WAZblog Waz man seinen Lesern eigentlich nicht zumuten sollte …

13. November 2008

Mit Kanonen auf Ziele schießen und Zahlen wälzen

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 22:59

Heute ist es zunächst ein Anwalt, der auf der Politik-Seite eine etwas eigenwillige Äußerung von sich gibt: „Andererseits schießt man mit diesem Gesetz mit einer großen Kanone…“ (auf Spatzen? Nein:) „auf ein zugegeben gefährliches Ziel.“ Neben der misslungenen Redewendung und diesem merkwürdigen „mit … mit“ stört mich hier auch das zugegeben Ziel, das eigentlich ein zugegebenermaßen gefährliches Ziel sein sollte. Und dass die „Streubreite der Kanone … zu groß“ ist, reicht mir auch nicht zur Verteidigung aus. Darum können Sie bei mir nicht mit einem Freispruch rechnen, Herr Anwalt!

Auf der Kulturseite indes „werden Zahlen gewälzt“. Das geht nicht, denn gewälzt werden allenfalls die dicken Bücher, in denen ggf. die Zahlen aufgeführt sind.
Und zwar selbst dann, wenn man nachweisen will, „dass die Etatlöcher … dem im Putschverfahren geschassten Intendanten … anzukreiden sind“. Nun weiß man ja, dass seit der Ablösung von Kurt Beck geputscht wird ohne Ende, dass aber dafür ein eigenes Verfahren eingerichtet wurde, war mir neu.

10. September 2008

Entgeisterte Gesichter, sturzhafter Rücktritt und Sparkassen an WestLB

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 23:03

„Ruhe und Gelassenheit, das ist die erste Führungsaufgabe“, steht im Kommentar auf Seite 2. Aber nein, das ist es nicht! Vielleicht ist allenfalls die Aufgabe, dergleichen herzustellen …
Wie auch immer – bei mir gelingt das nicht. Oder soll ich ruhig und gelassen bleiben, wenn ich Folgendes lesen muss (Seite 3: „Blumen für die Jubilare)“:

„… aber natürlich kann der Vorsitzende des Ortsvereins nicht fehlen heute abend, nicht in diesen Tagen, es ist ja auch nur ein Stellvertreter im Lande.“ Kann man das irgendwie verstehen? Es kommt aber noch schlimmer: „Und dann erinnert man sich als Reporter, dass in vergangenen Jahren SPD-Ortsvereine schon öfter recht still waren, wenn ganz oben in ihrer Partei krachend was umstürzte – das ist vielleicht Schweigen aus schleichender Gewöhnung. Aber dass sie Witze drüber machen?“ Versteht das jemand? Was ist „schleichende Gewöhnung“? Und überhaupt: Was ist eigentlich gemeint? Ein bisschen später dann noch ein Highlight: „Dann schweift er immer weiter aus in seinem gut sozialdemokratischen Rechenschaftsbericht …“ Schweift er nicht vielleicht eher ab? Oder ist er vielleicht ausschweifend? Warum sagt uns das keiner?
Hier beruhigt uns die WAZ: „Es gibt keine Fragen“. Um uns anschließend direkt wieder zu beunruhigen: „Der Bundesvorsitzende hat sich weggeputscht, die Personalzentrifuge dreht sich weiter …“ Dass mit dem „Wegputschen“ und dass man das nicht mit sich selbst kann, hatten wir gestern schon, und heute haben wir auch noch die Personalzentrifuge. Das Personalkarussell scheint nicht mehr ausreichend zu sein, aber warum die Zentrifuge hier nicht passt, mag jeder selbst nachlesen.
Und dann noch ein paar merkwürdige Kreise. Keine Kornkreise, aber mindestens genauso mysteriös: „… es gibt in unserer Partei Kreise, die wollen nicht geschlossen sein, …“ Irgendwie kann man das verstehen, ich wollte auch nicht geschlossen sein.
Der Artikel endet genauso schlimm, wie er begonnen hat: „Die drei jüngsten Teilnehmer sind schon eine Stunde weg.“ Wo sind die? So weit weg, wie man in einer Stunde fahren kann? Oder was? Wenn indes gemeint war, dass sie seit einer Stunde weg sind, dann hätte man genau das schreiben sollen … Ich jedenfalls bin hin und weg ob dieses kreativen Umgangs mit unserer Sprache.

Bitte umblättern. Auf der Politik-Seite zwei hochinteressante Artikel. In dem Beitrag „Wenn der Münte Agenda-Reden schwingt …“ finden wir „in Frankfurt viele entgeisterte Gesichter.“ Man kann entgeistert dreinschauen, vielleicht findet man sogar entgeisterte Häuser, nachdem ein Ghost-Buster da war. Aber Gesichter …
Vielleicht waren die deshalb so entgeistert, weil die SPD „Agenda-Architekt Steinmeier und ihren ,Moses‘ Müntefering als Krisenmanager einsetzt“. Moses? Bei der Seefahrt ist der „lütte Moses“ der Jüngste und meist auch irgendwie Doofste an Bord. Der 67-jährige Ex- und neue Vorsitzende?

Den Agenda Architekt Steinmeier“ (anstatt den Agenda-Architekten) will ich mir noch gefallen lassen (das sagt und schreibt ja heutzutage eh jeder), so weh das meinen Ohren auch tut. Aber wie im Artikel: „Getroffen, aber nicht gebrochen“ auf derselben Seite dekliniert wird, das geht nun wirklich nicht!! „Schon vor Monaten habe er die Entscheidung getroffen, Frank-Walter Steinmeier als Kanzlerkandidat zu benennen.“ Der Kandidat, des Kandidaten, dem Kandidaten, den Kandidaten. Demzufolge: „… als Kanzlerkandidaten zu benennen.“ Als wen oder was. Grmpflsssmm. Das tut so weh!
Da kann einem der „sturzhafte Rücktritt“ und der Blick der Sozialdemokraten, der „stramm auf die Zukunft gerichtet“ ist, kaum noch was anhaben.

Zum Abschluss noch eine schöne fette Headline auf der Wirtschafts-Seite: „FDP: Sparkassen an WestLB kein Tabu“. Ist das deutsch? Oder mal wieder eine falsch eingedeutschte Redewendung aus französischen Kochbüchern, also wie: „Salat an Bohne“? Hallo! Erde an WAZ: „Wir sind hi-hier!“

9. September 2008

Irritiert über das Heft des Handelns und die Spreizung der Gesellschaft im ruhigen Fahrwasser

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 20:21

Kaum ist so ein Kurt Beck zurückgetreten, werden wieder reichlich Bilder bemüht. Wobei die Betonung auf „Mühe“ liegt. Und gerne purzeln sie durcheinander.
So ist auf Seite 3 davon die Rede, ob es „Steinmeier und Müntefering gelingt, den Kahn SPD wieder auf Kurs zu bringen“.
Und als ob das noch nicht schlimm genug wäre, und man doch schon so schön im sprachlichen Wasser planscht, wird dann noch von einem SPD-Mitglied berichtet, dass „sich auf ruhigeres Fahrwasser ein(stellt).“
Nun bedeutet aber die Redewendung, der oder das „ist im Fahrwasser von“, dass man jemandem nacheifert oder gar abhängig von ihm ist. Etwas völlig anderes ist es, wenn man sich freut, aus stürmischer See in ruhigere Gewässer zu kommen. Das heißt dann etwa, dass sich die Lage beruhigt, und das war wohl auch gemeint, mit dem Fahrwasser. Ein anderer Kommentator (Seite 2) hat das Problem übrigens umschifft, er fragt sich, „ob das neue Führungsduo die Partei auch inhaltlich wieder in ruhigere Gewässer steuern kann.“ (Wobei für mich allerdings neu ist, dass man die Wahl hat, formal oder inhaltlich zu steuern.)
Leider geht der Artikel aber noch weiter. Wir erfahren im Weiteren, dass „in der SPD nun mehr Disziplin, an der Spitze wie an den Flügeln“ erwartet wird, „zumal die Auswechselbank geräumt ist“. Wir hören, dass „Politik auch für junge politische Sprinter zu schnell geht“ und dass es nur gut sein kann, „wenn es denn die neue Spitze schaffe, die Flügel halbwegs auf Kurs zu bringen. Schön wär’s, sagt (das SPD-Mitglied) Stock nach all den Querelen, Talfahrten und dem ständigen Hauch von Mitleid …“ Ständiger Hauch von Mitleid? Den habe ich eher, wenn ich so was lesen muss. Und vor allem am Ende: „Junge Leute in Foren und Projekte einbinden … sie nicht als Alibi für eine Scheinverjüngung missbrauchen.“ Dieser Satz ist so verknotet, dass es schwer fällt, da überhaupt einen Sinn zu entdecken. Ein Alibi ist der Beweis dafür, dass man zur Tatzeit „anderswo“ gewesen ist. Daneben gibt es umgangssprachlich auch die „Alibifrau“ (einzige Frau in einem Männergremium) und darum meinetwegen auch „Alibijugendliche“ in einer vergreisten Partei. Aber wie die Jugendlichen als Alibi für eine Scheinverjüngung herhalten oder gar missbraucht werden können, das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.

Im Artikel: „Ein Putsch auf Raten“ (Seite 2) muss der arme Beck dann gleich zweimal Unmögliches vollbringen: „Allerdings konnte niemand außer ihm wissen, dass der Putsch gelingen würde, denn Beck hat ihn mit seinem Rücktritt erst selbst vollzogen.“ Demnach hat Beck gegen sich selbst geputscht (was dem Wesen eines Putsches radikal widerspricht) und konnte daher wissen, dass derselbige gelingen würde.
Es kommt indes noch schlimmer: „… ein politischer Mord im Orientexpress, bei dem viele einmal zugestochen haben, und auch Beck selbst.“ Ich stelle mir das gerne bildlich vor, wie ein Mordopfer, von vielen Messern gestochen, aus vielen Wunden blutend und mehr tot als lebendig, sich auch noch das Messer selbst irgendwo rein rammt (mich erinnert das an den alten Witz, wonach der Richter den Angeklagten fragt: „Sie wollen uns doch nicht im Ernst erzählen, Ihre Schwiegermutter sei Ihnen 23 mal ins Messer gefallen?“)
Und das, obwohl seinen Beratern daran lag, „ihm das Heft des Handelns in die Hand zu drücken.“ Wer das Heft in der Hand hat, der übt die Kontrolle aus, der hat alles im Griff. Im Schwertgriff übrigens, denn daher kommt die Redewendung, mit einem Schreibheft hat das nichts zu tun. Und woher nun das unsägliche „Heft des Handelns“ kommt (von dem ich nicht nur in der WAZ lesen oder hören musste), weiß der Geier. Deutsch ist das jedenfalls nicht.
Genauso wenig wie die Aussage, dass „Müntefering den Vorsitzenden mit einer brillanten Rede in einen nachtfarbenen Schatten gestellt“ hat, was man gegen Ende des Artikels noch lesen muss.

Gleich zweimal bekommen wir es heute mit der beliebten Universalpräposition „über“ zu tun: Auf der Titelseite ist der IG Metall-Chef „mehr als irritiert über den SPD-Führungswechsel“ und nicht etwa von ihm, und im Essener Lokalteil verkündet eine Headline: „Politik will klare Zahlen über die Philharmonie“.

Und darüber bin ich mindestens genauso irritiert wie über die „Spreizung der Gesellschaft in arm und reich“, die die Grünen auf der der Rhein-Ruhr-Seite beklagen. Hätte es nicht eine normale Spaltung auch getan? Zumal es die zwischen Arm und Reich ist. Entschuldigung, aber darüber musste ich mich jetzt einfach noch ein bisschen ausspreizen.

8. September 2008

Halb und halb mit überirdischer Heilkraft beladen

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 19:42

„Halb zog sie ihn, halb sank er hin“, schreibt der gute alte Johann Wolfgang von Goethe in seiner Ballade vom Fischer. Und, was macht die WAZ daraus? „Am Schluss fiel Kurt Beck halb hin, halb wurde er weggeputscht.“ So steht es heute auf der Titelseite. Knapp vorbei ist auch daneben. Der gute Kurt, er fiel ja nicht halb hin, sondern ganz. Und jemanden „wegputschen“ kann man weder halb noch ganz, weil es das Wort nicht gibt. Und von der Satzmelodie wollen wir mal komplett schweigen …

Aber nicht von der folgenden, die ist nämlich riesig: „Außenminister sind keine Rummelboxer. Außenminister sind auch keine Visionäre. Außenminister, das sind Handwerker. Außenminister sind die Tischler der Weltinnenpolitik. Außenminister ist Frank-Walter Steinmeier seit drei Jahren.
Er ist ein guter Außenminister. Frank Walter-Steinmeier ist der Sohn eines Tischlers.
Tischler haben die Füße auf dem Boden, genau wie die Werkstücke, die sie herstellen.“
So rummelt es im Kommentar auf Seite 2. Oje oje: Handwerker, Tischler der Weltinnenpolitik mit Füßen auf dem Boden, wie ihre Werkstücke. Kommentar überflüssig.

Doch können wir da noch einen drauf setzen: „Die zwei beliebtesten Sozialdemokraten der Republik, die in den vergangenen Wochen wechselweise mit der Erwartung überirdischer Heilkraft beladen worden waren …“ steht nämlich im Artikel daneben. Wie kann man jemanden mit einer Erwartung beladen? Und auch noch wechselweise? Tja, und dann hätten wir da noch die überirdische Heilkraft …

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