WAZblog Waz man seinen Lesern eigentlich nicht zumuten sollte …

13. November 2008

Weicher Punkt hat einen tiefen Spalt durch Deutschland gezogen

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 00:31

Wir kennen Tagesordnungspunkte, Gesichtspunkte, ja sogar Knackpunkte. Aber was ist das hier? Heute im WAZ-Kommentar auf Seite 2: „Es gibt kein Endlager für hochradioaktive Abfälle. Dies ist der weiche Punkt in der deutschen Debatte über den Ausstieg aus dem Atomausstieg.“ Ein weicher Punkt. Wenn man drauf drückt, quietscht es, oder wie? Und wie kommt so etwas in eine Debatte? Werden wir es je erfahren?
Es kommt aber noch schlimmer, denn: „Dies ist das Kainsmal einer Technologie, die Strom erzeugt und dabei vergleichsweise wenig klimaschädliches Kohlendioxid produziert.“ Was für ein Mal? Wer einigermaßen bibelfest ist, der weiß, dass Kain seinen Bruder Abel erschlug und danach vom Herrn mit einem Zeichen versehen wurde, „damit ihn keiner erschlage, der ihn finde“. Das Kainsmal ist daher also „sowohl das Erkennungszeichen des Mörders als auch ein Schutzzeichen, das ihn vor einem gewaltsamen Tode bewahrt“, wie man bei Wikipedia erfahren kann. Was hat das nun alles mit einem Endlager zu tun, das es nicht gibt und deswegen einer weicher Punkt ist?
Zumal „der Streit um die Nutzung der Atomkraft einen tiefen Spalt durch Deutschland gezogen“ hat. Gräben, die kann man ziehen. Meinetwegen sogar quer durch Deutschland. Was machen wir nun aber mit dem Spalt, der sich normalerweise auftut?
Ein echtes Dilemma! Doch trösten wir uns, denn „in einem noch viel tieferen Dilemma steckt die SPD, die sich am Atomausstieg festgekettet hat.“ Dass sich Atomkraftgegner bisweilen irgendwo anketten, ist bekannt, aber wie kettet man sich an einem Atomausstieg fest?
Fragen über Fragen. Und das Schlimme ist: „Auf Antworten dürfen wir in dieser Legislaturperiode nicht mehr hoffen. Typisch für das Atomthema, vor dem man die Augen verschließt.“
Ich fürchte, das ist auch das Beste, was man angesichts eines solchen Artikel tun kann!

11. November 2008

Das politische Jahr wurde übermäßig verschattet, drängende Probleme verschleppt, Kinder gehören nicht in Armut, die Krise spielt in die Karten, Gemüter werden gespalten und ein OB belustigt sich über Inszenierungen

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 20:46

Dass manchmal bestimmte Ereignisse von anderen überschattet werden, weiß man. Durch den heutigen Kommentar auf Seite 2 jedoch sind wir schlauer, „weil das quälende Schauspiel um Andrea Ypsilanti und Roland Koch, um Wortbruch und Linkspartei, um rechte und linke SPD sowie Abweichler das zu Ende gehende politische Jahr übermäßig verschattet hat.“ Ja, warum wird denn jetzt da nicht „über“ benutzt? Wo wir es doch sonst so gern überall einbauen. Vielleicht, weil „verschatten“ dramatischer klingt. Oder auch, weil dann das zweimalige „über“ eben überzählig gewesen wäre (mal abgesehen davon, dass übermäßig hier auch schon über war).
Dabei hat die Autorin in dieser Hinsicht sonst weniger Skrupel. Zählen Sie doch einmal, wie oft im vorletzten Absatz dieses Kommentars das Wörtchen „um“ benutzt wird: „Viele treibt in dieser krisenschweren Zeit die Sorge um den Arbeitsplatz um, und dabei geht es nicht nur um das Geld, das nicht mehr zu verdienen wäre, sondern auch um den Arbeitsplatz selbst. Es geht um die tägliche Aufgabe von Menschen ebenso wie um ihre Aufgehobenheit in einer sozialen Umgebung.“ (Hier ist darüber hinaus interessant, dass man zuerst meint, viele treibe die Sorge um, während tatsächlich gesagt wird, es treibt sie die Sorge um … um)
Aber „wenn man entschlossen davon absieht“, wie es im Absatz davor heißt, dann stört das wohl nicht weiter. Genauso entschlossen sehe ich jetzt davon ab, „dass im Jahr der Bundestagswahl ein Barack Obama vom Himmel über Berlin steigt“.

Denn auf derselben Seite geschehen noch andere merkwürdige Dinge. „Die USA sind aus der Erstarrung erwacht. Drängende Probleme wurden verschleppt„, steht da recht groß in der Unterzeile des Aufmachers. Liebe USA, wenn Ihr schon aus der Erstarrung erwacht, anstatt Euch wie alle anderen daraus zu lösen, dann verschleppt wenigstens nicht die Probleme. Wie, habt Ihr gar nicht? Ihr habt nur die Lösung verschleppt?
Schlimm genug, „doch auch da zeigt sich nun, dass die Panikpakete, die der Kongress mit den Stimmen beider Parteien auf den Weg brachte, allzu hektisch gepackt worden sind.“ Na fein. Jetzt haben wir neben den Rettungsschirmen (und -paketen) auch noch die Panikpakete. Jetzt warte ich noch auf die Panikschirme. Und, wie man selbige auf den Weg bringt, das wüsste ich auch gern.

Auf der Politik-Seite (unter der Überschrift „Linkspartei will Unruhe stiften“) haben wir dann die Frau van Dinther, ihres Zeichens Landtagspräsidentin (hab ich auch nicht gewusst), die auf die Frage, ob es in Deutschland sozial ungerechter geworden sei, Äußerungen von sich gibt, wie: „Das ist eher gefühlt so.“ Ist das Deutsch? Gefühlt eher nicht.
Und kurz danach bemerkt sie: „Kinder gehören nicht in Armut.“ Ich bin ja fast dankbar, dass sie nicht gesagt hat: „Kinder gehören nicht in Armut hin“. Denn das hätte mich all zu sehr an den schönen Vers erinnert: „Alkohol und Nikotin gehört nicht nach der Schule hin“.

Kommen wir zur Wirtschaft. Hier „fragt (man) sich, wie viele Jahre die Wirklichkeit noch braucht, um die Rituale zu entzaubern. Oder braucht es einen Streik, sie aufzufrischen?“ Vor allem frage ich mich, wie Rituale überhaupt entzaubert werden können, wie die Wirklichkeit das erledigen soll und wie ein Streik sie auffrischen könnte.
Und nicht zuletzt frage ich mich, „wie sehr sie (die IG Metall) in der Defensive steht.“ Ich wusste nämlich bisher noch gar nicht, dass man in da drin auch stehen kann …
Ein paar Zeilen weiter folgt dann etwas, wofür ich noch keinen richtigen Begriff habe: Das Zusammenziehen von zwei Redewendungen oder Ausdrücken zu einem. Ein sprachliches Phänomen, das die WAZ hegt und pflegt, so dass man es den „doppelten WAZberger“ nennen könnte. „Den Arbeitgebern spielt die Krise in die Karten“. Redewendung 1: Jemand guckt jemandem in die Karten. Redewendung 2: Jemand (oder etwas) spielt jemandem in die Hände. Waz-Double: Man spielt in die Karten. Toll, nicht wahr?

Auf der Sportseite „hat sich mittlerweile ein explosives Gemisch aus frustrierten Fanseelen und einem gekränkten Präsidenten auf Liebesentzug gebildet, das die Wedau flächendeckend zum Pulverfass macht.“ He, das ist mal was! Ein Gemisch aus Seelen und Präsidenten wird zum Pulverfass. Und auch noch flächendeckend!

Sensationelle Erkenntnis auf der Seite WAZ-Extra: „Tsunamis gab es schon in der Antike“. Und ich dachte immer, sie wären eine Folge des CO2-Ausstoßes oder der Atomkraftwerke!

Auf der Essener Lokalseite ein kleiner Skandal: „Der Start des neuen Essener ‚Ring des Nibelungen‘ spaltet die Gemüter.“ Das hätte jetzt ein weiterer schöner WAZberger werden können, wenn sich wenigstens die Geister spalten könnten. Leider können die sich aber nur an irgendwas scheiden, während sich die Gemüter erhitzen.
Außerdem hat da der Essener Oberbürgermeister auch noch ein Wörtchen mitzureden: „Ich belustige mich eher über solche Inszenierungen …“ Allerdings kann man sich höchstens über solche Inszenierungen lustig machen oder belustigt sein, und dann am besten ohne Präposition, zumindest aber nicht schon wieder „über“! Sonst ist die deutsche Sprache übermäßig verschattet, wenn nicht gar verschleppt und ich muss mich gar über das Ganze belustigen!

10. November 2008

Wenn die Geschichte wabert, muss man ruhiges Blut wahren und keine Flinte ins Korn werfen

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 22:13

Es gibt feststehende Redensarten, warum nur ändert man so gern daran herum? So heißt es z.B., man solle ruhig Blut (be)wahren (wenn man aufgeregt ist oder überdreht oder so).
WAZ macht unsere Lieblingszeitung daraus? Im Kommentar auf der Titelseite: „Es fällt schwer … ruhiges Blut zu bewahren“. Natürlich muss man sich schon ein bisschen mit den „Feinheiten der deutschen Sprache“ auskennen, um das auseinander zu halten, und das kann man von einem WAZ-Autor mit seinem unruhigen Blut vermutlich kaum erwarten.
Anscheinend kennt die die Nicht-Ministerpräsidentin von Hessen aber auch nicht: Laut WAZ lächelte sie „in die Fernsehkameras, sie werfe keine Flinte ins Korn.“ Die Redensart heißt tatsächlich in etwa so: „Ich werde nicht gleich die Flinte ins Korn werfen!“ (aber natürlich gibt es noch etliche Abwandlungen.) Aber keine Flinte ins Korn zu werfen, bedeutet nun leider etwas völlig anderes. Entweder: ich werfe alles andere ins Korn, nur keine Flinte, oder: ich habe eine ganze Menge Flinten, aber keine davon werfe ich. Beides bedeutet dann eben nicht: „ich gebe nicht auf, ich resigniere nicht“, sondern eher: „Ich kann noch ganz anders resignieren“ oder: „selbst wenn ich resigniere, kann ich noch was anderes machen!“ Also: Lasst mir doch bitte die Redensarten in Ruhe!

Denn auch ohne den eigenwilligen Umgang mit Redensarten kann so einiges daneben gehen, wie z.B. auf der Welt-Seite: „In dem neuen Fall hatte sich der Schaffner auch nicht erweichen lassen, als die 13-jährige ihm unter Tränen versicherte, weder über Geld noch über ein Handy für einen Anruf zuhause zu verfügen.“ Wer kann mir erklären, worüber sie nun alles nicht verfügte? Also das mit dem Geld, das ist noch einigermaßen klar. Darüber verfügte sie nicht. Weder im Zug noch zuhause. Aber das Handy. War das jetzt zuhause oder war der Anruf zuhause? Oder der Anruf an zu Hause? Nee, das kann gar nicht sein. Vielleicht hatte sie aber auch kein Geld, um mit dem Handy zuhause zu telefonieren. Aber das wäre ja irgendwie unlogisch. Oder gibt es einen Anruf zuhause? Wäre mir neu. Vielleicht hätte sie es einfach wie E.T. machen sollen: „nach Hause telefonieren“.

Ja, und jetzt haben wir noch den Clement auf der Wirtschaftsseite. Erinnern Sie sich? Der war mal Ministerpräsident in diesem unserem Lande. Dann hat er irgendwie was Falsches gesagt und ein Parteiordnungsverfahren bekommen. Heute redet er in der WAZ und bekommt dafür von mir ein Sprachordnungsverfahren.
Herr Clement, was haben Sie sich bei dem Satz gedacht: „Ich bin froh, dass Herr Lafontaine in Hessen eine Abfuhr erlebt hat.“ Na klar, so gut wie nichts, denn sonst hätte Ihnen auffallen müssen, dass man eine Abfuhr erteilt bekommt.
Der nächste Satz ist dann aber auch nicht besser. „Natürlich mussten die Regierungen jetzt in das Bankendesaster eingreifen und für eine neue Ordnung, neue Regeln sorgen.“ Wie soll man bitte in ein Desaster eingreifen? Wissen Sie auch nicht? Und darum setzen Sie mit der Bemerkung nach: „Das ist schlicht so, denn jeder Markt braucht eine Ordnung.“ Wie sollen wir das jetzt verstehen: ist es schlicht so, oder ist es schlicht so? Und: Halten Sie das für Deutsch? Oder gar für eine Erläuterung?
Und dann das hier: „Wir sollten uns stattdessen auf die Grundregeln der sozialen Marktwirtschaft besinnen und sie möglichst über unseren Kontinent hinaus zur Wirkung bringen.“ Bitte, wie bringt man Grundregeln zur Wirkung?
Ist klar, darauf haben Sie auch keine Antwort. Stattdessen reden Sie im nächsten Absatz Folgendes: „Der Infrastrukturteil im Compositum Mixtum der Bundesregierung ist viel zu wenig, das wird gegen eine massive Wirtschaftsschwäche nicht reichen.“ Das mit dem Compositum Mixtum war ja echt beeindruckend, aber der Rest des Satzes … (Schauder!) Wie soll etwas gegen eine Schwäche reichen? Und was ist bitte eine massive Schwäche, ist das nicht irgendwie eine Contradictio in adiecto? Sozusagen ein Lapsus Linguae? (Sehen Sie, auch ich kann ein bisschen Latein …)
Ja, und dann wollen Sie noch „gemeinsam mit den Mitgliedsstaaten ein 700-Milliarden-Programm schnüren“. Clement! Pakete kann man schnüren, Programme aber, die kann man höchstens erarbeiten, wie soll man die je schnüren?
Tut mir leid, aber die Sprachschiedskommission muss Sie nun leider von der deutschen Sprache ausschließen! Ihre Grammatik und Ihr Wörterbuch werden eingezogen und vernichtet!

Jetzt brauche ich eine Trennung, damit ich mit einem anderen Thema weiter machen kann. Aber WAZ kriege ich da? Im Artikel direkt unter dem Clement-Interview: „Allerdings gibt die … Sparneigung Anlass zur Sorge, ob dies allen- (neue Zeile) möglich ist. (Aber in dem Artikel steht ja auch, dass in den USA „Einkommen und Vermögen weit ungleicher verteilt (sind) als in Deutschland“. Ungleich, ungleicher, weit ungleicher, am ungleichsten. Die Animal Farm kannte auch Tiere, die gleicher sind als andere, warum also auch nicht „weit ungleicher“?)
Kommen wir zurück zu meiner Trennung, diese war leider unbrauchbar. Da finde ich auf der nächsten Seite: „Das ist die günst- (neue Zeile) igste Art und Weise …“

Also muss ich ohne vernüftige Trennung weitermachen. Und dabei kommt ja jetzt so etwas Wichtiges wie Historie. Die macht aber was ganz Merkwürdiges auf der Kulturseite: „Überall wabert Geschichte“ heißt es in der fetten Headline. Wie macht die das bloß? Rauch kann wabern, Bodennebel, ja sogar Ektoplasma, aber Geschichte?
Na gut, versuchen wir es mit einfacheren Dingen, einem Genitiv vielleicht. „Hier, im alten Stadthaus des Sultan, liegt das Büro der Kulturhauptstadt …“ muss ich da lesen. Vielleicht waberte da gerade kein Genitiv-S vorbei?

Um es mit der WAZ zu sagen: „Soviel Potenzial ist schwer unter ein Dach zu bekommen.“ (Es unter einem Dach zu bekommen, klingt irgendwie besser, ist aber wohl nicht gemeint.) Da kommen wir (nachdem wir die „angestaubten Schätze zu polieren“ hatten) lieber auf Folgendes zurück: „Überall wabert Geschichte, mancherorts verfällt sie.“ Wie wahr!

Häufig verfällt aber auch die Sprache. Wie in dem folgenden Beispiel. Eine ganze Seite in der WAZ, „Rhein-Ruhr“, mit dem Titel „Die Halde ruft“. Hier finden wir ganz merkwürdige Formulierungen, geboren offenbar aus dem Wunsche, möglichst volksnah zu schreiben. Vielleicht hat man den WAZ-Schreibern aber auch gesagt, sie sollen „schreiben, wie man spricht“, und dann kommt leider sowas dabei heraus (ich werde es, soweit es mir möglich ist, unkommentiert dokumentieren, und frage mich, ob nur ich Probleme damit habe):
„Es war eine Eröffnungsveranstaltung voll solcher Reden, dass links und rechts von einem die Superlative nur so einschlugen.“
„Aus Jahrzehnten Bergbau liegen hier 300 Millionen Tonnen Gestein aufgeschüttet, das kriegt man ja immer so schlecht weg, also machten sie lieber gleich was Vernünftiges daraus, die EU und das Land und der Regionalverband Ruhr …“
„Es ist eine freundliche Mittagsstunde, und sie, tausende: wandern, laufen, spazieren, joggen, gehen, tollen herum, bevölkern die Wege, kraxeln bergan, mit Hund und ohne, mit und ohne Fahrrad, allein und zu zweit, manche im Pendelbus, manche mit Lenkdrachen, oben, 155 Meter über N.N., wo es trefflich zugig ist.“
(manche kraxeln demnach im Pendelbus bergan und joggen mit Lenkdrachen, oben, wo es trefflich zugig ist.)
„Sie gucken von dem Hochplateau und sehen unter anderm:“
(wenigstens: unter anderem!)
„Das hier wird der neue Silvestertreffpunkt des Ruhrgebiets, wenn die ganzen Raketen explodieren da unten.“
„Ach, es geht ja nicht nur um einen neuen Park, es geht hier um das Bewusstsein seiner selbst: Denn bis vor, sagen wir, 15 Jahren, hat das Ruhrgebiet seine Bergehalden begrünt und unsichtbar zu machen versucht, schließlich sahen sie so schrecklich aus, nämlich irgendwie nach Ruhrgebiet, ging gar nicht …“
(Bewusstsein wessen selbst? Meiner? Deiner? Des Parks? Und das ging gar nicht …!)
„Erst seitdem sind die Halden erkannt als das, was kein anderer hat …“
(Hier schlösse jetzt ein „nämlich“ zwingend an, kommt aber keins. Sie wurden nur erkannt als das, was kein anderer hat. Hä?)
Und das wabert nun alles durch die deutsche Sprache, und ich soll ruhiges Blut bewahren und keine Flinte ins Korn werfen! Geht gar nicht, denn hört sich irgendwie nach WAZ an!

8. November 2008

Die Betrachtung zielt zu kurz, aber das sind wir gewöhnt

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 23:35

Fangen wir heute mal nicht mit den Fehlern der WAZ an, sondern mit denen der Andrea Ypsilanti. Die stehen auf der Politik-Seite. Und dortselbst lesen wir: „Das Team der NDR-Satiresendung ‚Extra3‘ ist einiges gewöhnt„. Womit wir aber Ruckzuck wieder bei den Fehlern der WAZ sind: Denn entweder ist das NDR-Team einiges gewohnt oder an einiges gewöhnt. Aber das ist ja selbst für Deutschprofis schwer, wie soll sich da ein WAZ-Autor auskennen!
Der schreibt dann ja auch: „Sie beging die größte Sünde, auf die Politiker hereinfallen können …“ Herr Pfarrer, ich muss beichten: Ich bin auf eine Sünde hereingefallen! Macht nix, meine Tochter, nur begehen darfst du sie nicht!
Und am Ende des Artikels wird dann noch alles unternommen, „um Grünen und Linkspartei den roten Teppich für die Unterschrift auszurollen“. Ja, die schreiben eben immer so groß, dafür brauchen die sogar einen ganzen Teppich!

Doch vielleicht habe ich das nicht ganz richtig gesehen, denn im Kommentar auf der Wirtschaftsseite heißt es: „Die Betrachtung zielt aber zu kurz.“ Hätte sie länger gezielt, hätte sie vielleicht sogar getroffen. Man muss sich einfach mehr Zeit nehmen, oder? Auch wenn eine Betrachtung überhaupt nicht zielen kann und man ansonsten höchstens daneben zielt; manchmal greift auch etwas zu kurz, davon hat man auch schon gehört.

Hochkarätigste Unerträglichkeit ramponiert den Vertrauensvorrat in Politikergräben

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 00:29

Die Seite 2 hat es mal wieder in sich. Hier finden wir im Artikel über „Obamas Dreamteam“ einen überraschenden Superlativ: „In Washington dreht sich das hochkarätigste Personalkarussell“. Wie steigert man hochkarätig? Zugegeben: „höherkarätig“ bzw. „höchstkarätig“ klingt auch doof. Aber muss man deshalb gleich zu einem Neologismus greifen? Vielleicht sollte man hier einfach mal nicht steigern, weder „hoch“ noch „karätig“, denn ich wüsste nicht mal von Gold, dass es hoch-, höher oder am höchstkarätigsten wäre.

Man möchte fast mit den Worten des ersten Kommentators sagen: „diese hessischen Verhältnisse näherten sich der Unerträglichkeit“. Das finde ich auch! Zumal, wenn dann noch formuliert wird: „… eine Große Koalition hätte … den Vertrauensvorrat der SPD noch mehr ramponiert.“ Denn eine Vertrauensvorschuss wird aufgebraucht, indes ein Ansehen ramponiert, aber bei der WAZ kann man das natürlich vereinfachen und zu einem Ausdruck zusammen ziehen.
Ähnlich ist es mit den „geifernden SPD Kontrahenten“, womit vermutlich keine Kontrahenten der SPD (wie der Ausdruck nahelegt), sondern entsprechende innerhalb der Partei gemeint sind, denn der nächste Satz lautet: „Was sich derzeit zwischen den Lagern der Ypsilanti-Getreuen und dem Umfeld der Abweichler an Gift und Galle abspielt“, was aber wiederum Blödsinn ist, denn Gift und Galle spielt sich nicht ab, sondern wird gespuckt (auch wenn es unappetitlicher sein sollte).
Und wenn ich den letzte Satz lese, hätte ich sogar Lust dazu: „Aber zum Ansehen einer Partei … gereicht es in gar keinem Fall.“ Denn wenn etwas gereicht, dann normalerweise zur Ehre, zum Ansehen könnte es allenfalls reichen.

Leider ist der andere Kommentar auf der Seite auch nicht besser. Der beginnt mit dem Satz: „Man liest viel über die Erwartungen, die Barack Obama in der Welt geweckt hat, immer mit der Frage unterlegt, ob er diese wird erfüllen können.“ Nachdem man es sich gestern noch „jenseits der Frage“ schwer getan hat, wird heute was mit einer Frage unterlegt …
Aber es kommt noch schlimmer: „Politiker aller Parteien klettern aus ihren Gräben …“ und, nachdem sie einige Zeit draußen waren, „müssen Bundesbürger zusehen, wie die einheimischen Politiker wieder in ihre Parteigräben steigen, um sich von dort aus gegenseitig mit Forderungen und Kritik zu bewerfen.“ He, das ist wirklich witzig! An so manchem WAZ-Kommentator ist wahrhaft ein Komiker verloren gegangen. Da klettern die erst aus den Gräben, in die sie anschließend wieder steigen, und fangen dort an, sich gegenseitig zu bewerfen. Und nicht etwa mit Schmutz oder Erdklumpen. Sondern mit Forderungen und Kritik. Da sage noch einer, unsere Politiker seien unfähig!
Oder gar: „In der Bundesrepublik sinkt das Interesse an Politik in Erdnähe!“ Leider wird das aber gesagt. Und zwar im selben Kommentar, eine Zeile weiter. Und was soll die arme Politik nun machen, wo das Interesse an ihr in Erdnähe sinkt? (Vermutlich wegen der Anziehungskraft der Erde.) Sich in höhere Sphären begeben? Auf den Mond ausweichen? Oder lieber versuchen, das Interesse auf Erdnähe zu bringen? Klingt aber auch nicht besonders überzeugend …
Aber vielleicht das hier: „Obamas Worte sind bislang nur Worte, und noch stellt der künftige Präsident eine Projektionsfläche dar. Aber diese Projektionsfläche zieht Sehnsüchte an, die keiner Nationalität unterworfen sind.“ Das kann ja auch gar nicht gehen, denn ich kenne eigentlich keine Sehnsüchte, die irgendeiner Nationalität unterworfen sind. Ganz zu schweigen von einer Projektionsfläche, die Sehsüchte anzieht.
Dabei wären „in diesen geldgierigen armen Zeiten … viele Deutsche womöglich schon froh, wenn sie überhaupt eine Projektionsfläche hätten“, heißt es weiter. Warum? Weil sie diese dann verkaufen könnten? Und seit wann sind arme Zeiten geldgierig? Oder geldgierige Zeiten arm? Und was soll das alles überhaupt heißen?
Aber jetzt „starren“ die Deutschen auf „Leinwände, auf denen Politiker über Erbschaftssteuer, Linkspartei und all die kleinen Schrauben sprechen, an denen sie eines Tages drehen werden …“ Da wäre ich doch jetzt richtig froh, wenn ich jetzt eine Projektionsfläche hätte, die mir zeigen könnte, was die Erbschaftssteuer mit der Linkspartei und kleinen Schrauben zu tun hat! Aber wo ist das Ding hin? Vermutlich verhökert! Und zwar von armen geldgierigen Zeiten!

7. November 2008

Sich um die Frage herumschleichen

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 00:46

Man weiß ja nicht, ob er’s wirklich so gesagt hat, der Helmut an de Meulen, Vorsitzender des Vereins Pro Ruhrgebiet. Zumindest wird er in der WAZ von Donnerstag auf der „Rhein-Ruhr“-Seite so zitiert: „Niemand soll sich um die Frage ,Wie hältst Du’s mit der Stadt Ruhr’ herumschleichen können“.
Leider kann das ohnehin niemand. Man kann sich herumtreiben, oder um etwas herumschleichen, vielleicht kann man sogar sich schleichen, (was im Österreichischen soviel heißt wie abhauen), alles andere ist ziemlicher Humbug, und gemeint war wohl eher, dass sich niemand um die Beantwortung dieser Frage drücken können soll. Insofern hat der Vorsitzende sein Meulen ein bisschen überstrapaziert (wenn man mir bitte diesen Kalauer verzeihen möge), ansonsten war es ein schöner Satz.

Was man von diesem hier auf der Politik-Seite nicht unbedingt behaupten darf: „Jenseits der Frage – Wieso Ulf aus Deutschland? – tut man sich schwer mit der Vorstellung …“ Wieso jenseits? Warum nicht diesseits? (Ich vermute, der Autor hat diese unsinnige Formulierung im Koch-Interview gelesen, und sie scheint ihm auch noch gefallen zu haben!) Warum nicht ober- oder unterhalb der Frage?

Und im Artikel darunter „haben die Vereinigten Staaten ihre Obsession mit der Verschiedenheit und Unvereinbarkeit der Rassen abgelegt, sie entwickeln sich zu einer halbwegs farbenblinden Nation.“ Den ein bisschen konstruierten Zusammenhang zwischen Hautfarbe und Farbenblindheit könnte man vielleicht noch verzeihen, aber wie ist man halbwegs farbenblind?
Auch der nächste Satz ist nicht besser: „Dazu hat der Kandidat Barack Obama erheblich beigetragen – indem er selbst nicht dem Stereotyp gehorchte, das weiße Wähler über schwarze Politiker pflegen.“ Denn auch hier ist die Universalpräposition „über“ mal wieder völlig fehl am Platz, weil man ein Stereotyp von einer Erscheinung pflegt, mal abgesehen davon, dass ich nicht weiß, wie man ihm gehorchen sollte, wenn man ihm schon nicht entspricht.
Und gegen Ende des Artikels muss man dann noch lesen, dass Obama „,cool‘ genug (war), um den kosmopolitischen Schmelztiegel zu verkörpern.“ Da wundert mich dann gar nichts mehr.

Auf der Kulturseite (Kommentar, rechte Spalte) „stehen CDU und Grüne … in der Kaufmann-Frage in Frontalstellung“. Hier kann man wieder einmal nur raten, was gemeint war. Stehen sie frontal gegeneinander oder beziehen sie frontal Stellung? Vielleicht gibt es aber auch Fronten in der Auseinandersetzung? Werden wir es je herausfinden?
Wohl kaum, denn: „Diese Essener Gemengelage lässt sich nicht durch Zahlenprüfungen allein entwirren.“ Das fürchte ich auch, denn eine Gemengelage hat in erster Linie mit Grundstücken zu tun, auch wenn dieser Begriff in letzter Zeit häufig in den Medien auftaucht, wenn von irgendeiner unübersichtlichen oder gefährlichen Mischung die Rede ist. Aber selbst die kann man nicht entwirren, dass kann man allenfalls mit Fäden oder einem Knäuel.
Und da hilft es auch nicht weiter, „den klaren organisatorischen Schnitt zu machen“, wie uns der Artikel weiter empfiehlt. Weil ich mir einen organisatorischen Schnitt nicht vorstellen kann, sei er nun klar oder unklar. Wobei ich allerdings schon froh bin, dass es diesmal keine klare Kante ist.

Zu guter Letzt haben wir dann noch ein sprachliches Kleinod auf der „Menschen“-Seite, das ich hier in weiten Teilen unkommentiert wiedergeben möchte:
„Essen. 15 Jahre. So viel liegt zwischen diesen Bilder: Zwischen Becker und Sandy Meyer-Wölden, die ex-verlobt wurde mit zwei dürren Sätzen ihres Boris. ‚Wir beide haben den Alltag nicht zusammen geschafft …‘ Der Alltag spielte sich wohl eher zwischen New York, Paris, München ab denn zwischen Waschmaschine, Berufsverkehr und Supermarkt …“
Und weiter: „Medienberater meinen ja, Becker verscherze mit seinen Frauengeschichten sein Image. Da haben die Medienberater bestimmt lange überlegt für. So einen Job möchte man mal haben.“

Wäre dem Autor dieses Artikels nur zu wünschen, denn man fragt sich: War er nur betrunken oder etwa heftig bekifft oder gar auf dem Weg nach Poona? Doch um diese Frage muss ich mich leider herumschleichen!

5. November 2008

In den Dreck treten und vor die Pumpe laufen

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 23:58

Trennungen tun weh. Und weil sich Boris Becker von Sandy trennt, scheint es die WAZ heute mit Trennungen besonders schwer zu haben. So redet sie in dem Bericht auf der „Welt“-Seite über die Trennung der beiden laufend von Boris‘ Beziehungen „zu Angela Ermanokova … Sabrina Setlur, Patrice Farameh …“, obwohl es sich in dem Fall um Beziehungen mit den Genannten handelt. (Feinheiten der deutschen Sprache, zugegeben. Nur: gerade als deren Hüter setzt sich die WAZ sonst so gern in Szene).
Aber auch einfache Trennungen gehen schief: „… die USA zur führenden Nation zu machen, in (ohne Trennungszeichen, neue Zeile) dem er seine Zustimmung signalisierte“, steht schon auf der Titelseite. „Zahl- (neue Zeile) ungen“ wird auf der Wirtschaftsseite getrennt, „brutal- (neue Zeile) stmöglich“ auf der Politik-Seite und „kränk (neue Zeile)“ auf der Seite „Hören und Sehen“. Boris, was hast du da angerichtet!

A propos „angerichtet“. Man ja kann so einiges anrichten. Manches wird einem auch auf dem Silbertablett serviert. Aber: „Dem neuen Präsidenten bietet sich nun auf dem Silbertablett die historische Chance, sich vom globalen Blockierer zum globalen Helden zu wandeln“, wie der Direktor des Klimaforschungsinstituts auf der Titelseite von sich gibt, ist mir ein bisschen zu viel auf dem Silbertablett.

Zuviel sind mir auch die Formulierungen im Kommentar auf der Seite 2. „Die geringe Wertschätzung. die John McCain … genießt, dürfte seiner republikanischen Herkunft gedankt sein,“ steht da beispielseise. Dabei glaube ich kaum, dass er die geringe Wertschätzung genießt, und republikanisch ist seine Herkunft auch keineswegs, aber selbst wenn man das ganze Konstrukt akzeptiert, dann ist es der Herkunft geschuldet und nicht gedankt.
Einige Zeilen weiter hat „der US-Präsident … fast keine Gelegenheit ausgelassen, die angeblich gemeinsamen Werte in den Dreck zu treten.“ Mann oh Mann! Der Präsident kann die Werte allenfalls in den Dreck ziehen, auch wenn das dem Autor nicht heftig genug ist, und er sie deshalb lieber treten würde. Das bleibt aber dem Staub vorbehalten, in den man jemanden (und nicht etwas!) treten kann.
Wo soll uns das nur hinführen? Z.B. dahin: „Dass zuletzt marktradikale Kamikaze-Banker unter Bush das gesamte Welt-Finanz und -Wirtschaftssystem an den Abgrund führten, tut ein Übriges“. Wenn wir einmal von den marktradikalen Kamikaze-Bankern unter Bush absehen wollen, dann führt man jemanden (oder auch etwas) an den Rand des Abgrunds oder in denselben. Rein sprachlich gesehen sind wir dort ohnehin schon lange!

Zumal, wenn ich den Kommentar auf der Titelseite lese: „Dass über Jahre Privates und Beruf flott miteinander vermischt wurden, riecht nach Skandal. Egal, ob aus Unwissenheit oder mit Vorsatz.“
Denn erstens wird Privates und Berufliches mit einander vermischt, wenn nicht gar Privates mit Beruflichem vermischt wird, (was wesentlich eleganter wäre) und zweitens riecht es weder aus Unwissenheit noch mit Vorsatz nach Skandal. Es riecht einfach nur so. In dem Fall ein bisschen nach Unwissenheit.

Kommen wir zur Politik-Seite und damit zu Sätzen wie: „Ein Mann … steht im Herbst wie ein Hoffnungsträger vor heraufziehenden Neuwahlen“ oder: „Strategisch nutzte er den Schatten, den die grelle Auseinandersetzung der SPD mit der Linkspartei erzeugte, um das Profil des politischen Gewalttäters abzustreifen“. Tut mit leid, ich muss bei sowas immer kichern: jemand nutzt einen Schatten, den eine grelle Auseinandersetzung erzeugt, um ein Profil (nein, mehr: das des politischen Gewalttäters!) abzustreifen. Kichert da jemand mit?
Tja, und dann haben wir noch diese Frage: „Fürchten Sie nicht, dass eigene Leute Sie so vor die Pumpe laufen lassen wie Ypsilanti?“ Hier stimmt nur der Bezug nicht, denn „jemanden vor die Pumpe laufen lassen“ scheint tatsächlich eine Redensart zu sein. Und lieber vor die Pumpe laufen als in den Dreck treten, oder?

4. November 2008

Neuaufbau ohne Anfang

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 22:23

Auf der Titelseite ist laut Müntefering „In Hessen … ein Neuaufbau erforderlich“. Warum nicht ein Neuanfang, wie in solchen Fällen üblich? So müssen wir rätseln, was denn da neu aufgebaut werden soll.

Die Wirtschaftsseite ist dann wieder voller Rettungsschirme (dazwischen auch mal ein Rettungspaket), einer ist sogar abgebildet. Ich bin enttäuscht: Es ist ein einfacher Regenschirm.

Dafür erfahre ich im Lokalteil mal etwas wirklich Neues: „Vor allem das Defizit der Theater und Philharmonie (TuP)-Sparte Philharmonie von 1,5 Mio Euro, bisher stärkstes Argument von TuP-Aufsichtsrat und Geschäftsführung, scheint Risse zu bekommen. Ein Defizit bekommt Risse? Vermutlich war das Argument gemeint, aber es ist in der Tat schwierig, bei solchen Formulierungen den Überblick zu behalten …

das sich nicht vorstellen

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 00:44

„Roland Koch soll der Einladung bereits zugesagt haben“, erfahren wir heute auf der Seite 2. Das ist interessant, wenn auch ein bisschen gewöhnungsbedürftig. Denn bisher konnte man eine Einladung annehmen oder dem Einlader zusagen, diese WAZ-Mischung ist zumindest ungewöhnlich.
Auch die Subline des Artikels überrascht etwas: „Rot-Grün mit links – das sich SPD-Mann Jürgen Walter nicht vorstellen.“ Fehlt da vielleicht ein Wort? Dass ich mir eigentlich nicht vorstellen!

Im Artikel darüber geschieht ebenfalls Merkwürdiges: „Müntefering hielt allerdings auch mit seiner Skepsis gegenüber der Tolerierung eines rot-grünen Regierungsbündnisses in Hessen durch die Linkspartei nicht hinter dem Berg, die auch den parteiinternen Rivalen und Stellvertreter Ypsilantis, Jürgen Walter, antreibt.“ Tja, es ist schon schwierig, bei solchen Verschachtelungen den Überblick zu behalten: Münteferings Skepsis treibt Jürgen Walter an? Schwer vorstellbar.

Auch, was ich auf der Wirtschaftsseite lesen muss, kann ich mir nur schwer vorstellen: „Hunderttausende sitzen auf Kursverlusten“ (nicht etwa auf entsprechenden Papieren, die sie nun nicht mehr loswerden, was die entsprechende Redensart bedeutet). Dagegen sind ja die Bankberater, die sich ein paar Zeilen weiter „zunächst als Verkäufer aufführen“, geradezu harmlos.

Die schönste Formulierung des heutigen Tages finden wir allerdings auf der Seite „Menschen“. Hier steht eine fette Headline: „Teenie-Idol im Tatoo-Pelz“. Was muss man sich darunter vorstellen? Es gibt einen Wolf im Schafspelz, das ist ein verkleideter Wolf, der seine Gefährlichkeit zu verbergen sucht. Aber was verbirgt ein Teenie-Idol unter einem Tatoo-Pelz? Und was ist überhaupt ein Tatoo-Pelz? Ich glaube, das muss so etwas sein wie ein … äh … WAZ-Autor im … äh … Schreibpelz.

2. November 2008

Schutzschirme und Rettungsschirme, unter die man sich stellen kann

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 00:25

Seite ein paar Tagen überspannt er alle Medien – und WAZ natürlich auch: Der Rettungsschirm. Was mag das für ein merkwürdiges Utensil sein? Vielleicht eine Art Fallschirm? Ähnlich einem Rettungsboot, nur jetzt für Flugzeuge?
Der Duden kennt ihn leider gar nicht: da gibt es Rettungssanitäter, gar einen Rettungsschuss und schließlich Rettungsschwimmer – Rettungsschirme müssen also eine Wortneuschöpfung sein. Doch wer hat’s erfunden? Die Schweizer diesmal nicht, die WAZ auch nicht, ich vermute, dass hier mal irgendwo ein übereifriger Reporter die Synthese aus Rettungspaket (von dem ja immer die Rede war) und Schutzschirm gebildet hat.
Und da die WAZ natürlich jeden sprachlichen Blödsinn schnellstmöglich übernimmt, wimmelt es seit ein paar Tagen von Schutz- und Rettungsschirmen, die mehr oder weniger synonym verwendet werden.
So auch in der Samstags-WAZ: „Grund war wohl, dass die Banken negative Reaktionen befürchteten, wenn sie sich unter den Rettungsschirm stellen“, heißt es im Kommentar auf der Wirtschaftsseite. Also, liebe Banken: Wenn Ihr – resp. Eure Börsenkurse – mal wieder im freien Fall seid: Vergesst das Rettungspaket und stellt Euch einfach unter einen Fallschirm!

Darum nimmt die WAZ im Kommentar auf Seite 2 einen anderen Schirm: „Die komplexe Struktur des Drei-Parteien-Systems wirkt wie ein Schutzschirm für schwache Kabinettsmitglieder“. Das will ich mir jetzt mal nicht auf der Zunge, sondern lieber eine weitere interessante Formulierung vorstellen: „Bei einer Durchsage an der Bahnsteigkante …“ – mit diesen Worten beginnt der Kommentar. Da ist dem Autor jetzt ein bisschen was durcheinander geraten: Die Durchsagen hört man am Bahnsteig, nicht an der Kante (selbst wenn es eine „klare“ sein sollte). Und die entsprechende Durchsage lautet dann häufig: „Vorsicht an der Bahnsteigkante!“ Aber deswegen ist es eben noch lange keine Durchsage an der Bahnsteigkante …
Wir haben noch mehr in besagtem Kommentar. Eine falsche Trennung: „Bonus-Zahl- (nächste Zeile) ungen“ und dann noch ein schön daneben geratenes Sprachbild: „Auch dieser Tage scheint ihm ein klarer Kompass zu fehlen“. Unklare Kompasse kenne ich eigentlich nicht, aber vielleicht war hier der Kompass gemeint, der den Weg – vorbei an der klaren Kante – bis unter den Rettungsschirm führt, unter den wir uns stellen wollen, während das Rettungspaket den Schutzschirm auslöst.

31. Oktober 2008

Blinder Aktionismusplan für taumelnde KfZ-Händler

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 23:13

Wow, geht das los im Seite-2-Kommentar: „Nach dem Auspuffrohrkrepierer Rußfilterförderung und der hinter dem Ereignishorizont Bundestagswahl verschwundenen CO2-Besteuerung versenkt das Kabinett jetzt ein Milliardensümmchen für den blinden Aktionismusplan einer Steuerbefreiung für Neuwagen.“
Da zu fällt mir jetzt Piet Klocke ein: „Das müssen Sie sich mal auf der Zunge vorstellen!“
Ja, wirklich: Nicht nur der „Auspuffrohrkrepierer“ (haha!), sondern auch noch ein Ereignishorizont, hinter dem die CO2-Besteuerung verschwindet. Normalerweise liegt ja etwas hinter dem Horizont, was wir noch nicht kennen, und wenn es dahinter nicht weiter geht, dann mag vielleicht ja auch etwas dort verschwinden. Aber der Ereignishorizont hat damit überhaupt gar nichts zu tun. Das ficht aber einen WAZ-Schreiber nicht an, weil es erstens das Ereignis enthält, das man so schön mit der Bundestagswahl in Verbindung bringen könnte und zweitens den Horizont, hinter dem was verschwindet. Also vermuddeln wir das alles schön mit einander und hoffen, dass niemand die komplette Sinnlosigkeit des Konstruktes bemerkt.
Mit dem Aktionsmusplan ist es nicht viel anders. Zugegeben: es gibt blinden Aktionismus. Und es gibt vielleicht auch Pläne, die auf blindem Aktionismus beruhen. Aber deswegen gibt es noch lange keine blinden Aktionismuspläne. Es gibt schon keine Aktionismuspläne. Wie sollen die dann auch noch blind sein?

30. Oktober 2008

Kreditklemme der Finanzkrise widergeben

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 22:03

Wirtschaftliche Zusammenhänge zu begreifen, ist schon schwer genug. Warum macht es uns die WAZ noch schwerer? Z.B. im Kommentar auf Seite 2 mit Formulierungen wie dieser: „Das Kuriositäten-Kabinett aus dem Reich der Finanzen ist um eine schillernde Facette reicher.“ Ein Kabinett mit Facetten? Naja. Oder dieser: „Der staunende Zuschauer auf den Rängen fragt sich völlig zu Recht, wie eine an sich seriöse und sinnvolle Einrichtung derart verkommen kann und ohne Schiedsrichter Exzessen freien Lauf lässt.“ Da hätt ich nicht nur die Frage, auf wie vielen Rängen der staunende Zuschauer denn so sitzt, oder ob er immer hin- und her springt, und ob man Exzessen lieber mit Schiedsrichter freien Lauf lässt oder ohne keinen. Aber ich frage natürlich nicht, seit wann die Börse eine „an sich seriöse und sinnvolle Einrichtung“ ist …
Aber wie das hier funktioniert, wüsste ich schon gern: „Volkswagen machte zeitweise mehr als ein Viertel des Wertes im gesamten Dax aus, was wiederum zu einem Automatismus führt.“ Wieso wiederum? Wieso Automatismus? Man versteht es einfach nicht, und das liegt nicht an uns Leserinnen und Lesern.
Doch den Spitzenreiter an Unverständlichkeit erleben wir mit folgendem Absatz. „Voodoo, mögen manche rufen und die sofortige Schließung aller Börsen fordern. Dabei ist es sinnvoll, wenn sich Unternehmen nicht nur bei Banken Geld borgen, sondern bei anderen Kapitalgebern welches besorgen können – was die drohende Kreditklemme der Finanzkrise deutlich macht.“
Versteht das jemand? Manche mögen „Vodoo“ rufen und dann alle Börsen schließen. Hm. Dabei ist es irgendwie sinnvoll, wenn Unternehmen bei anderen (also nicht bei Banken) Geld besorgen können. Also dann über die Börsen, scheint gemeint zu sein. Gut, das ist noch nachvollziehbar. Aber wieso macht das die Kreditklemme deutlich? Und warum ist es die der Finanzkrise? Äh, und was ist eigentlich eine Kreditklemme?
Aber selbst, wenn wir die Kreditklemme jetzt mal überwunden haben, dann ist „der Dax … nicht nur irgendeine Kurve im Auf und Ab, sondern er gibt im Idealfall die Entwicklung des Wertes der Top-30-Unternehmens wider.“ Da er sie aber nicht widerspiegelt, sondern nur wiedergibt, hilft das alles nicht wirklich weiter. Und der kreative Genitiv-Plural mag mich auch nicht überzeugen, denn da hätte mir bei die Unternehmens deutlich besser gefallen – das ist wenigstens echte Ruhrsprache, die einer Dr. Antonia Cerwinski-Querenburg würdig gewesen wäre. Vielleicht hätte sie dann sogar ein paar neue Ruhr-Formulierungen wider gegeben …

29. Oktober 2008

Auswüchse stattlich abfedern

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 22:55

Auf der Titelseite gibt es schon gleich mal wieder Probleme mit dem Satzbau: „Das ramponierte Image der Banken hält viele Geldhäuser nicht davon ab, auch mitten in der schwersten Finanzkrise weiter für Vermögensanlagen zu werben, die auf den ersten Blick nicht transparent sind.
Das wäre ja einfach für den Anleger. Schon nach dem ersten Blick erkennt er, das die Sachen nicht transparent sind und kann sie ablehnen. Ich vermute aber, dass etwas völlig anderes gemeint war. Dass es um Anlagen geht, die nicht auf den ersten Blick transparent sind, sondern z.B. völlig undurchsichtig. Und das ist etwas völlig anders.

Da ist dann unser Ministerpräsident viel transparenter: „Die soziale Marktwirtschaft habe in der Demokratie den Vorteil, wirtschaftliche Auswüchse sozial abzufedern.“ Grandios! Und zwar nicht nur, dass die Marktwirtschaft in der Demokratie einen Vorteil hat, den sie – so steht zu vermuten – in einer Diktatur nicht hätte … (Sorry, da muss ich schon stutzen: hat er das wirklich so gesagt und auch gemeint?), sondern auch noch sozial abfedert. Und zwar wirtschaftliche Auswüchse. Auswüchse, auch noch wirtschaftliche, werden abgefedert. Tut mir leid, ich stelle mir so etwas immer bildlich vor: Ein Auswuchs, der auf Federn ruht. Geiles Bild.

Alles nichts gegen die Transparenz im Kommentar auf der Wirtschaftsseite, denn dort: … muss die jetzt so viel beschworene Transparenz eben durch stattliche Vorgaben geschaffen werden.“ Das finde ich auch! Weg mit den staatlichen Vorgaben! Stattliche sind einfach viel … hm … stattlicher!

28. Oktober 2008

Anziehung entfalten

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 21:34

„Ob solche Namen im Ausland eine gewisse Anziehung entfalten, muss sich sowieso noch zeigen.“ Ich fürchte, das wird sich nicht zeigen. Eine Anziehung wird nun mal in erster Linie ausgeübt, mit Entfalten wird sie sich eher schwer tun …

27. Oktober 2008

Schon wieder klare Kante

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 21:48

Wer hat eigentlich diese unsägliche Redensart in die Welt gesetzt? Alle zeigen neuerdings klare Kante. Müntefering vorweg, aber laut WAZ auch kürzlich erst die Polizei Duisburgs, und heute (im Kommentar auf der Titelseite) sind es Köln und Bochum, die das gegenüber den Rechtsextremisten tun.
Ein klare Linie, die kenne ich. Aber die ist vermutlich nicht kantig genug. Die Kante klingt so schön … äh … kantig. Und dazu muss sie natürlich auch klar sein. Wer will schon eine unklare Kante? Ist doch alles irgendwie totaler Blödsinn, oder?

Um nicht falsch verstanden zu werden: Zeigt den Rechtsextremisten alles mögliche, am besten, wo der Ausgang ist, aber lasst doch bitte endlich diese dämliche klare Kante!

25. Oktober 2008

Führende Chefvolkswirte leichthändig verspottet

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 21:56

Es geht schon wieder auf der Titelseite los mit der Zweiten Stadt im Rahmen des Kulturhauptstadtprogramms, die sich „in 1000 Meter Tiefe“ befindet.
Soll ich es aufgeben? Ist es schon richtig, nur weil es dauernd falsch gesprochen und geschrieben wird? (Das ist eben der Nachteil an normativer Sprachbetrachtung: Machen es nur genug Leute falsch, ist es plötzlich richtig, und dann stehste da mit deinen schönen Regeln!) Dennoch bleibt diese „Zweite Stadt“ für mich bis auf Weiteres: in 1000 Metern Tiefe!
Dann noch eine schöne Trennung: „Halte- (nächste Zeile) rner Stausee“.

Und im Artikel am Fuß der Seite: „Eine Minister-“ (na, was kommt jetzt wohl?) „iumssprecherin versicherte …“

Die „führenden Chefvolkswirte“ finden wir auf der Wirtschaftsseite, vermutlich, weil man einfachen Volkswirten die dreimalige Gewinnwarnung in dem Artikel nicht abgenommen hätte: „die Angst vor einer Rezession, Gewinnwarnungen großer Konzerne und Panikverkäufen„, (da kann man sich höchstens damit rausreden, dass die Angst auch vor Panikverkäufen gemeint sei, das haut aber nicht wirklich hin) „eine Welle von Gewinnwarnungen großer Konzerne“ und schließlich „die Gewinnwarnung von Sony“.

Dafür wird auf der Politik-Seite „Angela Merkel … inzwischen leichthändig verspottet“. Wie macht man das? Wie verspottet man leichthändig? Nun habe ich vom Verspotten ja durchaus einiges weg, und die WAZ macht es mir ja auch einfach, aber ich habe es bisher noch nicht einmal leichtfüßig versucht.

Ja, und dann haben wir noch einen recht eigenwilligen Satzbau auf der Sportseite: „Denn Pfleger versteht es, die Geheimnisse des Spiels so einfach und doch so anschaulich offenzulegen, dass auch Hobbyspieler die Gedankengänge der Stars verstehen zu glauben.“ Es wäre ein so schöner Satz geworden, wenn man bis zum Schluss konzentriert geblieben wäre. Dann hätte es aber geheißen: „… dass auch Hobbyspieler die Gedankengänge der Stars zu verstehen glauben.“ Und vielleicht wäre es selbst mir gelungen, die Gedankengänge der WAZ-Redakteure verstehen zu glauben.

24. Oktober 2008

Koch ist gefährlicher als Lafontaine

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 23:18

Zumindest für die deutsche Sprache. Wobei er (im Interview auf der Politik-Seite mit der Überschrift: „Gefährlicher ist Lafontaine“) grammatikalisch gar nicht so sehr daneben greift, wohl aber semantisch. Beziehungsweise nicht daneben greift, sondern eigentlich nichts sagt. Zumindest nichts von Bedeutung. O.k., der Mann ist Politiker, was soll man also in dieser Hinsicht von ihm erwarten, höre ich nun etliche Stimmen. Aber kann man nicht selbst von einem Politiker ein Mindestmaß an Inhaltlichem erwarten?
Stattdessen dies: „Zweifellos schürt der gewaltige Umbruch, den wir derzeit erleben, tiefe Verunsicherung.“ Ein Feuer kann man schüren, eine tiefe Verunsicherung jedoch allenfalls erzeugen. Denn wenn man ein Feuer schürt, ist das ein bewusster Prozess, man versucht, es anzufachen. Wie das ein Umbruch tun soll, muss Herrn Kochs Geheimnis bleiben. Nebenbei ist ein Umbruch eine tiefgreifende Veränderung, dass diese dann auch noch gewaltig tiefgreifend sein soll, hört sich vielleicht gut an, sagt aber nichts aus.
Genau so wenig wie der nächste Satz : „Unsere Herausforderung ist, die Krise zu bewältigen, ohne unsere Prinzipien aufzugeben.“ Das impliziert zunächst, dass es schwierig ist, eine Krise zu bewältigen, wenn man Prinzipien hat. Wofür es aber weder Beispiel noch Beleg gibt, zumindest nennt Herr Koch nichts dergleichen. Es impliziert darüber hinaus, dass Herr Koch (bzw. nicht näher bestimmte weitere Personen, die er unter „uns“ bzw. „unsere“ subsumiert) überhaupt Prinzipien hat. Was mit Sicherheit viele bezweifeln werden. Da will ich mich mal raushalten, hätte es aber hilfreich gefunden, wenn er an der Stelle das eine oder andere Prinzip mal wenigstens benannt hätte.
„Ach! Märkte orientieren sich an staatlichen Vorgaben. Es gab schwere unternehmerische Fehler, aber auch der Staat hat versagt.“ Was will er uns nun damit sagen? Inwiefern orientieren sich Märkte an welchen staatlichen Vorgaben? Und zweifellos gab es unternehmerische Fehler, und vermutlich hat auch der Staat mal wieder versagt, aber wann, wo und wie? Da sagt er nix, der Koch, und so bleibt das Ganze eine leere Sprechblase.
Aber nun sagt er was: „Heute können wir mit großem Selbstvertrauen sagen, dass sich die soziale Marktwirtschaft außerordentlich bewährt hat.“ Klingt doch gut, oder? Wir können mit großem Selbstvertrauen sagen. Toll! Dass sich die soziale Marktwirtschaft außerordentlich bewährt hat. Wow! Sie hat sich nicht nur bewährt, sondern gar außerordentlich! Wäre ja kaum zu ertragen gewesen, wenn sie sich nur ordentlich, oder gar nur bewährt hätte!
„Ohne Markt gibt es keinen Wohlstand, aber ein Markt sollte nicht ohne Grenzen sein. Das haben wir der Welt vorgelebt.“ Wie jetzt? Plötzlich muss ein Markt Grenzen haben? Keine grenzenlosen Märkte mehr? Warum das? Und wir haben der Welt vorgelebt, dass es ohne Markt zwar keinen Wohlstand gibt, aber ein Markt Grenzen haben muss? Kann ich mich irgendwie nicht dran erinnern …
Und dann kommt ein Satz, der nicht nur leer ist, sondern völlig unverständlich: „es ist im Inhalt ein Buch, das auf dem Boden der sozialen Marktwirtschaft steht.“ Ich finde es schon schwierig, mir vorzustellen, dass ein Buch auf dem Boden von Irgendwas steht, geschweige denn auf dem Boden der sozialen Marktwirtschaft, von der ich nicht mal wusste, dass sie selbigen hat. Aber es steht da ja nicht alleine oder nur so, sondern im Inhalt. Nein, falsch: Es steht nicht im Inhalt auf dem Boden, es ist im Inhalt ein Buch, das steht. Nee, das gibt auch keinen Sinn. Vielleicht, weil das, was Herr Koch sagt, keinen Sinn hat?
Versuchen wir’s mal damit: „Aber ohne das staatliche Eingreifen wäre eine ganze Industrie gefährdet.“ Welche denn? Die Autoindustrie? Die Schwerindustrie? Die gesamte Industrie? Oder wer? Oder gar warum? Sagt er nicht.
Dafür sagt er uns, wer gefährlich ist, der Lafontaine nämlich: „weil seine Politik dauerhaft Wohlstand in Deutschland vernichten würde.“ Nun liegt es ja in der Natur der Dinge, dass, wenn etwas vernichtet wird, dies auch dauerhaft geschieht. Irgendwie ist das ja das Wesen der Vernichtung, oder? Aber wie der Lafontaine das macht, bzw. seine Politik, dass sagt uns der Koch nicht. Stattdessen sagt er: „Wir müssen die Linkspartei sehr, sehr ernst nehmen.“ Gut, nehmen wir. Und nun soll wohl so etwas folgen wie eine Begründung: „Gerade in einer so unübersichtlichen Zeit, in der viele Menschen Angst davor haben, dass sie gefährdet sind in ihrer sozialen Situation.“ Also: Normalerweise müssen wir (wer ist „wir“, die CDU, die Politiker, die Gesellschaft, oder – um mit Otto zu reden – „vier alle“?) die Linkspartei schon ernst nehmen, aber nun erst recht. Weil wir nämlich eine unübersichtliche Zeit haben. Ich will jetzt nicht fragen, was eine übersichtliche Zeit ist, sondern mich mehr mit dem Rest des Satzes beschäftigen, in dem viele Menschen Angst davor haben, dass sie gefährdet sind. Und zwar in ihrer sozialen Situation. So sehr ich auch über diese Formulierungen nachdenke, ich kann ihnen keinen Sinn entlocken. Denn entweder hat man Angst davor, dass man gefährdet sein könnte. Oder man erkennt, dass man bereits gefährdet ist. Und die Situation, die soziale zumal, fragt sich überhaupt, wie man in ihr gefährdet sein kann.
Aber vielleicht werden wir mit dem nächsten Satz schlauer: „Lafontaine, Gysi und ihr Präsidentschaftskandidat Sodann sind Rattenfänger, die versuchen, schlecht informierte Menschen durch vereinfachende und verkürzende Parolen in die Irre zu führen.“ Klappt leider nicht. Schon beim Rattenfänger beginnt das Durcheinander: Das war ja jemand, der die Ratten, welche die Stadt Hameln überschwemmten und kahl fraßen, in der Weser ertränkt und so die Stadt von diesen Schädlingen befreit hat. Jetzt haben wir laut Koch drei Rattenfänger. Und die Schädlinge, die alles kahl fressen, also die Ratten, sind die schlecht informierten Menschen? Das kann er doch nicht gemeint haben! Nein, so etwas würde ein Politiker wie Koch doch nie tun: Menschen, und seien sie noch so schlecht informiert, mit Ratten gleich zu setzen!
(Vielleicht hat er sich ja auch nur vertan, und meinte Bauernfänger? Das würde insgesamt besser passen. Aber kann ein Politiker vom Schlage Koch derartig sprachlich daneben greifen? Ich fürchte, ja: Ratten hin – Bauern her …)
Nein, nein, außerdem versuchen das ja die Rattenfänger auch nur, und zwar, indem sie „durch vereinfachende und verkürzende Parolen in die Irre … führen“. Zwar habe ich selten von Parolen gehört, die nicht verkürzend oder vereinfachend waren (ich vermute sogar fast, es ist ihr Wesen), aber Gottseidank führen die nicht in die Weser, sondern nur in die Irre! Da können die Ratten – Pardon! die schlecht informierten Menschen – ja aufatmen.
Oder doch nicht, denn „Seriöse Politik hat es schwer gegen solche gnadenlosen Populisten.“ Dass diese Populisten auch immer gleich so gnadenlos sein müssen! Wenn sie ein bisschen gnädiger wären, die Populisten, wie leicht hätte es dann die seriöse Politik!
Stattdessen kommt es noch schlimmer: „Insofern ist die Linkspartei eine Gefahr für die Zukunft Deutschlands.“ Vor allem für die deutsche Sprache, denn zunächst fragen wir uns: Inwiefern insofern? Insofern, als die Politik es schwer hat? Und dann noch eine Gefahr für die Zukunft. Heißt das, dass sie eine Gefahr darstellt, mit der wir es erst in der in Zukunft zu tun haben werden? Nein, das kann er nicht gemeint haben, dazu ist er in der Gegenwart zu aufgeregt. Also muss er gemeint haben, dass die Zukunft Deutschlands u.U. nicht eintreten kann, weil sie gefährdet ist? Aber das ist doch kompletter Blödsinn, und so etwas wird ein Politiker, ein Alphatier vom Schlage eines Koch nie im Leben gesagt haben wollen. Aber was hat er dann gesagt, wenn es nicht wieder eine leere Sprechblase sein soll?
„Aber wir müssen die Auseinandersetzung mit ihr offensiv führen.“ Jetzt hätte er auch sagen können: „Wir müssen uns offensiv mit ihr auseinandersetzen.“ Nur wäre das wohl nicht so ober-wichtig daher gekommen. Auseinandersetzen ist eines Politikers nicht würdig. Eine Auseinandersetzung zu führen, und zwar offensiv, schon eher!
Leider ist das Interview noch nicht zu Ende. Und in der Online-Ausgabe sagt Herr Koch dann auch noch: „Jenseits der Tatsache, dass ich natürlich hoffe, dass Horst Köhler mit einem guten Ergebnis wiedergewählt wird, ist es skandalös, dass die Linkspartei einen Herrn Sodann mit seinen Sprüchen gegen zwei respektable Persönlichkeiten wie Bundespräsident Köhler und Frau Schwan stellt.“ Warum enthält man solche klugen Äußerungen den WAZ-Lesern vor? Formulierungen wie: „Jenseits der Tatsache“ sind doch reine Lyrik! Und Tatsache ist, dass Herr Koch hofft, bzw. natürlich hofft (andere verhüten höchstens mal natürlich). Das muss doch mal gesagt werden! Und dass es jenseits dieser Tatsache überhaupt noch was gibt, muss uns zu denken geben. Nämlich einen Skandal. Der darin besteht, dass eine Partei ihr Recht wahrnimmt, einen Kandidaten aufzustellen.
Als rein sprachorientierter Beobachter einer großen Tageszeitung versage ich mir an dieser Stelle jegliche Kommentare zum Demokratieverständnis eines hessischen CDU-Politikers und beschäftige mich lieber mit seiner nächsten Äußerung: „Wir sollten maßvoll Impulse geben, um ein allzu scharfes Absacken der Konjunktur zu vermeiden.“ Auch diese findet sich nur in der Online-Ausgabe, vermutlich, weil sich selbst bei der WAZ niemand etwas unter einem scharfen Absacken vorstellen kann. Wie wäre es mit einem harten (wird auch immer wieder gerne genommen)? Bloß kein kräftiges oder starkes, bitte, das wäre geradezu mutlos!
Und wo führt sowas hin? „Steinmeier hat bislang nicht den Mut, das Spiel von Frau Ypsilanti zu beenden. Dann wird er dafür mit seiner Partei bitter bezahlen.“ Wann dann? Und wie bezahlt man bitter? Das müssen wir dringend wissen, denn „ich hoffe, dass am Ende nicht auch Deutschland dafür bezahlen wird.“ Und gar noch mit sauer verdientem Geld. Ich weiß nicht, warum, aber hier kommt mir ein Vers von Erich Kästner in der Sinn, den er in seiner Schildbürger-Nacherzählung einem Bürgermeisterkandidaten in den Mund legt: „Ich bin ein Bürger und kein Bauer, und mache mir das Leben bitter!“ Und ein anderer reimt daraufhin: „Ich bin ein Bürger und kein Ritter, und mache mir das Leben sauer!“ Bittersehr!

Eigentlich reicht es ja für heute, aber auf derselben Seite im Artikel über die Liberalen steht noch ein Satz, zu dem ich mir einen Kommentar nicht verkneifen kann: „Der 68-jährige zeichnete die Zukunft Deutschlands schwarz.“
Man kann für die Zukunft schwarz sehen, vielleicht auch ein düsteres Bild von der Zukunft malen, aber dieselbe schwarz zeichnen … Warum muss man so etwas lesen? Manchmal fühle ich mich sooo müde!

23. Oktober 2008

Über die Bühne laufen

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 23:30

Auf Seite 2 wundert sich Ralph Giordano, „dass es so glatt über die Bühne gelaufen ist“. Mich wundert das auch, denn entweder läuft etwas glatt oder es geht über die Bühne.

22. Oktober 2008

Unbillen einer fehlgeleiteten Führung

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 20:28

Heute auf der Kulturseite: „Der Krieg … wird im Kino und in Romanen bevorzugt als Geschichte aufrechter Wehrmachtsoffiziere und -soldaten erzählt, die den Unbillen einer fehlgeleiteten Führung tapfer trotzen.“
Das Problem dabei ist nur, dass es keine „Unbillen“ gibt, denen man trotzen kann – ob tapfer oder ängstlich. Man kann Unbill erleiden, dann wird man ungerecht behandelt. Oder man kann den Unbilden z.B. des Wetters trotzen, also Unannehmlichkeiten, die schlechtes Wetter so mit sich bringt. Wem also können die armen Wehrmachtsoffiziere nun noch trotzen, zumal ihre Führung ja auch noch fehlgeleitet ist, vielleicht vom fehlgeleiteten Führer?
„Und dann erscheint dieses Buch,“ heißt es sofort im nächsten Satz, „in dem eine Frau ihre Tagebuchnotizen aus der Zeit der unmittelbaren Nachkriegsmonate im sowjetisch besetzten Berlin der Öffentlichkeit preisgibt.“ Lieber wär’s mir gewesen, sie hätte Geheimnisse preis– oder sonstige Dinge wie z.B. Tagebuchnotizen der Öffentlichkeit übergeben, aber man kann ja nicht alles haben.
Vielleicht war es deshalb „für Erfolgsproduzent Günter Rohrbach ein Unding …“ Für mich ist es eher ein Unding, dass es nicht für den Erfolgsproduzenten ein Unding war, obwohl diese Art von unflektierwilliger Bezeichnung (wenn ich das mal so ausdrücken darf) wie ein Lauffeuer um sich greift, so sehr ich diesen Unbillen auch trotzen möchte: „Für Präsident Bush“, „gegen Gehirnchirurg Dr. Aufschneider“ oder ganz schlimm: „mit Kollege Mustermann“. Brrr!
Dass es auch anders geht, finden wir überraschenderweise drei Absätze später: „Nach ersten körperlichen Übergriffen durch Soldaten sucht sie den Kontakt zum Offizierskorps und findet in dem Obersten Andrej einen Beschützer“. Dabei hätte ich den Kontakt zu Oberst Andrej erwartet. Die WAZ kann mich doch immer wieder überraschen!
Allerdings meistens mit arg unkonventionellen Formulierungen wie dieser hier: „,Anonyma‘ keilt eine in ähnliche Kerbe …“ bei der ich auch meckern würde, wenn der Satzbau in Ordnung wäre. Oder passt hier ein grober Keil in eine Kerbe anstatt auf den groben Klotz?
Da ist dann ja fast tröstlich, wenn man lesen kann: „Nina Hoss spielt diese Journalistin und Fotografin mit entschlossenem Blick und lässt keinen Zweifel, dass sie allen Lagen trotzen wird, die da noch kommen werden.“
Wir wollen nun nicht oberpingelig werden und fragen, ob Nina Hoss mit entschlossenem Blick spielt oder ob die Fotografin einen entschlossenem Blick hat, da wir nun endlich etwas haben, dem getrost getrotzt werden kann, wenn es schon nicht die Unbillen sind: alle Lagen, die da noch kommen werden.

21. Oktober 2008

Über zu als wie ob

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 22:59

Komisch. Da benutzen sie laufend „über“, ob es nun passt oder nicht, aber wenn man es wirklich benutzen sollte, dann heißt es z.B.: „Gegen Debatte zu Managergehältern“, wie heute auf der Titelseite. Aber Debatten führt man nun wirklich über etwas, zu etwas kann und sollte man Stellung nehmen oder besser schweigen.

Immer noch besser wie Müll reden. Tut das weh in den Ohren? Wenn Sie WAZ-Autor sind, dann bleiben Sie jetzt aber schmerzfrei. Und fabrizieren Sublines wie diese hier auf der Wirtschaftsseite: „Die meisten Führungskräfte haben prozentual keine höheren Einkommenssteigerungen wie Normalverdiener“. Aua!

Das wäre jetzt so’n richtig schöner Schluss für meinen heutigen Eintrag gewesen, aber leider gab es dazu auch noch einen Artikel, in dem z.B. steht: „Zudem können die Chefs von DAX-Firmen in guten Zeit deutlich mehr verdienen …“ und in dem auch schon mal gern auf ein Komma verzichtet wird, wie hier: „Liegt der Umsatz unter einer Million Euro (Komma fehlt!!) sind für den Geschäftsführer …“ oder hier: „In der Wirtschaft sieht man das anders und bezweifelt ob eine Begrenzung praktikabel ist und den betroffenen Banken eher schadet als hilft“.
Und diesem Satz fehlt nicht nur das Komma nach „ob“, sondern auch der Sinn. Denn erstens muss man hier bezweifeln, dass eine Begrenzung praktikabel ist und zweitens fehlt dem zweiten Teil des Satzes der Bezug. Da steht nämlich, genau genommen (und ich nehme hier ja alles immer verflucht genau!): „In der Wirtschaft bezweifelt man, ob den betroffenen Banken eher schadet als hilft“. Und da man das (abgesehen vom schrägen Satzbau) ja gar nicht bezweifeln kann, sondern sich höchstens eine entsprechende Frage stellt, ist das alles so daneben, dass ich bezweifeln muss, ob der Artikel lesbar ist und der deutschen Sprache eher schadet als hilft.

20. Oktober 2008

Von völlig anderem Gewicht

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 23:35

„Das Trio Steinmeier, Müntefering und Steinbrück … ist auch von völlig anderem Gewicht“, erläutert uns der Chefredakteur im Kommentar auf Seite 2. Es gab mal einen Ritter von der traurigen Gestalt, nun gibt es Leute von anderem Gewicht. Und damit wir das auch kapieren, schreibt er weiter: „Drei gestandene Profis … bringen eben mehr auf die Waage als ein … auch rhetorisch nicht allzu tief pflügender Pfälzer“. Dass drei Leute schwerer sind als einer, leuchtet mir noch irgendwie ein. Aber wird man schwerer, wenn man tiefer pflügt? Und wie pflügt man rhetorisch?
Nach dem rhetorischen Pflügen kommen rhetorische Fragen: „Wie lassen sich die anscheinend hilflosen ,kleinen Leute‘ vor einem Teil der Bosse schützen?“ Und schon frage ich mich, gar nicht rhetorisch tief pflügend: Warum nur vor einem Teil? Und vor dem anderen Teil nicht? Vermutlich hat er gemeint, dass nur ein Teil der Bosse so schlimm ist, dass man die anscheinend (warum anscheinend?) hilflosen kleinen Leute davor schützen muss. Hat er aber nicht geschrieben. Und kann man von einem Chefredakteur nicht erwarten, dass er schreibt, was er meint?

18. Oktober 2008

Die Enthaftungsmentalität hat den Pfeiler der Wettbewerbswirtschaft eingerissen

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 22:03

Wenn Sie sich jetzt fragen, was damit eigentlich gemeint ist, geht es Ihnen ähnlich wie mir. Vor allem fragt man sich: Was ist überhaupt eine Enthaftungsmentalität und von welchem Pfeiler ist die Rede? Darum habe ich dann den dieser Subline zugehörigen Artikel auf der heutigen Wirtschaftsseite gelesen. Aber wird man dadurch schlauer?
Wohl kaum, denn diese Rätsel werden nicht nur nicht gelöst (weil man weder diesen merkwürdigen Pfeiler, noch die Enthaftungsmentalität, noch die Wettbewerbswirtschaft findet), sondern es werden auch noch Sätze formuliert wie: “ … als diese Blase … prall gefüllt war …“, wo es doch fast zum Wesen einer (Seifen-)Blase gehört, dass sie platzt und dann eben nichts enthält; oder: „holten sich abertausende Tretminen in die Bilanzen“, was wohl noch nicht einmal ein Wirtschaftswissenschaftler versteht; oder: „erstmals … hat die Politik die Möglichkeit, auf Augenhöhe der Globalisierung zu kommen“, was nun leider kompletter Unsinn ist, denn weder hat die Globalisierung Augen, auf deren Höhe man kommen könnte, noch ist das Bild hier überhaupt angebracht, weil man normalerweise versucht, mit irgend jemandem auf Augenhöhe zu verhandeln oder wenigstens zu sprechen, was man mit der Globalisierung beim besten Willen nicht kann, noch ist das Ganze auch nur einigermaßen grammatikalisch korrekt, denn zumindest hätte es heißen müssen: „auf Augenhöhe mit der Globalisierung zu kommen.“ (Hrrrmmpf!! Tief Luft hol!)
Und zusätzlich, sozusagen als Pfeiler der Enthaftungsmentalität des Autors, gibt es noch eine Reihe von Tippfehlern (wenn sie das mal sind!) und schrägen Formulierungen: „Das, was uns da seit drei Wochen Heim sucht …“ Oder: „Bürgschaften, Kredite, Kapital – retten eben und gut.“ Oder: „Es wäre viel zu einfach (Komma fehlt!) jetzt zu rufen …“ Und schließlich: „Wer Fachbücher über zu den neoliberalen Konzepten … lesen will“.
Tja, da fühle ich mich jetzt eben und gut über zu Heim gesucht. Oder enthaftet.

17. Oktober 2008

Zurecht vom allerfeinsten

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 13:52

Erhitzte Gemüter kann man beruhigen. Die große Krise kann laut WAZ aber noch mehr, wie wir heute im Kommentar auf Seite 2 lesen können: „Sie konzentriert die Gemüter.“ Phänomenal! Dennoch komme ich damit irgendwie nicht zurecht.

Genauso wenig wie die WAZ-Autoren mit der Groß- und Kleinschreibung. Denn auf der „Rhein-Ruhr“-Seite „rüffelt der Diplom-Ökonom und Alternativbanker die eigene Branche, von der er sich so gern distanziert. Zurecht, wenn man bedenkt, welche Schauergeschichten seit mehreren Monaten über die Banken weltweit zu Tage treten.“ Dabei rüffelt er doch zu Recht, zumindest im Sinne der deutschen Rechtschreibung. (Und von den Schauergeschichten, die nicht erzählt werden, sondern zu Tage treten, was normalerweise Wahrheiten vorbehalten ist, wollen wir jetzt mal schweigen). Kurz danach haben wir dann noch die „Transparenz vom allerfeinsten“, die doch vom Allerfeinsten ist, zumindest, wenn die Rechtschreibung zu Tage tritt.

16. Oktober 2008

Harte Einschnitte mit Rücksicht an die Hinterbliebenen

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 21:53

Was es alles für Einschnitte gibt! Tiefe, heftige, blutende. Die WAZ fügt nun noch eine Variante hinzu: „Bei den Banken werde es … harte Einschnitte geben“ können wir heute auf der Seite 2 lesen. Man kann sich schon vorstellen, dass es für die Banker hart wird, wenn die Einschnitte erfolgen, aber dass dadurch aus weichen harte Schnitte werden, wage ich zu bezweifeln.

Ein interessantes Adjektiv gibt es heute auch auf der Welt-Seite, wo im „Madonna“-Artikel „Frau Mutter … die Paparazzi mit dem schmallippigen Kommentar … zu vertreiben sucht“. Ich nehme mal an, dass Frau Mutter schmallippig ist, denn einem Kommentar dürfte so etwas schwer fallen.
Kurz davor ein Satz, bei dem man nach Luft schnappen muss: „Madonna hat meine Ehe zerstört, behauptete Alex Rodriguez, … und versorgte damit die Propheten des Unheils mit frischem Futter.“ Das wusste ich noch nicht, dass Propheten frisches Futter benötigen. Aber ich kannte bisher ja auch keine Propheten des Unheils …

Auch den neuen Gebrauch einer Präpositon dürfen wir kennen lernen: „Er appellierte an die Medien, mit Rücksicht an die Hinterbliebenen die Berichterstattung über den Unfall einzustellen“, steht im Haider-Artikel auf derselben Seite. Dazu erspare ich mir hier jeden dicklippigen Kommentar mit Rücksicht an den Autor.

15. Oktober 2008

Griff ins Wespennest

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 20:49

Heute hat der Chefredakteur höchstselbst mal wieder zugeschlagen: von einem „weltweiten Geld-Tsunami, dessen Folgen niemand vorhersehen konnte“, erzählt er uns im Kommentar auf Seite 2 zur Finanzkrise. Dabei hätte ich das gar nicht so schlecht gefunden: Eine große Geldwelle, die über uns zusammenschlägt. Ehrlich gesagt, da warte ich eigentlich schon lange drauf. Im Geld schwimmen. Das hat er aber irgendwie nicht gemeint. Doch was dann?
Auch mit den weiteren Formulierungen hab ich so meine Probleme: „Ob es am Ende hätte so schlimm kommen können wie am Schwarzen Freitag 1929, konnte guten Gewissens niemand mehr ausschließen.“ Gemeint ist wohl eher: Dass es hätte so schlimm werden können, konnte niemand ausschließen. Oder: ob es hätte so schlimm werden können, konnte niemand wissen. Oder bin ich hier wieder zu pingelig?
Auch dass „den Bürgern in diesem Moment atemlosen Erschreckens ein Stück existzenzieller Sicherheit zurückgegeben“ wurde, halte ich für reichlich übertrieben, und nicht nur wegen des überflüssigen „z“ in der Existenz.
Aber das merkwürdigste Bild kommt zum Schluss: „Greife niemals in ein Wespennest. Aber wenn Du greifst, dann greife fest.“
Von einem Griff ins Wespennest habe ich noch nie vorher gehört. Von einem Stich schon. Oder von einem Griff ins Klo.

14. Oktober 2008

Im Schlagschatten der Finanzkrise schärfer auf die Finger gucken

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 21:08

Wir finden ihn heute auf der Wirtschafts-Seite, den „Schlagschatten der Finanzkrise“, in welchem die Tarifrunde startet. Es mag ja sein, dass ein Ereignis überschattet wird, und gegebenenfalls auch von einer Finanzkrise, aber dass eine Krise einen Schlagschatten wirft, kann wohl nur einem WAZ-Autor einfallen.
Da wundert es kaum noch, dass die „Lohnforderung auf ein Arbeitgeberlager … prallt„.

Beim Lesen der zweiten Sport-Seite musste ich mich dann allerdings wieder wundern: „Schärfer auf die Finger gucken“, will man da, wie uns schon die Headline in großen Lettern verspricht. Nun kann man gerne genauer hinsehen, vielleicht sogar schärfer. Man kann auch jemandem auf die Finger gucken,, dann will man ihn kontrollieren. Aber erst unscharf und dann schärfer auf die Finger gucken kann man nur bei der WAZ.

Was haben wir noch? Ein verirrtes Personalpronomen auf der Titelseite: „Es ist ein großes Versprechen, das die Kulturhauptstadt gibt. Hoffen wir, dass sie es halten„. Wer sind sie? Jedenfalls nicht die Kulturhauptstadt, denn die käme im Singular daher.

Sodann mal wieder einen unmöglichen Komparativ: „Auch die Verteilung der Einkommen ist immer ungleicher geworden“, lässt uns auf Seite 2 ein berühmter Historiker wissen, womit einmal mehr bewiesen ist, dass auch berühmte Wissenschaftler bisweilen Humbug von sich geben. Denn selbst wenn es in „Animal Farm“ heißt, dass manche Tiere gleicher seien als andere, sollte man daraus nicht unbedingt den Schluss ziehen, dass auch das Gegenteil möglich ist.

Und zum Schluss mal ein Kombinations-Sprachbild: „Es ist allzu einfach, bösen und gierigen Bankern den Scherbenhaufen vor die Tür zu kippen“. Sorry, aber das ist es nicht. Man kann einen Scherbenhaufen anrichten oder hinterlassen (den dann andere zusammenfegen müssen). Das heißt dann, dass jemand eine ziemliche Katastrophe angerichtet hat. Oder man kann jemandem Müll vor die Tür kippen, vielleicht auch Kuhmist. Was wiederum bedeutet, dass man mit irgend etwas nichts mehr zu tun haben will. Wenn man aber den Müll nicht trennt, dann kippt man den Scherbenhaufen mit dem Bade aus.

13. Oktober 2008

Befreiende Worte auf dem Ölteppich

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 21:06

Nach ein paar Tagen WAZ-Abstinenz (ich war einige Zeit im Ausland) überfällt mich die Bildersprache meiner Lieblingszeitung gleich wieder mit voller Wucht – und das schon auf der Titelseite. Nicht nur, dass „die televisionäre Verblödungsmaschinerie in dieser schalen Kölner Show ihren vorläufigen Höhepunkt erlebt“ oder „die kulturpessimistische Welt über die Galle des greisen Büchernörglers jubelt“, es wurde auch „ein reinrassiges Kulturgewächs ans Mikro“ geholt, „das nicht mehr viel zu verlieren hat“. Die schönste Erkenntnis ist aber die folgende: „Abende wie die Fernsehpreisgala sind Verabredungen auf dem Ölteppich eilfertiger Schmeicheleien.“
Ein Ölteppich entsteht normalerweise nach einem Tankerunfall auf dem Meer. Hier entsteht er aber durch Schmeicheleien. Das könnte ich noch verzeihen, wenn diese nicht auch noch eilfertig wären. Und dann kann man sich auch noch auf dem Teppich verabreden. Allerdings als Abend. Nein, als Abend wie. Und so gesehen, ist dann auch „eine Mutmaßung als Wermutstropfen gestattet“.

Im Kommentar auf der Seite 2 kann man dann „eines schweren Hitzschlags bezichtigt“ werden und pleitegehen, obwohl man zumindest nach der neuen Rechtschreibung hätte Pleite gehen müssen.
Das anschließende „Tohuwabohu vor einstürzenden Bankbauten“ will ich noch mal durchgehen lassen, obgleich man sich fragt, warum es nicht nach dem Einstürzen entsteht, aber dass „keine größere Kanone als die mögliche Verstaatlichung“ blieb, „um den Schrecken zu vertreiben“, leuchtet mir nicht wirklich ein. Denn wie soll man mit einer Kanone, mit der man ja sonst gerne auf Spatzen schießt, nun ausgerechnet Schrecken vertreiben?
Vielleicht, indem man den Versuch startet, „aus dem vermeintlichen Scheitern einer neoliberalen Idee politische Süppchen zu brauen“? Kann nicht klappen, weil man Süppchen kocht, während sich vielleicht irgendwas Schlimmes zusammen braut.

Da wundert es nicht, dass wir es auf der Seite 3 mit dem „Zorn des alten Mannes“ zu tun bekommen. Zumal sich MRR anschickte, „den schönen Schein einfach auszuknipsen, als schon mehr als die Hälfte der Aufzeichnung glimpflich über die Bühne gegangen war.“ Ich weiß nicht, wie man einen schönen Schein ausknipst und kenne allenfalls Leute, die glimpflich davon gekommen sind, oder Veranstaltungen, die über die Bühne gehen, aber nichts und niemanden, der glimpflich über die Bühne geht.
Wie auch immer. „,Blödsinn‘ sei all das hier gesehene“, müssen wir weiter lesen, ich vermute aber, dass MRR das Gesehene (Substantiv!) gemeint hat, Literaturpapst, der er ist. Und wenn er dann „hoch empört und in charakteristischer Manier ins Mikro … raunzt“, dann frage ich mich, warum er nicht tief empört ist. Vielleicht, weil seine befreienden Worte auf dem Ölteppich gebraut wurden?

11. Oktober 2008

Die Zerreißprobe ist ein Trauerspiel

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 21:05

So steht es zumindest heute im Kommentar auf der Titelseite: „Die Zerreißprobe der Dortmunder SPD ist ein Trauerspiel.“ Das ist aber noch nicht alles, denn „zwar ist mit dem Verzicht Gerhard Langmeyers … der Vorhang gefallen. Allerdings ist erst ein Akt vorbei.“ Aha!
Und noch mehr Wunderliches geschieht: „Die grassierende Politik-Verdrossenheit, die in Wahrheit eine Parteien-Verdrossenheit ist, hat neue Nahrung erhalten.“ Ich weiß auch nicht, wie das geht, dass eine Verdrossenheit Nahrung erhält, aber bei der WAZ ist ja nichts unmöglich.
Auch das hier nicht: „Diskutiert wird jetzt über Langemeyers angebliche Verfehlungen, sein Missmanagement, seinen Machttrieb.“ Machthunger ist bekannt, Machtstreben ebenfalls, und vielleicht treibt den Langemeyer auch irgend etwas an, aber ein Machttrieb ist weder in der Psychologie noch in der deutschen Sprache bekannt (außer vielleicht bei Journalisten, die ja gerne von einander abschreiben).
Und zum Abschluss des Artikels lesen wir noch Folgendes: „Dass Dortmund unter seiner Regie einen beachtenswerten Schub nach vorne gemacht hat, rückt in den Hintergrund.“ Dabei bekommt man entweder einen Schub oder man macht einen Sprung. Nun ja, aber warum sollte auch ein WAZ-Autor auf solche Sachen Rücksicht nehmen, wenn er ein Trauerspiel schreibt?

Die Wirtschaftsseite überrascht uns mit dieser Überschrift: „Autobänder stehen noch länger still“. Was, bitte schön, sind Autobänder? Sind es „Selbst“-Bänder? Also eine Art Schlips? Oder ist ein Autoband etwas, das man um sein Auto(mobil) schlingt, um es hübscher zu machen? Nichts dergleichen. Der Artikel klärt uns auf, dass bei Opel in Bochum die Bänder stillstehen. Also die Fließbänder. Und nicht die Autobänder.

Ansonsten ist dann der Essener Lokalteil noch ziemlich ergiebig. In der Unterzeile zur „Lupus“-Kolumne bleiben „Stadt und Oberbürgermeister … hart in der Frage Philharmonie-Intendant“.
Im Artikel selbst wird gefordert: „Eine Brücke muss her, die die Verbindung zwischen Stadt und Sponsoren wiederherstellt“.
Und noch bevor wir uns von der Brücke erholt haben, lesen wir Folgendes: „Die Theater und Philharmonie GmbH … muss auch künftig ein Essener Leuchtturm bleiben.“ O-Oh, muss es denn unbedingt wieder ein Leuchtturm sein? Und wenn schon, dann reicht es, wenn man entweder sagt: „er soll es auch künftig sein“ oder: „er soll es bleiben“. Soll er es „auch künftig … bleiben“, ist es reichlich doppeltgemoppelt.

Eine Seite weiter sagt ein Essener Buchhändler, von dem man eigentlich Besseres erwarten sollte: „Nach der anfänglichen Schockstarre über die Entscheidung habe ich mich … informiert“. Allerdings wohl nicht über den Gebrauch von Präpositionen und so sind wir wieder bei der Universalpräposition gelandet, darüber könnte ich dann glatt in eine Schockstarre verfallen.

Noch eine Seite weiter haben wir dann einen Artikel über eine Straßenbahnlinie, und hier heißt es: „Mit mehr als 37000 Einssteigern pro Tag ist sie die Abstand nachfragestärkste Linie…“ Jetzt würde ich direkt nachfragen, ob’s auch Zwei- oder Dreisteiger gibt, aber ich befinde mich noch immer in Schockstarre…

10. Oktober 2008

Den Hasardeuren Grenzen ziehen

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 23:43

Okay, man kann Grenzen ziehen. Quer durch die Landschaft, vielleicht von Ost nach West. Die WAZ schafft es aber auch mit den Hasardeuren: „Gleichzeitig ist es überreif, den Hasardeuren in der Bankenwelt deutliche Grenzen zu ziehen.“
Wer oder was ist überreif? „Es“! Na gut, da will ich nicht weiter drauf rumreiten, aber das mit den Grenzen geht so wirklich nicht. Denn wenn man jemandem klarmachen will, wo deutliche Grenzen sind, dann setzt man ihm welche.
Sonst müsste ich jetzt den WAZ-Schreibern deutliche Grenzen ziehen. (Mann, hört sich das furchtbar an!)
Und auch, „dass sich die abgehobenen Spekulanten nie wieder ungeschoren die Taschen füllen können“, gefällt mir nicht, weil ich gerade überlege, wie sich bodenständige (ist das das Gegenteil von abgehoben?) Spekulanten geschoren die Taschen füllen.

Einen Kommentar tiefer haben wir dann noch mal Spekulanten, jetzt aber weniger abgehoben, dafür mit doppelter Verneinung: „Denn eines werden die … Spekulanten nicht tun: Sie werden nicht das System infrage stellen …“ Darum werde ich jetzt eines nicht tun: Die WAZ-Kommentare nicht schlecht finden. Oder nicht gut?

9. Oktober 2008

Tote tragen keine Karos …

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 13:44

Von wegen! Man kann sogar kleinkariert tot sein, wie uns die WAZ im Kommentar auf Seite 2 über die Stadt Essen berichtet: „Stellt sich kleinkariert tot, weigert sich, ihren Entschluss zu überdenken …“

Doch auch der Finanzminister hat’s nicht leicht: „Die Nachrichten zu bündeln, den Faden zu behalten und angemessen zu reagieren, ist derzeit die Hauptaufgabe des Ministers, der dies körperlich vor allem in Form glühender Ohren erlebt, wegen des Handys“ steht auf der Politik-Seite. Hab ich mich verzählt? Ich komme immer auf drei Tätigkeiten, die die Hauptaufgabe ist. Wobei ich mich gleichzeitig frage, welchen Faden der Finanzminister da behalten will. Den roten? Von einem Sozialdemokraten wäre das zu vermuten, aber die WAZ lässt uns wieder einmal mit unseren Vermutungen allein und es könnte auch sein, dass die Fäden bei ihm zusammen laufen oder er an denselben ziehen will, sofern er dann nicht Strippen vor-zieht. Und zusätzlich bringt er noch das Kunststück fertig, das alles in Form glühender Ohren zu erleben. Und auch noch körperlich!
Sein Erlebnis geht aber noch weiter: „Das alles erlebt Steinbrück wie eingeklemmt“. Wie macht man das denn? Leider erfahren wir das nicht, auch nicht, zwischen wem oder was er eingeklemmt ist und und was der Autor überhaupt damit meint.
Und was ist, wenn „die Äußerung jetzt möglichwerweise ein Nachspiel“ hat, wie wie ein paar Zeilen zuvor vernehmen durften? Werweiswas …

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