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2. November 2008

Schutzschirme und Rettungsschirme, unter die man sich stellen kann

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 00:25

Seite ein paar Tagen überspannt er alle Medien – und WAZ natürlich auch: Der Rettungsschirm. Was mag das für ein merkwürdiges Utensil sein? Vielleicht eine Art Fallschirm? Ähnlich einem Rettungsboot, nur jetzt für Flugzeuge?
Der Duden kennt ihn leider gar nicht: da gibt es Rettungssanitäter, gar einen Rettungsschuss und schließlich Rettungsschwimmer – Rettungsschirme müssen also eine Wortneuschöpfung sein. Doch wer hat’s erfunden? Die Schweizer diesmal nicht, die WAZ auch nicht, ich vermute, dass hier mal irgendwo ein übereifriger Reporter die Synthese aus Rettungspaket (von dem ja immer die Rede war) und Schutzschirm gebildet hat.
Und da die WAZ natürlich jeden sprachlichen Blödsinn schnellstmöglich übernimmt, wimmelt es seit ein paar Tagen von Schutz- und Rettungsschirmen, die mehr oder weniger synonym verwendet werden.
So auch in der Samstags-WAZ: „Grund war wohl, dass die Banken negative Reaktionen befürchteten, wenn sie sich unter den Rettungsschirm stellen“, heißt es im Kommentar auf der Wirtschaftsseite. Also, liebe Banken: Wenn Ihr – resp. Eure Börsenkurse – mal wieder im freien Fall seid: Vergesst das Rettungspaket und stellt Euch einfach unter einen Fallschirm!

Darum nimmt die WAZ im Kommentar auf Seite 2 einen anderen Schirm: „Die komplexe Struktur des Drei-Parteien-Systems wirkt wie ein Schutzschirm für schwache Kabinettsmitglieder“. Das will ich mir jetzt mal nicht auf der Zunge, sondern lieber eine weitere interessante Formulierung vorstellen: „Bei einer Durchsage an der Bahnsteigkante …“ – mit diesen Worten beginnt der Kommentar. Da ist dem Autor jetzt ein bisschen was durcheinander geraten: Die Durchsagen hört man am Bahnsteig, nicht an der Kante (selbst wenn es eine „klare“ sein sollte). Und die entsprechende Durchsage lautet dann häufig: „Vorsicht an der Bahnsteigkante!“ Aber deswegen ist es eben noch lange keine Durchsage an der Bahnsteigkante …
Wir haben noch mehr in besagtem Kommentar. Eine falsche Trennung: „Bonus-Zahl- (nächste Zeile) ungen“ und dann noch ein schön daneben geratenes Sprachbild: „Auch dieser Tage scheint ihm ein klarer Kompass zu fehlen“. Unklare Kompasse kenne ich eigentlich nicht, aber vielleicht war hier der Kompass gemeint, der den Weg – vorbei an der klaren Kante – bis unter den Rettungsschirm führt, unter den wir uns stellen wollen, während das Rettungspaket den Schutzschirm auslöst.

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