächst kalte) Herdplatte setzt und diese dann langsam erhitzt, dann bleibt er sitzen, weil er die zunehmende Hitze nicht bemerkt. Wenn man ihn aber direkt auf eine heiße Platte setzt, springt er weg. Oder auch so, wenn einem das Wasser lieber ist: Werfen wir einen Frosch in kaltes Wasser und erhitzen es langsam, bleibt er drin. Werfen wir ihn direkt in heißes Wasser, springt er heraus. Und die Politiker verhalten sich ähnlich, weil sie sich nur dann bewegen, wenn plötzlich etwas Schlimmes passiert. War das jetzt so schwer? Musste man dazu den armen Frosch erst auf die heiße Platte setzen, diese dann noch erhitzen und ihn anschließend in heißes Wasser werfen, nur, um so ein völlig unbrauchbares Bild zu produzieren?
26. November 2008
Die Höhe der Senkung leidet Schaden
Wie hoch ist eigentlich eine Senkung? Gute Frage, nicht wahr? Die WAZ beantwortet sie heute auf der Titelseite mal wieder auf eigene Weise: „Zur Höhe der Preissenkung sagte Reutersberg nichts …“ Mein Freund Wilfried sagte heute dazu: „Dann lass uns doch mal das Tal erklimmen oder zum Gipfel hinabsteigen!“ Recht hat er!
Auf der Seite 2 wird gelitten. Für mich eigentlich nichts Neues, denn das tu ich ja schon sowieso schon, wenn ich das alles lese … Heute haben wir es aber mit besonderem Leiden zu tun: „Die SPD leidet Schaden, weil …“ Und dann folgt es Schlag auf Schlag, Leiden auf Leiden: „Franz Müntefering leidet Schaden …“, „Wolfgang Clement leidet Schaden …“, „Darum erleidet am meisten Schaden die Richtung, für die Clement steht“ und schließlich: „Darum leidet die SPD insgesamt Schaden.“ Nun kann man an etwas leiden (Krankheiten zum Beispiel) und auch unter etwas (Wirtschaftskrise, die wird ja gerade jetzt immer wieder gern genommen). Aber kann man Schaden leiden? Also: ich kann ihn gar nicht leiden. Vor allem aber nicht diesen merkwürdigen Gebrauch des Wortes „leiden“ durch den Chefredakteur. Und komischerweise schreibt er ja auch ein einziges Mal und richtigerweise: „darum erleidet am meisten Schaden …“ Das hätte ihm eigentlich zu denken geben müssen. Hat es aber nicht, darum leidet hier die deutsche Sprache – und vielleicht erleidet sie sogar Schaden.
Auf derselben Seite gibt es dann – im Interview mit Dortmunds Ex-OB – einen heutzutage leider sehr üblichen, aber nichtsdestotrotz falschen Konjunktiv: „Ich würde mich freuen, wenn er es sich noch einmal überlegt„. Nun gut, das war gesprochene Sprache und die hält sich nicht immer sklavisch an die Grammatik, trotzdem tut das in meinen Ohren weh und ich würde mich viel mehr freuen, wenn er es sich überlegte, oder zumindest überlegen würde. Und ich würde mich noch mehr freuen, wenn man den Konjunktiv nicht so oft unter den Tisch fallen ließe oder manchmal sogar gänzlich vergäße, sondern ihm hin und wieder eine Chance gäbe.
25. November 2008
Die Fortsetzung der fortführenden Tortur kann einem teuer zu stehen kommen
Tja, die Pleonasmen! Wie sollte man je ohne sie redundante Informationen vermitteln? Wie die schöne Neuigkeit verbreiten, dass etwas neu renoviert oder eröffnet sei? Oder wie könnte die WAZ sonst im heutigen Titelseitenkommentar formulieren: „… und doch bedeutet die Freilassung für diese Hinterbliebenen die Fortsetzung einer fortwährenden Tortur“?
Auf der „Rhein-Ruhr“-Seite „brodelt die Gerüchteküche“ laut der fetten Headline, obwohl keine Küche brodeln kann, sondern es höchstens in ihr, aber da bei uns ja auch der Pott kocht – was er auch nicht kann, sondern nur sein Inhalt – wollen wir einmal darüber hinwegbrodeln.
Die Politik-Seite hält ebenfalls interessante Aspekte für uns bereit: „Jeder kenne in der Familie und im Freundeskreis Menschen, die aus ihrem sozialen Netz gefallen seien“. Tut mir leid, ab ich kenne keine Menschen, denen dergleichen passiert ist. Wohl aber viele, die durch das soziale Netz gefallen sind, und das ist schlimm genug! (nebenbei: ich bin fast froh, dass sie nicht aus dem sozialen Nest gefallen sind, das hätte ja nahe gelegen!)
Die Wirtschaftsseite hat dann auch noch schlimme Nachrichten für uns: „Angst vor weiteren Bankbilanzbomben …“ Welche Bomben? Was ist das denn? Noch gar nix gegen die im Artikel folgende Sprachbombe: „Der Citigroup kommt die Rettung jedoch teuer zu stehen“. Wem kommt was teuer zu stehen? Na klar! Die Citigroup! Oder warum nicht so: Der Citigroup ihre Rettung kommt ihr teuer zu stehen.
22. November 2008
Die Arme aufkrempeln
Heute habe ich Geburtstag, und die WAZ beschenkt mich mit derartig vielen sprachlichen Ausrutschern, dass ich kaum nachkomme…
Beginnen wir auf der Titelseite. Neben einigermaßen harmlosen Sachen wie: „der Sturm schaukelte den liegenden Anhänger so weit auf, dass es schien, er würde von der Brücke geschoben“, oder „… in Ruhrgebietsstädten mussten Weihnachstmärkte schließen, weil der Wind die Buden zerzauste“, finden wir im Kommentar eine Aussage, die als eine Art sprachlicher Spätzünder daherkommt. Das sind Formulierungen, deren tieferer Nicht-Sinn (oder Unsinn) sich erst nach zwei- oder dreimaligem Lesen erschließt, weil sie so haarscharf daneben sind, dass man sie beim ersten Lesen für richtig halten könnte: „Häme ist hier nicht am Platz“, ist der Kommentar überschrieben und im Text steht es dann ein bisschen verschärft noch einmal: „Häme ist hier aber nicht am Platz“.
Moment, was ist mit der Häme? Irgendwas stimmt doch hier nicht. Wieso ist die Häme nicht am Platz? Wo ist sie dann? Grübel, grübel. Aber es gibt doch eine Redensart mit „Platz“! Genau: „Häme wäre hier fehl am Platz“. Nur: Knapp vorbei ist auch daneben!
Und zwar mindestens genauso wie die Formulierung ein paar Zeilen zuvor: „Aber die Katastrophe ist handgestrickt.“ Als handgestrickt bezeichnet man mehr oder weniger schlecht gelungene Arbeiten, eine Katastrophe zählt selten dazu. Gemeint war hier wohl auch eher, dass das Trauerspiel in Essen hausgemacht war … Aber Stricken ist doch auch eine Handarbeit, also hausgestrickt hin und handgemacht her, da sind wir bei Deutschlands größter Regionalzeitung nicht kleinlich!
Und das sind wir auch nicht auf der „Welt“-Seite. Denn hier, im Artikel über Susanne Klatten, geht es um „die zentrale Frage jeglicher Zwischenmenschlichkeit„. Eine Formulierung von wahrhafter Größe!
Dahinter kann sich die Kulturseite nur verstecken: „Er hat sich auch bei wichtigen Förderern aus der Wirtschaft (…) für das Vorgehen der Stadt entschuldigte.“ Also damit kann man nun wirklich keine Furore machen und auch nicht hiermit: „Besonders im Blick auf den neuen Intendanten streckte Kaufmann die Hand aus“. Wie kommt er nun in den Blick auf den neuen Intendanten rein? Vielleicht war ja auch mit Blick auf jenen gemeint.
Mit Blicken klappt’s in dem Artikel eh nicht besonders gut: „Man wolle gemeinsam in die Zukunft blicken„. Mit einer Kristallkugel vielleicht? Ich vermute, sie wollen gemeinsam nach vorn schauen, aber sicher kann man sich da natürlich nicht sein, zumal „die unangenehme Rolle des neuen TuP-Geschäftsführers … von der Stadt bisher nicht kommentiert wurde.“ Der hat vielleicht eine undurchsichtige Rolle gespielt, wie unangenehm er auch immer aufgefallen ist.
Die schönsten Sachen stehen heute aber ohne Zweifel im Essener Lokalteil. Das beginnt noch recht zurückhaltend mit einem zurück gehaltenen Wort: „Als die beiden Frauen die Wohnung des betraten, …“ Wessen Wohnung auch immer.
Ähnlich zurückhaltend dann der Artikel über die Zeche Carl: „Damit meint er die zuletzt so verkrusteten Strukturen des soziokulturellen Zentrums, das sich zuerst als unregierbar und zuletzt als unbezahlbar erwiesen.“ Punkt.
Leider wird nun aber die Zurückhaltung aufgegeben zugunsten einer missglückten Metapher: „Der ‚Kümmerer‘ lässt beim Gang von Bord ein Schiff in deutlich ruhigerem Fahrwasser zurück als beim Dienstantritt im September.“ Das ist aber auch vertrackt mit diesem unruhigen Gewässer, das aber nichts mit einem Fahrwasser zu tun hat, in dem man sich befindet, wenn man jemandem kritiklos folgt.
Und danach wird es noch schlimmer, denn „die Lotsen … haben das Schiff über Wasser gehalten“. Vermutlich über dem Fahrwasser.
Und damit in dem vielen Wasser niemand ertrinkt, wird im zugehörigen Kommentar mit einem „kleinen Team“ gearbeitet, „um gruppendynamische Prozesse im Ansatz zu ersticken“. Leider wird das nicht funktionieren, da in einer Gruppe immer entsprechende Prozesse stattfinden, ob man sie nun im Ansatz ersticken oder im Fahrwasser ertränken will.
Das kann dem Vorstandsvorsitzenden der Essener Nationalbank nicht passieren. „In die Stimmung mischt sich immer Mehltau“, zitiert ihn die WAZ an prominenter Stelle, direkt unter der Headline. Ohne uns allerdings zu sagen, was damit gemeint ist und auch ohne diese Äußerung im eigentlichen Artikel wieder aufzunehmen. So werden wir wohl nie erfahren, wie und warum sich Mehltau (übrigens eine durch Pilze verursachte Pflanzenkrankheit) in eine Stimmung mischen kann, und dazu auch noch immer.
Den Vogel abgeschossen hat aber heute „Lupus“ (das ist eine Art feststehender Kommentar im Lokalteil), der unter der Überschrift „Schlappe für die Kulturpolitik“ fordert: „Nun müssen aber die Arme aufgekrempelt werden, denn in einem Jahr ist 2010.“
Da mischt sich jetzt sofort Mehltau in meine Stimmung und ich könnte direkt meine Ärmel aufkrempeln, wenn mir nicht schlagartig klar geworden wäre: Hier ist Häme am Platz!
21. November 2008
Ein Lied wird trompetet, ein Preis verteuert und ein Scherbenhaufen aufgetürmt
Kann man ein Lied trompeten? Man kann! Auch wenn Sie und Wikipedia vielleicht der Meinung sein sollten, dass Lieder gesungen werden: „Ausgerechnet die Regierung, die das Lied vom zukünftigen Spitzenreiter NRW trompetet, hat den Abstieg zu verantworten“, posaunt die Grünen-Fraktionschefin laut WAZ auf Seite 2.
Auf derselben Seite wieder mal ein unmöglicher Komparativ, also ein Wazarativ: „Ungleicher kann das Kräfteverhältnis kaum ausfallen.“ Das möchte man meinen, denn ungleich ist ungleich und ungleicher kann etwas genauso wenig sein wie gleicher; Letzteres funktioniert allenfalls in der „Animal Farm“. (Moment – das hatten wir doch schon mal?)
Auf der Politik-Seite hadern wir dann mal wieder mit der Deklination. So müssen wir in der Unterzeile des Aufmachers lesen: „Zwei Arbeitslose wollen Hartz-4-Bezieher in einem Ratgeber erklären, wie man sich auch mit wenig Geld … ernähren kann“. Wem wollen sie das erklären, wenn überhaupt? Den Beziehern! Das erläutere ich jetzt sofort die Autoren bei der WAZ!
Kommen wir zur Wirtschaft. Hier wird mal wieder „das Öl verknappt und der Preis verteuert.“ Geht aber nicht. Das Öl wird teurer und entsprechend wird der Preis erhöht! Ein Preis kann nicht teurer werden, weil niemand einen Preis kaufen will! Aus demselben Grund kann er auch nicht billiger werden, und wenn uns das die Diskounter noch so oft einreden wollen.
Kommen wir nun zu dem Scherbenhaufen, den man gestern noch zusammenkehren wollte. Heute liest sich das auf der Kulturseite wie folgt: „Der Scherbenhaufen, den die Kulturpolitik in unserer Stadt aufgetürmt hat, hätte … vermieden werden können.“
Finde ich auch, zumal er viel ungleicher ist als der von Gestern.
20. November 2008
Schlagschatten flackert auf dem Beichtstuhl auf
Mit Schlagschatten haben wir es bei der WAZ in letzter Zeit häufig zu tun, heute gibt es da eine ganz besonders interessante Variante im Kommentar auf der Titelseite: „Gleichwohl dürfte angesichts der engen Verflechtungen mit GM der Vorstoß von Solarworld nicht mehr sein als ein Schlagschatten in Zeiten der Wirtschaftskrise.“
Wie sollen wir diesen Schatten denn jetzt verstehen? Ein Schlagschatten entsteht, wenn ein Objekt plötzlich grell beleuchtet wird und vor einem hellen Hintergrund steht. Er ist daher besonders scharf und intensiv.
Welchen Schatten wirft jetzt der Vorstoß von Solarworld worauf? Irgendwie keinen auf nichts …Vielleicht war ja auch eher ein Schlaglicht gemeint? Da das aber auch nicht passt, vielleicht sonst irgendein Licht? Ein Blitzlicht? Immerhin könnte das wenigstens einen Schlagschatten erzeugen … Wie man es auch dreht und wendet: Es gibt einfach keinen Sinn, was da geschrieben steht. Auch nicht in Zeiten der Wirtschaftskrise.
Auf Seite 2 ein interessanter Kommentar: „Der Wahlkampf flackert bereits“. Geht er aus? Und wenn, wohin? Egal, zumindest flackern Kerzen, wenn sie kurz vorm Verlöschen sind. Also verlischt der Wahlkampf? Mitnichten: „In der Finanzkrise, die Zug um Zug auf die Realwirtschaft übergreift, bilden Angela Merkel und Peer Steinbrück eine Große Koalition, die den Namen verdient. Um sie herum aber flackert Wahlkampf auf“. Das hätte man wissen müssen! Denn dann hätte man zwar nicht gewusst, wie eine Finanzkrise Zug um Zug übergreift, aber man hätte wenigstens … äh … immer noch keine Ahnung gehabt, wie ein Wahlkampf „um sie herum“ aufflackern kann. Und das ist doch schonmal was, oder?
Ein paar Zeilen weiter wird ein „gewisser Unterhaltungswert erzeugt„, was wir mal unkommentiert stehen lassen wollen, aber direkt danach „fühlt sich Außenminister Frank-Walter Steinmeier“ – Achtung! – „unterbeachtet“. Was ist das denn? Das Wort gab es bisher nicht, ist also ein Neologismus, oder besser: ein Wazologismus, denn es ist ein Wort, das die Welt nicht braucht. Denn man hätte einfach so etwas in der Art schreiben können: „Er fühlt sich nicht genug beachtet.“
Im nächsten Absatz wollen dann CDU-Ministerpräsidenten „einen Schutzschirm spannen.“ Das kann ja spannend werden, auch wenn nichts aufgespannt wird, zumal die CDU „mit Merkel über eine gute Projektionsfläche verfügt“ und wir völlig darüber im Unklaren gelassen werden, wer da was projiziert und warum.
Dafür erfahren wir dann auch über den Koalitionspartner so gut wie nichts: „Mangelnde Abstimmung des Führungspersonals ist eine der Ursachen, die die Sozialdemokraten von Krise zu Krise begleitet haben.“ Demnach scheint es mehrere Ursachen zu geben. Fragt sich nur wofür (vielleicht war ja die Krise gemeint; der Satzkonstruktion lässt sich das jedenfalls nicht entnehmen).
Auf der Seite „Rhein-Ruhr“ überrascht uns die WAZ heute mit einem neuen Beruf: „Wenn eine Auto-Messe … die Reifenbäcker nicht mehr anzieht…“ Was, bitte, ist ein Reifenbäcker?
Auf der Kulturseite wird inzwischen versucht, „den Scherbenhaufen so rasch wie möglich zusammenzukehren“. Was ein bisschen schwierig sein dürfte, da einen Haufen auszeichnet, dass er bereits zusammengekehrt ist. Insofern gibt es eben auch entweder den Scherbenhaufen, den irgend jemand hinterlässt, oder die Scherben, die jemand anders zusammenkehren muss.
Eine echte Innovation haben wir dann bei den Hochschulen in Essen. Auf dieser Seite gibt es einen Bericht über die Prorektorin für für Diversity-Management. Und was macht sie da? „An der Universität Duisburg-Essen hat sie nun die Unterschiedlichkeiten der Menschen im Blick“, verrät uns die Subline. Offenbar ist Diversity-Management derartig innovativ, dass man sich mit einfacher Verschiedenheit nicht mehr zufrieden geben kann und zum Wazologismus Unterschiedlichkeit greifen muss.
Bleibt für heute dann noch der beliebte Bankchef Ackermann, der ja schon vieles erdulden musste. Heute könnte ihm laut WAZ („Menschen-Seite“) auch noch Folgendes blühen: „Wird man einen Manager erleben, der sich auf den Beichtstuhl begibt?“ Okay, okay, im Mittelalter konnte man sich vielleicht noch auf Beichtstühle setzen, heutzutage sind das aber derartig sperrige Dinger, dass man sich in sie hinein begibt und nicht einmal Ackermann möchte man darauf sitzen haben. Am Ende wirft er noch einen flackernden Schlagschatten auf die Unterschiedlichkeiten der Reifenbäcker!
19. November 2008
Geldstrafen für Sprachfehler
Zugegeben: diese Überschrift auf der „Welt“-Seite ist reichlich verunglückt. Denn als Sprachfehler bezeichnet man normalerweise fehlerhafte Aussprache wie Lispeln, Stottern oder „Klick“ in der Stimme.
(Es sei sei denn, hier verfügte jemand über besonders schrägen Humor, aber das sollte mich bei der WAZ schwer wundern.)
Gemeint sind hier aber ganz andere Fehler: „Die Slowakei will die Reinheit ihrer Sprache mit drastischen Mitteln schützen. Bis zu 5000 Euro sollen künftig Sprachsündern drohen, die gegen die Regeln ihrer Muttersprache verstoßen.“
Da hat mich der Artikel geradezu elektrisiert. Das wäre doch mal was für uns! Da würde sich die WAZ dumm und dusselig zahlen.
Allein in dieser Ausgabe wieder: „Abgeordnete fordern schärfere Strafen“ steht auf der Politik-Seite, wo es doch härtere Strafen bei schärferen gesetzlichen Regelungen sind.
Und auf der „Rhein-Ruhr“-Seite wurden „dem Konzern … schwere Sicherheitsmängel vorgeworfen, die Thyssen-Krupp jedoch stets von sich gewiesen hat.“ Dabei wurden die Vorwürfe zurückgewiesen, nicht die Sicherheitsmängel!
Und ein paar Zeilen weiter lässt man einen italienischen Angeordneten zu Wort kommen, der gesagt haben soll: „man kann nicht Topmanager in Kriminelle verwandeln.“ Selbst, wenn mir der Originaltext nicht vorliegt und ich eh kein Italienisch kann, vermute ich, dass er gesagt hat, man solle die Topmanager nicht wie Kriminelle behandeln, denn das mit dem Verwandeln bleibt Hexen oder Zauberern vorbehalten, zumindest im Deutschen.
„Der Konzern zahlte … Entschädigung an die Familien der Stahlarbeiter, im Ausgleich verzichten diese auf Zivilklage im Prozess„, lesen wir im nächsten Absatz. Und fragen uns direkt, warum sie nicht einfach nur auf die Zivilklage verzichten, und zwar zum Ausgleich.
Tja, das wären jetzt etwa 25.000 Euro an verschärften Strafen, und wenn die bis Morgen auf meinem Konto eingehen, dann verzichte ich im Ausgleich auf eine Anzeige dieser Sprachfehler im Prozess.
18. November 2008
Dativ immer noch chancenlos, während letzte Hände Klischees brechen
„Der fünftreichste Deutsche habe durch den rasanten Anstieg der VW-Aktie bis zu eine Milliarde Euro verloren“, steht in einer kleinen Meldung auf der Titelseite. Ehrlich gesagt kann ich wenig Mitleid für den armen Reichen aufbringen, der arme Dativ indes, finde ich, hätte doch mal endlich eine Chance verdient, und dann hätte der Herr auch nur bis zu einer Milliarde verloren…
Wunderliches geschieht zwischenzeitlich im Essener Lokalteil: „Letzte Hände am Weihnachtsmarkt“ verkündet uns dort eine dicke Headline. Wie müssen wir das verstehen: Sind die Hände auf dem Markt nun fast ausverkauft und man muss sich beeilen, um noch die letzten zu erwerben? Aber warum sollte man Hände kaufen wollen? Oder haben sie etwas mit dem berühmten letzten Willen zu tun? Aber was hat der auf dem Markt zu suchen? Es bleibt unverständlich. Hätte man uns stattdessen lieber nur erzählt, dass vielfach letzte Hand angelegt wird, wäre uns einiges erspart geblieben.
Nicht jedoch die folgende Headline auf der „Hören und Sehen“-Seite: „Quer denken, Klischees brechen„. Ich hab nichts dagegen, wenn mit Gewohnheiten gebrochen wird oder Klischees vermieden werden, bei dieser Überschrift fürchte ich jedoch, dass hier irgendwer seine letzten Hände im Spiel hatte.
Pisa-Studie samt Deklination, aber ohne Dativ
Es gibt Neues aus Pisa. Und wie immer, wenn’s um die PISA-Studie geht, geht die WAZ voran – vor allem mit schlechtem Beispiel. Denn während sie einerseits heftig die mangelnde Leistungsfähigkeit der Schulen und Schüler beklagt, liefert sie andererseits selbst genügend Beispiele für mangelnde Rechtschreib- und andere sprachliche Kompetenzen.
Die harmloseren Fälle sind da noch die Trennfehler: „Die 22 führ- (neue Zeile) enden Industrieländer“ (Titelseite); „Die KfW-Banke- (neue Zeile) ngruppe“ (Wirtschaftsseite); „Die Vielfalt an Vorn- (neue Zeile) amen…“ (Seite „Rhein-Ruhr“).
Und dieser kreative Umgang mit der Rechtschreibung ist sicher auch Pisa-würdig: „… was einem von Rechtswegen zusteht… “ (Rhein-Ruhr). Ja, ja, die Rechtswege. Die könnten einem glatt von Rechts wegen zustehen.
Und dann noch die üblichen Sprachverwirrungen. Auf der Seite 2 im Artikel über den Grünen-Parteitag finde ich einen Satz, über den ich lange nachdenken musste (mal abgesehen davon, dass Cem Özdemirs Wurzeln mal wieder „in der Türkei liegen„, anstatt sich dorthin zu erstrecken): Claudia Roth „deklinierte das grüne Glaubensbekenntnis von Atomausstieg bis Zuwanderung.“ Wie dekliniert man ein Glaubensbekenntnis? Normalerweise „das Glaubensbekenntnis“, „des Glaubensbekenntnisses“ (Achtung! Auf keinen Fall „des Glaubensbekenntnis“, wie es heutzutage gerne genommen wird). Aber das kann nicht gemeint sein, denn die Deklination soll ja irgendwie „von Atomausstieg bis Zuwanderung“ gegangen sein. Das hat nun aber nichts mit deklinieren zu tun. Aber vielleicht mit… An diesem Punkt meiner Überlegungen stutzte ich: Das kann doch nicht sein! Sollte hier ein WAZ-Autor deklinieren mit deklamieren verwechselt haben? (Passt ja auch irgendwie besser zum Glaubensbekenntnis… ) Da legt sich der Turm doch glatt noch ein paar Grade schiefer!
Doch warum auch nicht? Mit dem Deklinieren tut sich die WAZ ohnehin ein bisschen schwer. Damit kommt selbst der Chefredakteur nicht klar. Im Kommentar auf Seite 2 schreibt er: „… eine Trennung von den Amerikanern würde auch die Werke in Rüsselsheim, Bochum und Eisenach samt deren Zulieferer sichern.“ Nach „samt“ steht der Dativ, Herr Chefredakteur, und demzufolge muss es „Zulieferern“ heißen.
Der Dativ kommt heute überhaupt schlecht weg: „Das ist eine Forderung, die besonders die Bundesregierung am Herzen lag“, lese ich auf der Wirtschaftsseite. Wem, bitte, lag diese Forderung am Herzen? Richtig! Dem Dativ!
15. November 2008
Finanzkrise in den Rachen schieben
Jawoll! Das muss man erstmal hinkriegen. Für die WAZ kein Problem: „Da sind die Linken, die glauben, der SPD die Finanzkrise in den Rachen schieben zu können …“ Man kann ja durchaus jemandem etwas in den Rachen stopfen oder auch werfen. Wenn dieser Jemand gierig ist und man ihm etwas gibt oder geben muss, was er eigentlich nicht verdient hat. Oder man kann jemandem etwas in die Schuhe schieben, in dem Fall die Schuld an der Finanzkrise. Beides zusammen ist dann wieder einmal der „doppelte WAZberger„.
Leider geht der Satz auch noch weiter, denn die SPD (mit oder ohne Finanzkrise im Rachen) war es doch, „die in ihrer Regierungszeit die Finanzmarktregeln (Verbriefung von Kreditforderungen) gelockert und mit ihrer Agenda die Trommel zum Tanz ums goldene Kalb geschlagen habe.“ Oje oje, ich seh‘ den Müntefering gerade vor mir, wie er mit der Agenda auf die Trommel haut, während alle anderen ums goldene Kalb tanzen.
Das ist aber noch lange nicht das schönste Bild, denn „die Jagd über die Stammtische hat freilich auch die Liberalen eingeholt“. Wie muss man sich die denn jetzt vorstellen? Westerwelle hüpft als scheues Reh über die Tische in den Wirtshäusern und alle anderen Politiker hinterher?
Und überdies schaffen sie es dann auch noch, „Ohne Maß und Mitte, ohne Skrupel … mit historisch beladenen Erschreckwörtern um sich“ zu werfen.
Da gehe ich glatt in Deckung, zumal die zahlreichen Erschreckwörter und Erschrecksätze in diesem Kommentar bereits ausreichen, um zumindest mir den Rachen zu stopfen oder die Trommel in die Schuhe zu schieben…
Linkspartei erhitzt den Landtag
Wie das gehen soll? Das wüsste ich auch gern. Aber es steht so in der WAZ vom Freitag, auf der Politik-Seite. O.K., es mag erhitzte Gemüter geben oder gar entsprechende Debatten, aber ganze Landtage …? Wie haben die Linken denn das nun wieder angestellt?
Vermutlich mal wieder populistisch das Volk aufgehetzt. Und wo führt das hin? Es hat keinen Respekt mehr vor dem Prinzen, der sich auf der „Welt“-Seite fragt: „Habe ich das Beste aus meinem Leben gemacht?“ Und was macht das Volk? „Lauter noch bohrt sein Volk nach: Wozu ist ein alternder Prinz eigentlich gut?“ Das frage ich mich schon lange, käme dennoch nicht auf die Idee, laut nach zu bohren.
Denn da hätte ich Angst, dass es mir ergeht wie den „Fans genmanipulierter Lebensmittel“, die nämlich „macht Bio-Ritter Charles auch mal mit scharfer Zunge mundtot.“
Dabei „hat sich für ihn viel zum Guten gedreht.“ Allerdings wird es sich gewendet haben, wie ich vermute, selbst wenn ich an der Stelle nur leise nachbohren will.
13. November 2008
Mit Kanonen auf Ziele schießen und Zahlen wälzen
Heute ist es zunächst ein Anwalt, der auf der Politik-Seite eine etwas eigenwillige Äußerung von sich gibt: „Andererseits schießt man mit diesem Gesetz mit einer großen Kanone…“ (auf Spatzen? Nein:) „auf ein zugegeben gefährliches Ziel.“ Neben der misslungenen Redewendung und diesem merkwürdigen „mit … mit“ stört mich hier auch das zugegeben Ziel, das eigentlich ein zugegebenermaßen gefährliches Ziel sein sollte. Und dass die „Streubreite der Kanone … zu groß“ ist, reicht mir auch nicht zur Verteidigung aus. Darum können Sie bei mir nicht mit einem Freispruch rechnen, Herr Anwalt!
Auf der Kulturseite indes „werden Zahlen gewälzt“. Das geht nicht, denn gewälzt werden allenfalls die dicken Bücher, in denen ggf. die Zahlen aufgeführt sind.
Und zwar selbst dann, wenn man nachweisen will, „dass die Etatlöcher … dem im Putschverfahren geschassten Intendanten … anzukreiden sind“. Nun weiß man ja, dass seit der Ablösung von Kurt Beck geputscht wird ohne Ende, dass aber dafür ein eigenes Verfahren eingerichtet wurde, war mir neu.
Weicher Punkt hat einen tiefen Spalt durch Deutschland gezogen
Wir kennen Tagesordnungspunkte, Gesichtspunkte, ja sogar Knackpunkte. Aber was ist das hier? Heute im WAZ-Kommentar auf Seite 2: „Es gibt kein Endlager für hochradioaktive Abfälle. Dies ist der weiche Punkt in der deutschen Debatte über den Ausstieg aus dem Atomausstieg.“ Ein weicher Punkt. Wenn man drauf drückt, quietscht es, oder wie? Und wie kommt so etwas in eine Debatte? Werden wir es je erfahren?
Es kommt aber noch schlimmer, denn: „Dies ist das Kainsmal einer Technologie, die Strom erzeugt und dabei vergleichsweise wenig klimaschädliches Kohlendioxid produziert.“ Was für ein Mal? Wer einigermaßen bibelfest ist, der weiß, dass Kain seinen Bruder Abel erschlug und danach vom Herrn mit einem Zeichen versehen wurde, „damit ihn keiner erschlage, der ihn finde“. Das Kainsmal ist daher also „sowohl das Erkennungszeichen des Mörders als auch ein Schutzzeichen, das ihn vor einem gewaltsamen Tode bewahrt“, wie man bei Wikipedia erfahren kann. Was hat das nun alles mit einem Endlager zu tun, das es nicht gibt und deswegen einer weicher Punkt ist?
Zumal „der Streit um die Nutzung der Atomkraft einen tiefen Spalt durch Deutschland gezogen“ hat. Gräben, die kann man ziehen. Meinetwegen sogar quer durch Deutschland. Was machen wir nun aber mit dem Spalt, der sich normalerweise auftut?
Ein echtes Dilemma! Doch trösten wir uns, denn „in einem noch viel tieferen Dilemma steckt die SPD, die sich am Atomausstieg festgekettet hat.“ Dass sich Atomkraftgegner bisweilen irgendwo anketten, ist bekannt, aber wie kettet man sich an einem Atomausstieg fest?
Fragen über Fragen. Und das Schlimme ist: „Auf Antworten dürfen wir in dieser Legislaturperiode nicht mehr hoffen. Typisch für das Atomthema, vor dem man die Augen verschließt.“
Ich fürchte, das ist auch das Beste, was man angesichts eines solchen Artikel tun kann!
11. November 2008
Das politische Jahr wurde übermäßig verschattet, drängende Probleme verschleppt, Kinder gehören nicht in Armut, die Krise spielt in die Karten, Gemüter werden gespalten und ein OB belustigt sich über Inszenierungen
Dass manchmal bestimmte Ereignisse von anderen überschattet werden, weiß man. Durch den heutigen Kommentar auf Seite 2 jedoch sind wir schlauer, „weil das quälende Schauspiel um Andrea Ypsilanti und Roland Koch, um Wortbruch und Linkspartei, um rechte und linke SPD sowie Abweichler das zu Ende gehende politische Jahr übermäßig verschattet hat.“ Ja, warum wird denn jetzt da nicht „über“ benutzt? Wo wir es doch sonst so gern überall einbauen. Vielleicht, weil „verschatten“ dramatischer klingt. Oder auch, weil dann das zweimalige „über“ eben überzählig gewesen wäre (mal abgesehen davon, dass übermäßig hier auch schon über war).
Dabei hat die Autorin in dieser Hinsicht sonst weniger Skrupel. Zählen Sie doch einmal, wie oft im vorletzten Absatz dieses Kommentars das Wörtchen „um“ benutzt wird: „Viele treibt in dieser krisenschweren Zeit die Sorge um den Arbeitsplatz um, und dabei geht es nicht nur um das Geld, das nicht mehr zu verdienen wäre, sondern auch um den Arbeitsplatz selbst. Es geht um die tägliche Aufgabe von Menschen ebenso wie um ihre Aufgehobenheit in einer sozialen Umgebung.“ (Hier ist darüber hinaus interessant, dass man zuerst meint, viele treibe die Sorge um, während tatsächlich gesagt wird, es treibt sie die Sorge um … um)
Aber „wenn man entschlossen davon absieht“, wie es im Absatz davor heißt, dann stört das wohl nicht weiter. Genauso entschlossen sehe ich jetzt davon ab, „dass im Jahr der Bundestagswahl ein Barack Obama vom Himmel über Berlin steigt“.
Denn auf derselben Seite geschehen noch andere merkwürdige Dinge. „Die USA sind aus der Erstarrung erwacht. Drängende Probleme wurden verschleppt„, steht da recht groß in der Unterzeile des Aufmachers. Liebe USA, wenn Ihr schon aus der Erstarrung erwacht, anstatt Euch wie alle anderen daraus zu lösen, dann verschleppt wenigstens nicht die Probleme. Wie, habt Ihr gar nicht? Ihr habt nur die Lösung verschleppt?
Schlimm genug, „doch auch da zeigt sich nun, dass die Panikpakete, die der Kongress mit den Stimmen beider Parteien auf den Weg brachte, allzu hektisch gepackt worden sind.“ Na fein. Jetzt haben wir neben den Rettungsschirmen (und -paketen) auch noch die Panikpakete. Jetzt warte ich noch auf die Panikschirme. Und, wie man selbige auf den Weg bringt, das wüsste ich auch gern.
Auf der Politik-Seite (unter der Überschrift „Linkspartei will Unruhe stiften“) haben wir dann die Frau van Dinther, ihres Zeichens Landtagspräsidentin (hab ich auch nicht gewusst), die auf die Frage, ob es in Deutschland sozial ungerechter geworden sei, Äußerungen von sich gibt, wie: „Das ist eher gefühlt so.“ Ist das Deutsch? Gefühlt eher nicht.
Und kurz danach bemerkt sie: „Kinder gehören nicht in Armut.“ Ich bin ja fast dankbar, dass sie nicht gesagt hat: „Kinder gehören nicht in Armut hin“. Denn das hätte mich all zu sehr an den schönen Vers erinnert: „Alkohol und Nikotin gehört nicht nach der Schule hin“.
Kommen wir zur Wirtschaft. Hier „fragt (man) sich, wie viele Jahre die Wirklichkeit noch braucht, um die Rituale zu entzaubern. Oder braucht es einen Streik, sie aufzufrischen?“ Vor allem frage ich mich, wie Rituale überhaupt entzaubert werden können, wie die Wirklichkeit das erledigen soll und wie ein Streik sie auffrischen könnte.
Und nicht zuletzt frage ich mich, „wie sehr sie (die IG Metall) in der Defensive steht.“ Ich wusste nämlich bisher noch gar nicht, dass man in da drin auch stehen kann …
Ein paar Zeilen weiter folgt dann etwas, wofür ich noch keinen richtigen Begriff habe: Das Zusammenziehen von zwei Redewendungen oder Ausdrücken zu einem. Ein sprachliches Phänomen, das die WAZ hegt und pflegt, so dass man es den „doppelten WAZberger“ nennen könnte. „Den Arbeitgebern spielt die Krise in die Karten“. Redewendung 1: Jemand guckt jemandem in die Karten. Redewendung 2: Jemand (oder etwas) spielt jemandem in die Hände. Waz-Double: Man spielt in die Karten. Toll, nicht wahr?
Auf der Sportseite „hat sich mittlerweile ein explosives Gemisch aus frustrierten Fanseelen und einem gekränkten Präsidenten auf Liebesentzug gebildet, das die Wedau flächendeckend zum Pulverfass macht.“ He, das ist mal was! Ein Gemisch aus Seelen und Präsidenten wird zum Pulverfass. Und auch noch flächendeckend!
Sensationelle Erkenntnis auf der Seite WAZ-Extra: „Tsunamis gab es schon in der Antike“. Und ich dachte immer, sie wären eine Folge des CO2-Ausstoßes oder der Atomkraftwerke!
Auf der Essener Lokalseite ein kleiner Skandal: „Der Start des neuen Essener ‚Ring des Nibelungen‘ spaltet die Gemüter.“ Das hätte jetzt ein weiterer schöner WAZberger werden können, wenn sich wenigstens die Geister spalten könnten. Leider können die sich aber nur an irgendwas scheiden, während sich die Gemüter erhitzen.
Außerdem hat da der Essener Oberbürgermeister auch noch ein Wörtchen mitzureden: „Ich belustige mich eher über solche Inszenierungen …“ Allerdings kann man sich höchstens über solche Inszenierungen lustig machen oder belustigt sein, und dann am besten ohne Präposition, zumindest aber nicht schon wieder „über“! Sonst ist die deutsche Sprache übermäßig verschattet, wenn nicht gar verschleppt und ich muss mich gar über das Ganze belustigen!
10. November 2008
Wenn die Geschichte wabert, muss man ruhiges Blut wahren und keine Flinte ins Korn werfen
Es gibt feststehende Redensarten, warum nur ändert man so gern daran herum? So heißt es z.B., man solle ruhig Blut (be)wahren (wenn man aufgeregt ist oder überdreht oder so).
WAZ macht unsere Lieblingszeitung daraus? Im Kommentar auf der Titelseite: „Es fällt schwer … ruhiges Blut zu bewahren“. Natürlich muss man sich schon ein bisschen mit den „Feinheiten der deutschen Sprache“ auskennen, um das auseinander zu halten, und das kann man von einem WAZ-Autor mit seinem unruhigen Blut vermutlich kaum erwarten.
Anscheinend kennt die die Nicht-Ministerpräsidentin von Hessen aber auch nicht: Laut WAZ lächelte sie „in die Fernsehkameras, sie werfe keine Flinte ins Korn.“ Die Redensart heißt tatsächlich in etwa so: „Ich werde nicht gleich die Flinte ins Korn werfen!“ (aber natürlich gibt es noch etliche Abwandlungen.) Aber keine Flinte ins Korn zu werfen, bedeutet nun leider etwas völlig anderes. Entweder: ich werfe alles andere ins Korn, nur keine Flinte, oder: ich habe eine ganze Menge Flinten, aber keine davon werfe ich. Beides bedeutet dann eben nicht: „ich gebe nicht auf, ich resigniere nicht“, sondern eher: „Ich kann noch ganz anders resignieren“ oder: „selbst wenn ich resigniere, kann ich noch was anderes machen!“ Also: Lasst mir doch bitte die Redensarten in Ruhe!
Denn auch ohne den eigenwilligen Umgang mit Redensarten kann so einiges daneben gehen, wie z.B. auf der Welt-Seite: „In dem neuen Fall hatte sich der Schaffner auch nicht erweichen lassen, als die 13-jährige ihm unter Tränen versicherte, weder über Geld noch über ein Handy für einen Anruf zuhause zu verfügen.“ Wer kann mir erklären, worüber sie nun alles nicht verfügte? Also das mit dem Geld, das ist noch einigermaßen klar. Darüber verfügte sie nicht. Weder im Zug noch zuhause. Aber das Handy. War das jetzt zuhause oder war der Anruf zuhause? Oder der Anruf an zu Hause? Nee, das kann gar nicht sein. Vielleicht hatte sie aber auch kein Geld, um mit dem Handy zuhause zu telefonieren. Aber das wäre ja irgendwie unlogisch. Oder gibt es einen Anruf zuhause? Wäre mir neu. Vielleicht hätte sie es einfach wie E.T. machen sollen: „nach Hause telefonieren“.
Ja, und jetzt haben wir noch den Clement auf der Wirtschaftsseite. Erinnern Sie sich? Der war mal Ministerpräsident in diesem unserem Lande. Dann hat er irgendwie was Falsches gesagt und ein Parteiordnungsverfahren bekommen. Heute redet er in der WAZ und bekommt dafür von mir ein Sprachordnungsverfahren.
Herr Clement, was haben Sie sich bei dem Satz gedacht: „Ich bin froh, dass Herr Lafontaine in Hessen eine Abfuhr erlebt hat.“ Na klar, so gut wie nichts, denn sonst hätte Ihnen auffallen müssen, dass man eine Abfuhr erteilt bekommt.
Der nächste Satz ist dann aber auch nicht besser. „Natürlich mussten die Regierungen jetzt in das Bankendesaster eingreifen und für eine neue Ordnung, neue Regeln sorgen.“ Wie soll man bitte in ein Desaster eingreifen? Wissen Sie auch nicht? Und darum setzen Sie mit der Bemerkung nach: „Das ist schlicht so, denn jeder Markt braucht eine Ordnung.“ Wie sollen wir das jetzt verstehen: ist es schlicht so, oder ist es schlicht so? Und: Halten Sie das für Deutsch? Oder gar für eine Erläuterung?
Und dann das hier: „Wir sollten uns stattdessen auf die Grundregeln der sozialen Marktwirtschaft besinnen und sie möglichst über unseren Kontinent hinaus zur Wirkung bringen.“ Bitte, wie bringt man Grundregeln zur Wirkung?
Ist klar, darauf haben Sie auch keine Antwort. Stattdessen reden Sie im nächsten Absatz Folgendes: „Der Infrastrukturteil im Compositum Mixtum der Bundesregierung ist viel zu wenig, das wird gegen eine massive Wirtschaftsschwäche nicht reichen.“ Das mit dem Compositum Mixtum war ja echt beeindruckend, aber der Rest des Satzes … (Schauder!) Wie soll etwas gegen eine Schwäche reichen? Und was ist bitte eine massive Schwäche, ist das nicht irgendwie eine Contradictio in adiecto? Sozusagen ein Lapsus Linguae? (Sehen Sie, auch ich kann ein bisschen Latein …)
Ja, und dann wollen Sie noch „gemeinsam mit den Mitgliedsstaaten ein 700-Milliarden-Programm schnüren“. Clement! Pakete kann man schnüren, Programme aber, die kann man höchstens erarbeiten, wie soll man die je schnüren?
Tut mir leid, aber die Sprachschiedskommission muss Sie nun leider von der deutschen Sprache ausschließen! Ihre Grammatik und Ihr Wörterbuch werden eingezogen und vernichtet!
Jetzt brauche ich eine Trennung, damit ich mit einem anderen Thema weiter machen kann. Aber WAZ kriege ich da? Im Artikel direkt unter dem Clement-Interview: „Allerdings gibt die … Sparneigung Anlass zur Sorge, ob dies allen- (neue Zeile) möglich ist. (Aber in dem Artikel steht ja auch, dass in den USA „Einkommen und Vermögen weit ungleicher verteilt (sind) als in Deutschland“. Ungleich, ungleicher, weit ungleicher, am ungleichsten. Die Animal Farm kannte auch Tiere, die gleicher sind als andere, warum also auch nicht „weit ungleicher“?)
Kommen wir zurück zu meiner Trennung, diese war leider unbrauchbar. Da finde ich auf der nächsten Seite: „Das ist die günst- (neue Zeile) igste Art und Weise …“
Also muss ich ohne vernüftige Trennung weitermachen. Und dabei kommt ja jetzt so etwas Wichtiges wie Historie. Die macht aber was ganz Merkwürdiges auf der Kulturseite: „Überall wabert Geschichte“ heißt es in der fetten Headline. Wie macht die das bloß? Rauch kann wabern, Bodennebel, ja sogar Ektoplasma, aber Geschichte?
Na gut, versuchen wir es mit einfacheren Dingen, einem Genitiv vielleicht. „Hier, im alten Stadthaus des Sultan, liegt das Büro der Kulturhauptstadt …“ muss ich da lesen. Vielleicht waberte da gerade kein Genitiv-S vorbei?
Um es mit der WAZ zu sagen: „Soviel Potenzial ist schwer unter ein Dach zu bekommen.“ (Es unter einem Dach zu bekommen, klingt irgendwie besser, ist aber wohl nicht gemeint.) Da kommen wir (nachdem wir die „angestaubten Schätze zu polieren“ hatten) lieber auf Folgendes zurück: „Überall wabert Geschichte, mancherorts verfällt sie.“ Wie wahr!
Häufig verfällt aber auch die Sprache. Wie in dem folgenden Beispiel. Eine ganze Seite in der WAZ, „Rhein-Ruhr“, mit dem Titel „Die Halde ruft“. Hier finden wir ganz merkwürdige Formulierungen, geboren offenbar aus dem Wunsche, möglichst volksnah zu schreiben. Vielleicht hat man den WAZ-Schreibern aber auch gesagt, sie sollen „schreiben, wie man spricht“, und dann kommt leider sowas dabei heraus (ich werde es, soweit es mir möglich ist, unkommentiert dokumentieren, und frage mich, ob nur ich Probleme damit habe):
„Es war eine Eröffnungsveranstaltung voll solcher Reden, dass links und rechts von einem die Superlative nur so einschlugen.“
„Aus Jahrzehnten Bergbau liegen hier 300 Millionen Tonnen Gestein aufgeschüttet, das kriegt man ja immer so schlecht weg, also machten sie lieber gleich was Vernünftiges daraus, die EU und das Land und der Regionalverband Ruhr …“
„Es ist eine freundliche Mittagsstunde, und sie, tausende: wandern, laufen, spazieren, joggen, gehen, tollen herum, bevölkern die Wege, kraxeln bergan, mit Hund und ohne, mit und ohne Fahrrad, allein und zu zweit, manche im Pendelbus, manche mit Lenkdrachen, oben, 155 Meter über N.N., wo es trefflich zugig ist.“
(manche kraxeln demnach im Pendelbus bergan und joggen mit Lenkdrachen, oben, wo es trefflich zugig ist.)
„Sie gucken von dem Hochplateau und sehen unter anderm:“
(wenigstens: unter anderem!)
„Das hier wird der neue Silvestertreffpunkt des Ruhrgebiets, wenn die ganzen Raketen explodieren da unten.“
„Ach, es geht ja nicht nur um einen neuen Park, es geht hier um das Bewusstsein seiner selbst: Denn bis vor, sagen wir, 15 Jahren, hat das Ruhrgebiet seine Bergehalden begrünt und unsichtbar zu machen versucht, schließlich sahen sie so schrecklich aus, nämlich irgendwie nach Ruhrgebiet, ging gar nicht …“
(Bewusstsein wessen selbst? Meiner? Deiner? Des Parks? Und das ging gar nicht …!)
„Erst seitdem sind die Halden erkannt als das, was kein anderer hat …“
(Hier schlösse jetzt ein „nämlich“ zwingend an, kommt aber keins. Sie wurden nur erkannt als das, was kein anderer hat. Hä?)
Und das wabert nun alles durch die deutsche Sprache, und ich soll ruhiges Blut bewahren und keine Flinte ins Korn werfen! Geht gar nicht, denn hört sich irgendwie nach WAZ an!
8. November 2008
Die Betrachtung zielt zu kurz, aber das sind wir gewöhnt
Fangen wir heute mal nicht mit den Fehlern der WAZ an, sondern mit denen der Andrea Ypsilanti. Die stehen auf der Politik-Seite. Und dortselbst lesen wir: „Das Team der NDR-Satiresendung ‚Extra3‘ ist einiges gewöhnt„. Womit wir aber Ruckzuck wieder bei den Fehlern der WAZ sind: Denn entweder ist das NDR-Team einiges gewohnt oder an einiges gewöhnt. Aber das ist ja selbst für Deutschprofis schwer, wie soll sich da ein WAZ-Autor auskennen!
Der schreibt dann ja auch: „Sie beging die größte Sünde, auf die Politiker hereinfallen können …“ Herr Pfarrer, ich muss beichten: Ich bin auf eine Sünde hereingefallen! Macht nix, meine Tochter, nur begehen darfst du sie nicht!
Und am Ende des Artikels wird dann noch alles unternommen, „um Grünen und Linkspartei den roten Teppich für die Unterschrift auszurollen“. Ja, die schreiben eben immer so groß, dafür brauchen die sogar einen ganzen Teppich!
Doch vielleicht habe ich das nicht ganz richtig gesehen, denn im Kommentar auf der Wirtschaftsseite heißt es: „Die Betrachtung zielt aber zu kurz.“ Hätte sie länger gezielt, hätte sie vielleicht sogar getroffen. Man muss sich einfach mehr Zeit nehmen, oder? Auch wenn eine Betrachtung überhaupt nicht zielen kann und man ansonsten höchstens daneben zielt; manchmal greift auch etwas zu kurz, davon hat man auch schon gehört.
Hochkarätigste Unerträglichkeit ramponiert den Vertrauensvorrat in Politikergräben
Die Seite 2 hat es mal wieder in sich. Hier finden wir im Artikel über „Obamas Dreamteam“ einen überraschenden Superlativ: „In Washington dreht sich das hochkarätigste Personalkarussell“. Wie steigert man hochkarätig? Zugegeben: „höherkarätig“ bzw. „höchstkarätig“ klingt auch doof. Aber muss man deshalb gleich zu einem Neologismus greifen? Vielleicht sollte man hier einfach mal nicht steigern, weder „hoch“ noch „karätig“, denn ich wüsste nicht mal von Gold, dass es hoch-, höher oder am höchstkarätigsten wäre.
Man möchte fast mit den Worten des ersten Kommentators sagen: „diese hessischen Verhältnisse näherten sich der Unerträglichkeit“. Das finde ich auch! Zumal, wenn dann noch formuliert wird: „… eine Große Koalition hätte … den Vertrauensvorrat der SPD noch mehr ramponiert.“ Denn eine Vertrauensvorschuss wird aufgebraucht, indes ein Ansehen ramponiert, aber bei der WAZ kann man das natürlich vereinfachen und zu einem Ausdruck zusammen ziehen.
Ähnlich ist es mit den „geifernden SPD Kontrahenten“, womit vermutlich keine Kontrahenten der SPD (wie der Ausdruck nahelegt), sondern entsprechende innerhalb der Partei gemeint sind, denn der nächste Satz lautet: „Was sich derzeit zwischen den Lagern der Ypsilanti-Getreuen und dem Umfeld der Abweichler an Gift und Galle abspielt“, was aber wiederum Blödsinn ist, denn Gift und Galle spielt sich nicht ab, sondern wird gespuckt (auch wenn es unappetitlicher sein sollte).
Und wenn ich den letzte Satz lese, hätte ich sogar Lust dazu: „Aber zum Ansehen einer Partei … gereicht es in gar keinem Fall.“ Denn wenn etwas gereicht, dann normalerweise zur Ehre, zum Ansehen könnte es allenfalls reichen.
Leider ist der andere Kommentar auf der Seite auch nicht besser. Der beginnt mit dem Satz: „Man liest viel über die Erwartungen, die Barack Obama in der Welt geweckt hat, immer mit der Frage unterlegt, ob er diese wird erfüllen können.“ Nachdem man es sich gestern noch „jenseits der Frage“ schwer getan hat, wird heute was mit einer Frage unterlegt …
Aber es kommt noch schlimmer: „Politiker aller Parteien klettern aus ihren Gräben …“ und, nachdem sie einige Zeit draußen waren, „müssen Bundesbürger zusehen, wie die einheimischen Politiker wieder in ihre Parteigräben steigen, um sich von dort aus gegenseitig mit Forderungen und Kritik zu bewerfen.“ He, das ist wirklich witzig! An so manchem WAZ-Kommentator ist wahrhaft ein Komiker verloren gegangen. Da klettern die erst aus den Gräben, in die sie anschließend wieder steigen, und fangen dort an, sich gegenseitig zu bewerfen. Und nicht etwa mit Schmutz oder Erdklumpen. Sondern mit Forderungen und Kritik. Da sage noch einer, unsere Politiker seien unfähig!
Oder gar: „In der Bundesrepublik sinkt das Interesse an Politik in Erdnähe!“ Leider wird das aber gesagt. Und zwar im selben Kommentar, eine Zeile weiter. Und was soll die arme Politik nun machen, wo das Interesse an ihr in Erdnähe sinkt? (Vermutlich wegen der Anziehungskraft der Erde.) Sich in höhere Sphären begeben? Auf den Mond ausweichen? Oder lieber versuchen, das Interesse auf Erdnähe zu bringen? Klingt aber auch nicht besonders überzeugend …
Aber vielleicht das hier: „Obamas Worte sind bislang nur Worte, und noch stellt der künftige Präsident eine Projektionsfläche dar. Aber diese Projektionsfläche zieht Sehnsüchte an, die keiner Nationalität unterworfen sind.“ Das kann ja auch gar nicht gehen, denn ich kenne eigentlich keine Sehnsüchte, die irgendeiner Nationalität unterworfen sind. Ganz zu schweigen von einer Projektionsfläche, die Sehsüchte anzieht.
Dabei wären „in diesen geldgierigen armen Zeiten … viele Deutsche womöglich schon froh, wenn sie überhaupt eine Projektionsfläche hätten“, heißt es weiter. Warum? Weil sie diese dann verkaufen könnten? Und seit wann sind arme Zeiten geldgierig? Oder geldgierige Zeiten arm? Und was soll das alles überhaupt heißen?
Aber jetzt „starren“ die Deutschen auf „Leinwände, auf denen Politiker über Erbschaftssteuer, Linkspartei und all die kleinen Schrauben sprechen, an denen sie eines Tages drehen werden …“ Da wäre ich doch jetzt richtig froh, wenn ich jetzt eine Projektionsfläche hätte, die mir zeigen könnte, was die Erbschaftssteuer mit der Linkspartei und kleinen Schrauben zu tun hat! Aber wo ist das Ding hin? Vermutlich verhökert! Und zwar von armen geldgierigen Zeiten!
7. November 2008
Sich um die Frage herumschleichen
Man weiß ja nicht, ob er’s wirklich so gesagt hat, der Helmut an de Meulen, Vorsitzender des Vereins Pro Ruhrgebiet. Zumindest wird er in der WAZ von Donnerstag auf der „Rhein-Ruhr“-Seite so zitiert: „Niemand soll sich um die Frage ,Wie hältst Du’s mit der Stadt Ruhr’ herumschleichen können“.
Leider kann das ohnehin niemand. Man kann sich herumtreiben, oder um etwas herumschleichen, vielleicht kann man sogar sich schleichen, (was im Österreichischen soviel heißt wie abhauen), alles andere ist ziemlicher Humbug, und gemeint war wohl eher, dass sich niemand um die Beantwortung dieser Frage drücken können soll. Insofern hat der Vorsitzende sein Meulen ein bisschen überstrapaziert (wenn man mir bitte diesen Kalauer verzeihen möge), ansonsten war es ein schöner Satz.
Was man von diesem hier auf der Politik-Seite nicht unbedingt behaupten darf: „Jenseits der Frage – Wieso Ulf aus Deutschland? – tut man sich schwer mit der Vorstellung …“ Wieso jenseits? Warum nicht diesseits? (Ich vermute, der Autor hat diese unsinnige Formulierung im Koch-Interview gelesen, und sie scheint ihm auch noch gefallen zu haben!) Warum nicht ober- oder unterhalb der Frage?
Und im Artikel darunter „haben die Vereinigten Staaten ihre Obsession mit der Verschiedenheit und Unvereinbarkeit der Rassen abgelegt, sie entwickeln sich zu einer halbwegs farbenblinden Nation.“ Den ein bisschen konstruierten Zusammenhang zwischen Hautfarbe und Farbenblindheit könnte man vielleicht noch verzeihen, aber wie ist man halbwegs farbenblind?
Auch der nächste Satz ist nicht besser: „Dazu hat der Kandidat Barack Obama erheblich beigetragen – indem er selbst nicht dem Stereotyp gehorchte, das weiße Wähler über schwarze Politiker pflegen.“ Denn auch hier ist die Universalpräposition „über“ mal wieder völlig fehl am Platz, weil man ein Stereotyp von einer Erscheinung pflegt, mal abgesehen davon, dass ich nicht weiß, wie man ihm gehorchen sollte, wenn man ihm schon nicht entspricht.
Und gegen Ende des Artikels muss man dann noch lesen, dass Obama „,cool‘ genug (war), um den kosmopolitischen Schmelztiegel zu verkörpern.“ Da wundert mich dann gar nichts mehr.
Auf der Kulturseite (Kommentar, rechte Spalte) „stehen CDU und Grüne … in der Kaufmann-Frage in Frontalstellung“. Hier kann man wieder einmal nur raten, was gemeint war. Stehen sie frontal gegeneinander oder beziehen sie frontal Stellung? Vielleicht gibt es aber auch Fronten in der Auseinandersetzung? Werden wir es je herausfinden?
Wohl kaum, denn: „Diese Essener Gemengelage lässt sich nicht durch Zahlenprüfungen allein entwirren.“ Das fürchte ich auch, denn eine Gemengelage hat in erster Linie mit Grundstücken zu tun, auch wenn dieser Begriff in letzter Zeit häufig in den Medien auftaucht, wenn von irgendeiner unübersichtlichen oder gefährlichen Mischung die Rede ist. Aber selbst die kann man nicht entwirren, dass kann man allenfalls mit Fäden oder einem Knäuel.
Und da hilft es auch nicht weiter, „den klaren organisatorischen Schnitt zu machen“, wie uns der Artikel weiter empfiehlt. Weil ich mir einen organisatorischen Schnitt nicht vorstellen kann, sei er nun klar oder unklar. Wobei ich allerdings schon froh bin, dass es diesmal keine klare Kante ist.
Zu guter Letzt haben wir dann noch ein sprachliches Kleinod auf der „Menschen“-Seite, das ich hier in weiten Teilen unkommentiert wiedergeben möchte:
„Essen. 15 Jahre. So viel liegt zwischen diesen Bilder: Zwischen Becker und Sandy Meyer-Wölden, die ex-verlobt wurde mit zwei dürren Sätzen ihres Boris. ‚Wir beide haben den Alltag nicht zusammen geschafft …‘ Der Alltag spielte sich wohl eher zwischen New York, Paris, München ab denn zwischen Waschmaschine, Berufsverkehr und Supermarkt …“
Und weiter: „Medienberater meinen ja, Becker verscherze mit seinen Frauengeschichten sein Image. Da haben die Medienberater bestimmt lange überlegt für. So einen Job möchte man mal haben.“
Wäre dem Autor dieses Artikels nur zu wünschen, denn man fragt sich: War er nur betrunken oder etwa heftig bekifft oder gar auf dem Weg nach Poona? Doch um diese Frage muss ich mich leider herumschleichen!
5. November 2008
In den Dreck treten und vor die Pumpe laufen
Trennungen tun weh. Und weil sich Boris Becker von Sandy trennt, scheint es die WAZ heute mit Trennungen besonders schwer zu haben. So redet sie in dem Bericht auf der „Welt“-Seite über die Trennung der beiden laufend von Boris‘ Beziehungen „zu Angela Ermanokova … Sabrina Setlur, Patrice Farameh …“, obwohl es sich in dem Fall um Beziehungen mit den Genannten handelt. (Feinheiten der deutschen Sprache, zugegeben. Nur: gerade als deren Hüter setzt sich die WAZ sonst so gern in Szene).
Aber auch einfache Trennungen gehen schief: „… die USA zur führenden Nation zu machen, in (ohne Trennungszeichen, neue Zeile) dem er seine Zustimmung signalisierte“, steht schon auf der Titelseite. „Zahl- (neue Zeile) ungen“ wird auf der Wirtschaftsseite getrennt, „brutal- (neue Zeile) stmöglich“ auf der Politik-Seite und „kränk (neue Zeile)“ auf der Seite „Hören und Sehen“. Boris, was hast du da angerichtet!
A propos „angerichtet“. Man ja kann so einiges anrichten. Manches wird einem auch auf dem Silbertablett serviert. Aber: „Dem neuen Präsidenten bietet sich nun auf dem Silbertablett die historische Chance, sich vom globalen Blockierer zum globalen Helden zu wandeln“, wie der Direktor des Klimaforschungsinstituts auf der Titelseite von sich gibt, ist mir ein bisschen zu viel auf dem Silbertablett.
Zuviel sind mir auch die Formulierungen im Kommentar auf der Seite 2. „Die geringe Wertschätzung. die John McCain … genießt, dürfte seiner republikanischen Herkunft gedankt sein,“ steht da beispielseise. Dabei glaube ich kaum, dass er die geringe Wertschätzung genießt, und republikanisch ist seine Herkunft auch keineswegs, aber selbst wenn man das ganze Konstrukt akzeptiert, dann ist es der Herkunft geschuldet und nicht gedankt.
Einige Zeilen weiter hat „der US-Präsident … fast keine Gelegenheit ausgelassen, die angeblich gemeinsamen Werte in den Dreck zu treten.“ Mann oh Mann! Der Präsident kann die Werte allenfalls in den Dreck ziehen, auch wenn das dem Autor nicht heftig genug ist, und er sie deshalb lieber treten würde. Das bleibt aber dem Staub vorbehalten, in den man jemanden (und nicht etwas!) treten kann.
Wo soll uns das nur hinführen? Z.B. dahin: „Dass zuletzt marktradikale Kamikaze-Banker unter Bush das gesamte Welt-Finanz und -Wirtschaftssystem an den Abgrund führten, tut ein Übriges“. Wenn wir einmal von den marktradikalen Kamikaze-Bankern unter Bush absehen wollen, dann führt man jemanden (oder auch etwas) an den Rand des Abgrunds oder in denselben. Rein sprachlich gesehen sind wir dort ohnehin schon lange!
Zumal, wenn ich den Kommentar auf der Titelseite lese: „Dass über Jahre Privates und Beruf flott miteinander vermischt wurden, riecht nach Skandal. Egal, ob aus Unwissenheit oder mit Vorsatz.“
Denn erstens wird Privates und Berufliches mit einander vermischt, wenn nicht gar Privates mit Beruflichem vermischt wird, (was wesentlich eleganter wäre) und zweitens riecht es weder aus Unwissenheit noch mit Vorsatz nach Skandal. Es riecht einfach nur so. In dem Fall ein bisschen nach Unwissenheit.
Kommen wir zur Politik-Seite und damit zu Sätzen wie: „Ein Mann … steht im Herbst wie ein Hoffnungsträger vor heraufziehenden Neuwahlen“ oder: „Strategisch nutzte er den Schatten, den die grelle Auseinandersetzung der SPD mit der Linkspartei erzeugte, um das Profil des politischen Gewalttäters abzustreifen“. Tut mit leid, ich muss bei sowas immer kichern: jemand nutzt einen Schatten, den eine grelle Auseinandersetzung erzeugt, um ein Profil (nein, mehr: das des politischen Gewalttäters!) abzustreifen. Kichert da jemand mit?
Tja, und dann haben wir noch diese Frage: „Fürchten Sie nicht, dass eigene Leute Sie so vor die Pumpe laufen lassen wie Ypsilanti?“ Hier stimmt nur der Bezug nicht, denn „jemanden vor die Pumpe laufen lassen“ scheint tatsächlich eine Redensart zu sein. Und lieber vor die Pumpe laufen als in den Dreck treten, oder?
4. November 2008
Neuaufbau ohne Anfang
Auf der Titelseite ist laut Müntefering „In Hessen … ein Neuaufbau erforderlich“. Warum nicht ein Neuanfang, wie in solchen Fällen üblich? So müssen wir rätseln, was denn da neu aufgebaut werden soll.
Die Wirtschaftsseite ist dann wieder voller Rettungsschirme (dazwischen auch mal ein Rettungspaket), einer ist sogar abgebildet. Ich bin enttäuscht: Es ist ein einfacher Regenschirm.
Dafür erfahre ich im Lokalteil mal etwas wirklich Neues: „Vor allem das Defizit der Theater und Philharmonie (TuP)-Sparte Philharmonie von 1,5 Mio Euro, bisher stärkstes Argument von TuP-Aufsichtsrat und Geschäftsführung, scheint Risse zu bekommen. Ein Defizit bekommt Risse? Vermutlich war das Argument gemeint, aber es ist in der Tat schwierig, bei solchen Formulierungen den Überblick zu behalten …
das sich nicht vorstellen
„Roland Koch soll der Einladung bereits zugesagt haben“, erfahren wir heute auf der Seite 2. Das ist interessant, wenn auch ein bisschen gewöhnungsbedürftig. Denn bisher konnte man eine Einladung annehmen oder dem Einlader zusagen, diese WAZ-Mischung ist zumindest ungewöhnlich.
Auch die Subline des Artikels überrascht etwas: „Rot-Grün mit links – das sich SPD-Mann Jürgen Walter nicht vorstellen.“ Fehlt da vielleicht ein Wort? Dass ich mir eigentlich nicht vorstellen!
Im Artikel darüber geschieht ebenfalls Merkwürdiges: „Müntefering hielt allerdings auch mit seiner Skepsis gegenüber der Tolerierung eines rot-grünen Regierungsbündnisses in Hessen durch die Linkspartei nicht hinter dem Berg, die auch den parteiinternen Rivalen und Stellvertreter Ypsilantis, Jürgen Walter, antreibt.“ Tja, es ist schon schwierig, bei solchen Verschachtelungen den Überblick zu behalten: Münteferings Skepsis treibt Jürgen Walter an? Schwer vorstellbar.
Auch, was ich auf der Wirtschaftsseite lesen muss, kann ich mir nur schwer vorstellen: „Hunderttausende sitzen auf Kursverlusten“ (nicht etwa auf entsprechenden Papieren, die sie nun nicht mehr loswerden, was die entsprechende Redensart bedeutet). Dagegen sind ja die Bankberater, die sich ein paar Zeilen weiter „zunächst als Verkäufer aufführen“, geradezu harmlos.
Die schönste Formulierung des heutigen Tages finden wir allerdings auf der Seite „Menschen“. Hier steht eine fette Headline: „Teenie-Idol im Tatoo-Pelz“. Was muss man sich darunter vorstellen? Es gibt einen Wolf im Schafspelz, das ist ein verkleideter Wolf, der seine Gefährlichkeit zu verbergen sucht. Aber was verbirgt ein Teenie-Idol unter einem Tatoo-Pelz? Und was ist überhaupt ein Tatoo-Pelz? Ich glaube, das muss so etwas sein wie ein … äh … WAZ-Autor im … äh … Schreibpelz.
2. November 2008
Schutzschirme und Rettungsschirme, unter die man sich stellen kann
Seite ein paar Tagen überspannt er alle Medien – und WAZ natürlich auch: Der Rettungsschirm. Was mag das für ein merkwürdiges Utensil sein? Vielleicht eine Art Fallschirm? Ähnlich einem Rettungsboot, nur jetzt für Flugzeuge?
Der Duden kennt ihn leider gar nicht: da gibt es Rettungssanitäter, gar einen Rettungsschuss und schließlich Rettungsschwimmer – Rettungsschirme müssen also eine Wortneuschöpfung sein. Doch wer hat’s erfunden? Die Schweizer diesmal nicht, die WAZ auch nicht, ich vermute, dass hier mal irgendwo ein übereifriger Reporter die Synthese aus Rettungspaket (von dem ja immer die Rede war) und Schutzschirm gebildet hat.
Und da die WAZ natürlich jeden sprachlichen Blödsinn schnellstmöglich übernimmt, wimmelt es seit ein paar Tagen von Schutz- und Rettungsschirmen, die mehr oder weniger synonym verwendet werden.
So auch in der Samstags-WAZ: „Grund war wohl, dass die Banken negative Reaktionen befürchteten, wenn sie sich unter den Rettungsschirm stellen“, heißt es im Kommentar auf der Wirtschaftsseite. Also, liebe Banken: Wenn Ihr – resp. Eure Börsenkurse – mal wieder im freien Fall seid: Vergesst das Rettungspaket und stellt Euch einfach unter einen Fallschirm!
Darum nimmt die WAZ im Kommentar auf Seite 2 einen anderen Schirm: „Die komplexe Struktur des Drei-Parteien-Systems wirkt wie ein Schutzschirm für schwache Kabinettsmitglieder“. Das will ich mir jetzt mal nicht auf der Zunge, sondern lieber eine weitere interessante Formulierung vorstellen: „Bei einer Durchsage an der Bahnsteigkante …“ – mit diesen Worten beginnt der Kommentar. Da ist dem Autor jetzt ein bisschen was durcheinander geraten: Die Durchsagen hört man am Bahnsteig, nicht an der Kante (selbst wenn es eine „klare“ sein sollte). Und die entsprechende Durchsage lautet dann häufig: „Vorsicht an der Bahnsteigkante!“ Aber deswegen ist es eben noch lange keine Durchsage an der Bahnsteigkante …
Wir haben noch mehr in besagtem Kommentar. Eine falsche Trennung: „Bonus-Zahl- (nächste Zeile) ungen“ und dann noch ein schön daneben geratenes Sprachbild: „Auch dieser Tage scheint ihm ein klarer Kompass zu fehlen“. Unklare Kompasse kenne ich eigentlich nicht, aber vielleicht war hier der Kompass gemeint, der den Weg – vorbei an der klaren Kante – bis unter den Rettungsschirm führt, unter den wir uns stellen wollen, während das Rettungspaket den Schutzschirm auslöst.