WAZblog Waz man seinen Lesern eigentlich nicht zumuten sollte …

8. November 2008

Hochkarätigste Unerträglichkeit ramponiert den Vertrauensvorrat in Politikergräben

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 00:29

Die Seite 2 hat es mal wieder in sich. Hier finden wir im Artikel über „Obamas Dreamteam“ einen überraschenden Superlativ: „In Washington dreht sich das hochkarätigste Personalkarussell“. Wie steigert man hochkarätig? Zugegeben: „höherkarätig“ bzw. „höchstkarätig“ klingt auch doof. Aber muss man deshalb gleich zu einem Neologismus greifen? Vielleicht sollte man hier einfach mal nicht steigern, weder „hoch“ noch „karätig“, denn ich wüsste nicht mal von Gold, dass es hoch-, höher oder am höchstkarätigsten wäre.

Man möchte fast mit den Worten des ersten Kommentators sagen: „diese hessischen Verhältnisse näherten sich der Unerträglichkeit“. Das finde ich auch! Zumal, wenn dann noch formuliert wird: „… eine Große Koalition hätte … den Vertrauensvorrat der SPD noch mehr ramponiert.“ Denn eine Vertrauensvorschuss wird aufgebraucht, indes ein Ansehen ramponiert, aber bei der WAZ kann man das natürlich vereinfachen und zu einem Ausdruck zusammen ziehen.
Ähnlich ist es mit den „geifernden SPD Kontrahenten“, womit vermutlich keine Kontrahenten der SPD (wie der Ausdruck nahelegt), sondern entsprechende innerhalb der Partei gemeint sind, denn der nächste Satz lautet: „Was sich derzeit zwischen den Lagern der Ypsilanti-Getreuen und dem Umfeld der Abweichler an Gift und Galle abspielt“, was aber wiederum Blödsinn ist, denn Gift und Galle spielt sich nicht ab, sondern wird gespuckt (auch wenn es unappetitlicher sein sollte).
Und wenn ich den letzte Satz lese, hätte ich sogar Lust dazu: „Aber zum Ansehen einer Partei … gereicht es in gar keinem Fall.“ Denn wenn etwas gereicht, dann normalerweise zur Ehre, zum Ansehen könnte es allenfalls reichen.

Leider ist der andere Kommentar auf der Seite auch nicht besser. Der beginnt mit dem Satz: „Man liest viel über die Erwartungen, die Barack Obama in der Welt geweckt hat, immer mit der Frage unterlegt, ob er diese wird erfüllen können.“ Nachdem man es sich gestern noch „jenseits der Frage“ schwer getan hat, wird heute was mit einer Frage unterlegt …
Aber es kommt noch schlimmer: „Politiker aller Parteien klettern aus ihren Gräben …“ und, nachdem sie einige Zeit draußen waren, „müssen Bundesbürger zusehen, wie die einheimischen Politiker wieder in ihre Parteigräben steigen, um sich von dort aus gegenseitig mit Forderungen und Kritik zu bewerfen.“ He, das ist wirklich witzig! An so manchem WAZ-Kommentator ist wahrhaft ein Komiker verloren gegangen. Da klettern die erst aus den Gräben, in die sie anschließend wieder steigen, und fangen dort an, sich gegenseitig zu bewerfen. Und nicht etwa mit Schmutz oder Erdklumpen. Sondern mit Forderungen und Kritik. Da sage noch einer, unsere Politiker seien unfähig!
Oder gar: „In der Bundesrepublik sinkt das Interesse an Politik in Erdnähe!“ Leider wird das aber gesagt. Und zwar im selben Kommentar, eine Zeile weiter. Und was soll die arme Politik nun machen, wo das Interesse an ihr in Erdnähe sinkt? (Vermutlich wegen der Anziehungskraft der Erde.) Sich in höhere Sphären begeben? Auf den Mond ausweichen? Oder lieber versuchen, das Interesse auf Erdnähe zu bringen? Klingt aber auch nicht besonders überzeugend …
Aber vielleicht das hier: „Obamas Worte sind bislang nur Worte, und noch stellt der künftige Präsident eine Projektionsfläche dar. Aber diese Projektionsfläche zieht Sehnsüchte an, die keiner Nationalität unterworfen sind.“ Das kann ja auch gar nicht gehen, denn ich kenne eigentlich keine Sehnsüchte, die irgendeiner Nationalität unterworfen sind. Ganz zu schweigen von einer Projektionsfläche, die Sehsüchte anzieht.
Dabei wären „in diesen geldgierigen armen Zeiten … viele Deutsche womöglich schon froh, wenn sie überhaupt eine Projektionsfläche hätten“, heißt es weiter. Warum? Weil sie diese dann verkaufen könnten? Und seit wann sind arme Zeiten geldgierig? Oder geldgierige Zeiten arm? Und was soll das alles überhaupt heißen?
Aber jetzt „starren“ die Deutschen auf „Leinwände, auf denen Politiker über Erbschaftssteuer, Linkspartei und all die kleinen Schrauben sprechen, an denen sie eines Tages drehen werden …“ Da wäre ich doch jetzt richtig froh, wenn ich jetzt eine Projektionsfläche hätte, die mir zeigen könnte, was die Erbschaftssteuer mit der Linkspartei und kleinen Schrauben zu tun hat! Aber wo ist das Ding hin? Vermutlich verhökert! Und zwar von armen geldgierigen Zeiten!

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