WAZblog Waz man seinen Lesern eigentlich nicht zumuten sollte …

10. November 2008

Wenn die Geschichte wabert, muss man ruhiges Blut wahren und keine Flinte ins Korn werfen

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 22:13

Es gibt feststehende Redensarten, warum nur ändert man so gern daran herum? So heißt es z.B., man solle ruhig Blut (be)wahren (wenn man aufgeregt ist oder überdreht oder so).
WAZ macht unsere Lieblingszeitung daraus? Im Kommentar auf der Titelseite: „Es fällt schwer … ruhiges Blut zu bewahren“. Natürlich muss man sich schon ein bisschen mit den „Feinheiten der deutschen Sprache“ auskennen, um das auseinander zu halten, und das kann man von einem WAZ-Autor mit seinem unruhigen Blut vermutlich kaum erwarten.
Anscheinend kennt die die Nicht-Ministerpräsidentin von Hessen aber auch nicht: Laut WAZ lächelte sie „in die Fernsehkameras, sie werfe keine Flinte ins Korn.“ Die Redensart heißt tatsächlich in etwa so: „Ich werde nicht gleich die Flinte ins Korn werfen!“ (aber natürlich gibt es noch etliche Abwandlungen.) Aber keine Flinte ins Korn zu werfen, bedeutet nun leider etwas völlig anderes. Entweder: ich werfe alles andere ins Korn, nur keine Flinte, oder: ich habe eine ganze Menge Flinten, aber keine davon werfe ich. Beides bedeutet dann eben nicht: „ich gebe nicht auf, ich resigniere nicht“, sondern eher: „Ich kann noch ganz anders resignieren“ oder: „selbst wenn ich resigniere, kann ich noch was anderes machen!“ Also: Lasst mir doch bitte die Redensarten in Ruhe!

Denn auch ohne den eigenwilligen Umgang mit Redensarten kann so einiges daneben gehen, wie z.B. auf der Welt-Seite: „In dem neuen Fall hatte sich der Schaffner auch nicht erweichen lassen, als die 13-jährige ihm unter Tränen versicherte, weder über Geld noch über ein Handy für einen Anruf zuhause zu verfügen.“ Wer kann mir erklären, worüber sie nun alles nicht verfügte? Also das mit dem Geld, das ist noch einigermaßen klar. Darüber verfügte sie nicht. Weder im Zug noch zuhause. Aber das Handy. War das jetzt zuhause oder war der Anruf zuhause? Oder der Anruf an zu Hause? Nee, das kann gar nicht sein. Vielleicht hatte sie aber auch kein Geld, um mit dem Handy zuhause zu telefonieren. Aber das wäre ja irgendwie unlogisch. Oder gibt es einen Anruf zuhause? Wäre mir neu. Vielleicht hätte sie es einfach wie E.T. machen sollen: „nach Hause telefonieren“.

Ja, und jetzt haben wir noch den Clement auf der Wirtschaftsseite. Erinnern Sie sich? Der war mal Ministerpräsident in diesem unserem Lande. Dann hat er irgendwie was Falsches gesagt und ein Parteiordnungsverfahren bekommen. Heute redet er in der WAZ und bekommt dafür von mir ein Sprachordnungsverfahren.
Herr Clement, was haben Sie sich bei dem Satz gedacht: „Ich bin froh, dass Herr Lafontaine in Hessen eine Abfuhr erlebt hat.“ Na klar, so gut wie nichts, denn sonst hätte Ihnen auffallen müssen, dass man eine Abfuhr erteilt bekommt.
Der nächste Satz ist dann aber auch nicht besser. „Natürlich mussten die Regierungen jetzt in das Bankendesaster eingreifen und für eine neue Ordnung, neue Regeln sorgen.“ Wie soll man bitte in ein Desaster eingreifen? Wissen Sie auch nicht? Und darum setzen Sie mit der Bemerkung nach: „Das ist schlicht so, denn jeder Markt braucht eine Ordnung.“ Wie sollen wir das jetzt verstehen: ist es schlicht so, oder ist es schlicht so? Und: Halten Sie das für Deutsch? Oder gar für eine Erläuterung?
Und dann das hier: „Wir sollten uns stattdessen auf die Grundregeln der sozialen Marktwirtschaft besinnen und sie möglichst über unseren Kontinent hinaus zur Wirkung bringen.“ Bitte, wie bringt man Grundregeln zur Wirkung?
Ist klar, darauf haben Sie auch keine Antwort. Stattdessen reden Sie im nächsten Absatz Folgendes: „Der Infrastrukturteil im Compositum Mixtum der Bundesregierung ist viel zu wenig, das wird gegen eine massive Wirtschaftsschwäche nicht reichen.“ Das mit dem Compositum Mixtum war ja echt beeindruckend, aber der Rest des Satzes … (Schauder!) Wie soll etwas gegen eine Schwäche reichen? Und was ist bitte eine massive Schwäche, ist das nicht irgendwie eine Contradictio in adiecto? Sozusagen ein Lapsus Linguae? (Sehen Sie, auch ich kann ein bisschen Latein …)
Ja, und dann wollen Sie noch „gemeinsam mit den Mitgliedsstaaten ein 700-Milliarden-Programm schnüren“. Clement! Pakete kann man schnüren, Programme aber, die kann man höchstens erarbeiten, wie soll man die je schnüren?
Tut mir leid, aber die Sprachschiedskommission muss Sie nun leider von der deutschen Sprache ausschließen! Ihre Grammatik und Ihr Wörterbuch werden eingezogen und vernichtet!

Jetzt brauche ich eine Trennung, damit ich mit einem anderen Thema weiter machen kann. Aber WAZ kriege ich da? Im Artikel direkt unter dem Clement-Interview: „Allerdings gibt die … Sparneigung Anlass zur Sorge, ob dies allen- (neue Zeile) möglich ist. (Aber in dem Artikel steht ja auch, dass in den USA „Einkommen und Vermögen weit ungleicher verteilt (sind) als in Deutschland“. Ungleich, ungleicher, weit ungleicher, am ungleichsten. Die Animal Farm kannte auch Tiere, die gleicher sind als andere, warum also auch nicht „weit ungleicher“?)
Kommen wir zurück zu meiner Trennung, diese war leider unbrauchbar. Da finde ich auf der nächsten Seite: „Das ist die günst- (neue Zeile) igste Art und Weise …“

Also muss ich ohne vernüftige Trennung weitermachen. Und dabei kommt ja jetzt so etwas Wichtiges wie Historie. Die macht aber was ganz Merkwürdiges auf der Kulturseite: „Überall wabert Geschichte“ heißt es in der fetten Headline. Wie macht die das bloß? Rauch kann wabern, Bodennebel, ja sogar Ektoplasma, aber Geschichte?
Na gut, versuchen wir es mit einfacheren Dingen, einem Genitiv vielleicht. „Hier, im alten Stadthaus des Sultan, liegt das Büro der Kulturhauptstadt …“ muss ich da lesen. Vielleicht waberte da gerade kein Genitiv-S vorbei?

Um es mit der WAZ zu sagen: „Soviel Potenzial ist schwer unter ein Dach zu bekommen.“ (Es unter einem Dach zu bekommen, klingt irgendwie besser, ist aber wohl nicht gemeint.) Da kommen wir (nachdem wir die „angestaubten Schätze zu polieren“ hatten) lieber auf Folgendes zurück: „Überall wabert Geschichte, mancherorts verfällt sie.“ Wie wahr!

Häufig verfällt aber auch die Sprache. Wie in dem folgenden Beispiel. Eine ganze Seite in der WAZ, „Rhein-Ruhr“, mit dem Titel „Die Halde ruft“. Hier finden wir ganz merkwürdige Formulierungen, geboren offenbar aus dem Wunsche, möglichst volksnah zu schreiben. Vielleicht hat man den WAZ-Schreibern aber auch gesagt, sie sollen „schreiben, wie man spricht“, und dann kommt leider sowas dabei heraus (ich werde es, soweit es mir möglich ist, unkommentiert dokumentieren, und frage mich, ob nur ich Probleme damit habe):
„Es war eine Eröffnungsveranstaltung voll solcher Reden, dass links und rechts von einem die Superlative nur so einschlugen.“
„Aus Jahrzehnten Bergbau liegen hier 300 Millionen Tonnen Gestein aufgeschüttet, das kriegt man ja immer so schlecht weg, also machten sie lieber gleich was Vernünftiges daraus, die EU und das Land und der Regionalverband Ruhr …“
„Es ist eine freundliche Mittagsstunde, und sie, tausende: wandern, laufen, spazieren, joggen, gehen, tollen herum, bevölkern die Wege, kraxeln bergan, mit Hund und ohne, mit und ohne Fahrrad, allein und zu zweit, manche im Pendelbus, manche mit Lenkdrachen, oben, 155 Meter über N.N., wo es trefflich zugig ist.“
(manche kraxeln demnach im Pendelbus bergan und joggen mit Lenkdrachen, oben, wo es trefflich zugig ist.)
„Sie gucken von dem Hochplateau und sehen unter anderm:“
(wenigstens: unter anderem!)
„Das hier wird der neue Silvestertreffpunkt des Ruhrgebiets, wenn die ganzen Raketen explodieren da unten.“
„Ach, es geht ja nicht nur um einen neuen Park, es geht hier um das Bewusstsein seiner selbst: Denn bis vor, sagen wir, 15 Jahren, hat das Ruhrgebiet seine Bergehalden begrünt und unsichtbar zu machen versucht, schließlich sahen sie so schrecklich aus, nämlich irgendwie nach Ruhrgebiet, ging gar nicht …“
(Bewusstsein wessen selbst? Meiner? Deiner? Des Parks? Und das ging gar nicht …!)
„Erst seitdem sind die Halden erkannt als das, was kein anderer hat …“
(Hier schlösse jetzt ein „nämlich“ zwingend an, kommt aber keins. Sie wurden nur erkannt als das, was kein anderer hat. Hä?)
Und das wabert nun alles durch die deutsche Sprache, und ich soll ruhiges Blut bewahren und keine Flinte ins Korn werfen! Geht gar nicht, denn hört sich irgendwie nach WAZ an!

21. November 2008

Ein Lied wird trompetet, ein Preis verteuert und ein Scherbenhaufen aufgetürmt

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 22:12

Kann man ein Lied trompeten? Man kann! Auch wenn Sie und Wikipedia vielleicht der Meinung sein sollten, dass Lieder gesungen werden: „Ausgerechnet die Regierung, die das Lied vom zukünftigen Spitzenreiter NRW trompetet, hat den Abstieg zu verantworten“, posaunt die Grünen-Fraktionschefin laut WAZ auf Seite 2.

Auf derselben Seite wieder mal ein unmöglicher Komparativ, also ein Wazarativ: „Ungleicher kann das Kräfteverhältnis kaum ausfallen.“ Das möchte man meinen, denn ungleich ist ungleich und ungleicher kann etwas genauso wenig sein wie gleicher; Letzteres funktioniert allenfalls in der „Animal Farm“. (Moment – das hatten wir doch schon mal?)

Auf der Politik-Seite hadern wir dann mal wieder mit der Deklination. So müssen wir in der Unterzeile des Aufmachers lesen: „Zwei Arbeitslose wollen Hartz-4-Bezieher in einem Ratgeber erklären, wie man sich auch mit wenig Geld … ernähren kann“. Wem wollen sie das erklären, wenn überhaupt? Den Beziehern! Das erläutere ich jetzt sofort die Autoren bei der WAZ!

Kommen wir zur Wirtschaft. Hier wird mal wieder „das Öl verknappt und der Preis verteuert.“ Geht aber nicht. Das Öl wird teurer und entsprechend wird der Preis erhöht! Ein Preis kann nicht teurer werden, weil niemand einen Preis kaufen will! Aus demselben Grund kann er auch nicht billiger werden, und wenn uns das die Diskounter noch so oft einreden wollen.

Kommen wir nun zu dem Scherbenhaufen, den man gestern noch zusammenkehren wollte. Heute liest sich das auf der Kulturseite wie folgt: „Der Scherbenhaufen, den die Kulturpolitik in unserer Stadt aufgetürmt hat, hätte … vermieden werden können.“
Finde ich auch, zumal er viel ungleicher ist als der von Gestern.

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