WAZblog Waz man seinen Lesern eigentlich nicht zumuten sollte …

23. Juni 2009

Der Stoff, aus dem Wut gekocht wird

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 19:50

… begegnet uns heute im Seite-1-Kommentar: „Vollsperrung erst in die eine, dann in die andere Richtung – das ist der Stoff, aus dem Wut gekocht wird.“
Und ein paar Zeilen tiefer das Wortungetüm: „An-der-A40-Wohner“. Ist das so etwas wie der „Brötchen-über-der-Spüle-Aufschneider“?
Der Artikel endet mit einer merkwürdigen Zeichensetzung, die seit einiger Zeit bei der WAZ vermehrt zu beobachten ist: Den Doppelpunkt an einer falschen Stelle zu platzieren und das dann noch irgendwie bedeutungsvoll daher kommen zu lassen. „Die Katastrophe bei der letzten A40-Vollsperrung … sie blieb: aus.“ Eine solche Art des Schreibens, sie bleibt: doof.

22. Juni 2009

Nicht wirklich frenetisch

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 20:05

„Nicht wirklich“ ist ja nicht wirklich richtiges Deutsch. „Not really“ heißt es eher im Englischen und meint dort so etwas wie „eigentlich nicht“. Und da die WAZ bekanntermaßen jede sprachliche (Un-)Sitte mitmacht, könne wir heute auf der Seite 2 lesen, dass beim Linken-Parteitag Oskar Lafontaine „nicht wirklich frenetisch gefeiert“ wird. Wobei allerdings die Rückübersetzung, wonach er eigentlich nicht frenetisch gefeiert wird, ein mindestens genauso großer Blödsinn ist. Denn kann ein Beifall zwar frenetisch, aber eigentlich nicht frenetisch sein? Nicht wirklich.

20. Juni 2009

Ungeschminkte Warnung bei Polizist

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 20:19

Grundsätzlich ist gegen einen etwas blumigen Sprachstil wenig einzuwenden. Es kann aber auch ein bisschen zu blumig werden. Wie heute im Seite-2-Kommentar: „Die Botschaft kam nicht über die Rampe“. Worüber kam die nicht? Über die Rampe? Welche Rampe? Hm, muss eine neue Redensart sein. Eine sehr neue.
Es geht genauso blumig weiter: „Zwar liegt bis zum Inkrafttreten viel politisches Buckelpflaster vor uns.“ Diese Redensart ist noch neuer. Was ist politisches Buckelpflaster, von dem viel vor uns liegt?
Egal, denn „die Aussichten stehen gut, dass im Oktober die neuerliche Volksabstimmung in Irland glückt und der Karren damit endlich durchs Ziel rumpelt.“ Man hat schon von Karren gehört, die aus dem Dreck gezogen wurden, aber selten sind sie anschließend ins Ziel gerumpelt. Muss wohl an dem politischen Buckelpflaster liegen.
Hauptsache, „die EU bekommt also durch terminliche Fügung die Chance, Schwung für einen echten Neustart mitzunehmen.“ Find ich auch. Da nehmen wir den Schwung mit, dann müssen wir ihn nicht holen.
Am Ende haben wir es dann noch mit folgenden Typen zu tun: „Ein übersteuerter französischer Präsident, eine untersteuerte Bundeskanzlerin, der von beiden wieder bestellte, (Komma überflüssig) umstrittene Kommissionschef Barroso, exzentrische Nationalpotentaten Marke Belusconi.“ Wie, bitte schön, muss man sich über- bzw. untersteuerte Politiker vorstellen? Ist das finanzpolitisch zu sehen oder sind die Herrschaften einfach nur überdreht? Bzw. wäre die Kanzlerin dann ja unterdreht. Geht auch nicht. Ja, was dann?

Immerhin haben wir auf der Rhein-Ruhr-Seite in einer kleinen Überschrift „Mexico-Grippe bei Polizist in Köln“. Bei wem? Etwa bei dem Polizisten? Wer wird denn so kleinlich sein? Ich hier.

Fast so kleinlich wie Ayatolla Chamenei, der laut Politikseite das Wahlergebnis bestätigte, „um dann überzugehen in eine ungeschminkte Warnung.“ Diese Ayatollas können ja Dinge, die kein Mensch sonst hinkriegt. Sie gehen über, zum Beispiel. Und dann auch noch in ungeschminkte Warnung! Wo wir doch höchstens ungeschminkte Wahrheiten kennen. Warnung hin, Wahrheit her, wer wird da so kleinlich sein?

19. Juni 2009

Gegen etwas siegen, für alles wappnen, auf die Trommel hauen und bei Tische sitzen

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 19:54

Komisch, sonst nehmen sie so gern „über“. Und wenn es mal angebracht wäre, dann benutzen sie „gegen“. So heute im Seite-2-Kommentar: „Es siegte die praktische Vernunft gegen die Sorge, dass einen Hintertür für die Sterbehilfe geöffnet wird.“

Mit den Präpositionen geht es heute ohnehin ein bisschen durcheinander: „Beschäftigte und Kunden des Traditionshauses müssen sich für alles wappnen“, so steht es im Wirtschaftskommentar, dabei wäre hier nun wieder die Präposition von der Seite 2 angebracht gewesen, denn man wappnet sich gegen etwas.

So würde man sich auch bestimmt gern gegen bestimmte Formulierungen wappnen, denn nach dem Umblättern „haut Verdi auf die Trommel.“ Wirklich schade, dass Verdi nicht auf die Pauke haut oder die Öffentlichkeit aus dem Schlaf trommelt, denn dann wären die Redensarten wieder einigermaßen sortiert.
Egal, Hauptsache: laut, denkt da der durchschnittliche WAZ-Redakteur und schreibt weiter: „Damit sitzt ein Mann mit grünem Parteibuch als stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsgremiums bei Tische …“ Bei Tische sitzen hat etwas mit Essen zu tun, denn sonst würde man einfach mit am Tisch sitzen; und das Ganze hatten wir schon einmal, was mich in der Auffassung bestärkt, dass WAZ-Autoren gern von einander abschreiben.

18. Juni 2009

Eingeschränkte Respektsbezeugung

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 20:45

Was das sein soll? Keine Ahnung! Steht aber heute im Seite-1-Kommentar: „Ganz früher schritt der ‚Schutzmann‘ unter uneingeschränkter Respektsbezeugung durch sein Quartier.“ Also muss ja auch eine eingeschränkte geben. Zugegeben, das war jetzt ein bisschen korinthenkackerisch. Aber der ganze Satz ist doch irgendwie ziemlich dämlich, oder?

17. Juni 2009

Waz man den Lesern alles Glauben machen kann …

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 21:16

Da fangen wir doch auch direkt mal mit Glaubensfragen an. Bekanntermaßen fragt Gretchen den um sie werbenden Faust in Goethes Drama: „Nun sag, wie hast du’s mit der Religion?“ Und bringt ihn damit ins Schwitzen, weil er da so direkt und rundheraus nach etwas gefragt wird, um das er sich gerne herumgedrückt hätte. Schließlich war er ja mit dem Teufel im Bunde. Eine solche direkte, unangenehme Frage, die jemanden entlarven kann, nennt man daher gerne „Gretchenfrage“.
Und nun das hier im Seite-2-Kommentar: „Alles muss sich ändern, aber wie? Das ist die Gretchenfrage in der aktuellen Klimaschutz-Debatte.“ Demnach wäre jede Frage eine Gretchenfrage. Auch die nach dem Wetter von morgen.

Auf der Wirtschaftsseite: „Davon will Dawney-Day-Tochter Mercatoria als Verwalterin der Liegenschaften aber nichts wissen. ‚Wer den Mitarbeitern von Hertie und der Öffentlichkeit Glauben macht, es gäbe über Nacht einen neuen Investor, treibt ein böses Spiel mit der Hoffnung der Menschen‘, ließ Mercatoria gestern wissen. Man macht aber nicht jemandem irgendeinen Glauben, sondern man macht jemanden glauben, und da steht nun einmal der Akkusativ und außerdem wir es klein geschrieben. Also macht man z.B. die Mitarbeiter und die Öffentlichkeit glauben, dass das alles etwas mit dem Glauben zu tun hätte.

16. Juni 2009

Mit einem Federstrich radieren

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 19:32

Fürs Schreiben (auf Papier) benutzt man beispielsweise einen Bleistift. Manchmal auch einen Kugelschreiber oder einen Füller. Bevor Letzterer erfunden wurde, nahm man die Feder. Zur Fehlerkorrektur kann man einen Radiergummi benutzen. Das funktioniert aber nur beim Bleistift. Bei der Feder musste man durchstreichen, und das nannte man einen Federstrich. Beide Vorgehen fanden ihren Eingang als Redewendung in die Sprache: So spricht man von „ausradieren“, wenn etwas vernichtet wird oder auch davon, dass etwas „mit einem Federstrich“ abgeschafft wird. So einfach lagen die Dinge bisher. Die WAZ wäre nicht die WAZ, wenn es ihr nicht gelänge, auch hier Verwirrung zu stiften. „Nokia radierte 2300 Jobs in Bochum mit einem einzigen Federstrich aus“, steht im Kommentar auf der Wirtschaftsseite. Möglicherweise werden als nächstes Stellen mit dem Radiergummi gestrichen.
Auch der Satz davor ist nicht schlecht: „Ein Werk wurde geschlossen, Einfacharbeit der Handy-Fertigung verlagert hin zu Billig-Löhnen in Rumänien.“ Fällt es schon schwer, etwas irgendwo hin zu verlagern, so fällt es noch schwerer, es hin zu Billig-Löhnen zu tun. Und was eine „Einfacharbeit“ ist, werden wir wohl auch nicht erfahren. Im Grunde ist also dieser ganze Satz kompletter Unsinn.
Und wo wir gerade bei Unsinn sind, „das ist die Kraft des Ruhrgebiets: Aufstehen, Mund abputzen, weitermachen.“ Nun wüsste man gern, warum sich jemand, der möglicherweise gerade hingefallen ist, ausgerechnet den Mund abputzen sollte. Denn wenn er ins Gras gebissen hätte, könnte er nicht aufstehen. Aber vielleicht gibt es ja auch Leute, die sich nach dem Essen den Hintern abwischen.

Mit Fremdwörtern bleibt’s schwierig: „Vis a‘ vis des alten Landtages, mit Blick auf dessen Park“ ist die originellste Schreibweise von vis-á-vis, die ich in der letzten Zeit gesehen habe.

Und auf der Politik-Seite, in einer Subline, gibt es eine originelle Zeichensetzung: „Ein Fall für den Rechnungshof, und andere Merkwürdigkeiten“.
Im zugehörigen Artikel kann man sich dann noch darüber wundern, dass „das mit viel Getöse 2005 in Kraft getretene Antikorruptionsgesetz vielfach seine Wirlung verfehlt…“

Schade, dass da keiner eine Feder dabei hatte, um das Ganze auszuradieren.

15. Juni 2009

Steimeier kann auch Attacke und unternimmt die Wende gut sichtbar

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 21:20

„Können“ ist ein Modalverb. Modalverben modifizieren ein Vollverb dahingehend, dass sie ausdrücken, ob die Handlung z.B. möglich, gewollt oder notwendig ist (Wiktionary). Das bedeutet, das ein weiteres (Voll-)Verb nötig ist, aber kein Substantiv. In letzter Zeit scheint es Mode zu werden, gleichwohl Substantive damit zu kombinieren. Und die WAZ, die jeden sprachlichen Blödsinn mitmacht, mag da natürlich nicht abseits stehen und formuliert folgende Headline auf der Politik-Seite: „Steinmeier kann auch Attacke“. Und – als wäre das noch nicht schlimm genug, macht sie in der Online-Ausgabe sogar noch einen „Steimeier“ aus unserem Außenminister.
Aber Steimeier hin oder Steinmeier her, dass er Attacke kann und nicht etwa attackieren,
ist offenbar einem Trend geschuldet, der selbst das ZDF veranlasst, eine neue Sendung mit „Ich kann Kanzler“ zu betiteln. Was kommt als nächstes? Ich kann Flugzeug? Du kannst Bundestag. Er kann Zeitung.
Und was kann Steimeier – pardon: Steinmeier – sonst noch? „Auch die Wende in der Wahlkampfstrategie unternimmt der Kandidat gut sichtbar.“ Da muss man bei all diesem Kauderwelsch noch glücklich sein, dass er nicht „Wende kann“. Und die dann womöglich schlecht sichtbar.
Egal – klar ist, was man bei der WAZ nicht kann: Sprache.

13. Juni 2009

Hoffnungslos in die Schuldenfalle tappen

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 19:28

Erstaunliche Erkenntnis heute im Aufmacher: „Immer mehr Bürger tappten im Zuge der Wirtschafts- und Finanzkrise hoffnungslos in die Schuldenfalle.“
Man kann ja wohl nicht erwarten, dass sie hoffnungsvoll reintappen, oder? Aber gemeint ist wohl eher, dass sie hoffnungslos verschuldet sind, und zwar nach ihrem Tappen. Man sollte eben nicht zu schnell reden oder schreiben, denn sonst wächst plötzlich etwas zusammen, das gar nicht zusammen gehört.

11. Juni 2009

Hochwasser in den Hosen

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 20:36

Auf der Titelseite „übte Müntefering heftige Kritik an der Linkspartei. ‚Sie versucht nicht (Komma fehlt!) Arbeitsplätze zu erhalten, sondern will immer nur mehr Geld für die Sozialsysteme.'“ Und den folgenden Satz muss Münte dann auch tatsächlich selbst verbrochen haben: „Vielmehr gehe es darum …, die Menschen in Beschäftigung zu halten.“ Derweil halten wir Hühnchen und Kaninchen in Käfigen.

Das Highlight des heutigen Tages befindet sich allerdings auf der Rhein-Ruhr-Seite: „Es eilen also Männer herbei in weißen Schutzanzügen, mit Mundschutz und Hochwasser in den Hosen …“ Das ist wirklich gut! Beinkleider, die eine Nummer zu klein, also ein bisschen kurz geraten sind, bezeichnet man gern als „Hochwasser“. Aber das Hochwasser in den Hosen weckt leider völlig andere Assoziationen, kicher! Nur gut, dass es inzwischen die 4-Liter-Windel gibt!

10. Juni 2009

Jenseits von Schule und Studium ist der Bonus der Kanzlerin

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 21:09

„Ich versauere hier!“ Diesen Ausruf kann man oft von Leuten hören, die sich z.B. in einem Provinznest entsetzlich langweilen. Dass sich wohl auch Gewässer langweilen können, steht heute im Kommentar auf der Seite 2 zum Klimawandel: „Die Eisschmelze in der Arktis, das Auftauen der Permafrostböden, das Versauern der Meere.“ Nun, ja.

Sodann haben wir wieder einmal eine Begegnung mit dem Jenseits. Auf der Rhein-Ruhr-Seite finden sich die Worte: Ein Motto, das auch für Menschen jenseits von Schule und Studium gilt.“ Ja, und was ist mit den armen Menschen diesseits von Schule und Studium? Und wo ist das überhaupt?

Da hat der SPD-Kanzlerkandidat laut Politik-Seite ein ganz anderes Problem: „Gegen den Bonus der Kanzlerin kommt er einfach nicht an.“ Da hier nicht der Kanzler-Bonus gemeint ist (mit dem man der Vorteil des Amtsinhabers bei Wahlen bezeichnet), was mag da denn gemeint sein? War die Kanzlerin vielleicht nebenberuflich bei einer Bank beschäftigt?

9. Juni 2009

Harte Stimmenverluste, heißer Kern, wackeliger Ast und ein Sitz Straßburg

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 20:11

Ja, das Leben ist hart. Aber es gibt Schlimmeres: Harte Einschnitte z.B. Oder das hier, im Seite-2-Kommentar: „Nach harten Stimmenverlusten bedient die Partei – beschleunigt seit der Finanzkrise – nun wieder die andere Seite …“
Gottseidank gibt es zum Ausgleich das hier: „Sozialdemokratie – das ist bei allem Pragmatismus ohne einen heißen Kern von Gewissheiten, ohne den Traum einer besseren Welt nicht denkbar.“ Denn was sind schon harte Einschnitte gegen einen heißen Kern?

Und was ist ein heißer Kern gegen die völlig unverständlichen Sätze auf der Rhein-Ruhr-Seite: „Dasselbe sagt auch Detlef Find, wenn man den Menschen fragt hinter dem Betriebsratsvorsitzenden: ‚Ich kann mir nicht vorstellen, dass es Karstadt nicht mehr gibt‘, er hat doch gedacht, die Sache sei ‚bombensicher‘, er ist jetzt schon 42 Jahre da. Das macht es für viele ja schlimmer, ihre 22 Jahre oder 13, ‚wir sind eine Familie‘, sagen sie, und wer nicht schon ewig hier arbeitet, war vorher hier einkaufen.“
In dem Stil geht es noch weiter: „‚Wir sind ein Stück Deutschland‘, halten sie den Passanten auf Schildern entgegen, ‚Ohne Karstadt stirbt die Innenstadt‘, die sie später noch verlassen für einen Autokorso hier und da. Angestellte sind unter ihnen, die haben sich von Hertie zu Karstadt gerettet, und nun ist es schon wieder ein wackeliger Ast.“ Den wackeligen Ast finde ich besonders originell. Bisher kannte ich den Ast, an dem man sägt, obwohl man selbst drauf sitzt, auch ein wackeliger Stuhl oder Zahn ist mir schon unter gekommen. Da ist dieser Ast doch eine echte Innovation.

Mit unverständlichen Formulierungen kann auch die Politik-Seite aufwarten: „Doch die Mehrheit liegt bei 368 beziehungsweise 379 (wenn der Lissabon-Vertrag in Kraft tritt) – der ‚Koch‘ braucht als ‚Kellner‘.“ Versteht das jemand? Und am Ende des Artikels kann man lesen: „Ganley selbst … wird vermutlich keinen Sitz Straßburg bekommen.“ Wie wäre es stattdessen mit einem Sitz Paris? Oder einem Toast Hawai?
Aber bei den harten Stimmenverlusten ist das wohl eher ein wackeliger Ast mit heißem Kern.

8. Juni 2009

Auf die Frage abschneiden und an Trümmer klammern

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 21:11

Im Titelseiten-Kommentar schreibt der Chefredakteur über den „CSU-Mann Guttenberg – und der schneidet auf die Frage, wer uns am besten durch die Krise führt, fast doppelt so gut ab wie der SPD Kanzlerkandidat.“ Gut oder schlecht abschneiden kann man allenfalls bei einer Umfrage, auf eine Frage kann man höchstens antworten.

Und die folgende Formulierung auf der Politik-Seite schneidet da auch nicht besser ab: „Sie wünschen sich mehr Sicherheit und sie verbergen auch nicht ihre Wut über eine EU, die ihrer Ansicht nach zu fern ist von ihrer Heimat ist.“

„Der Regierungschef klammerte sich gestern an die Trümmer seiner politischen Karriere …“ steht auf der nächsten Politik-Seite. Nun gut, soll er sich klammern. Auch wenn die einen vor den Trümmern ihrer Karriere stehen, während die anderen sich an ihre letzte Hoffnung klammern.
Das ist jedenfalls auch nicht schlimmer, als „mit den massiven Labour-Stimmverlusten das Momentum ihrer Rebellion vorwärts zu treiben“ wie man gegen Ende des Artikels lesen kann. Wie sie das hinkriegen wollen, wird man wohl nicht erfahren, denn ein Momentum hat etwas mit Börsenkursen zu tun, und der Duden kennt das Wort überhaupt nicht.
Egal, denn „kurz vor diesem für Brown brenzligen Treffen sind weitere E-Mails aufgetaucht, die seinen Charakter diskreditieren.“
Eine brenzlige Situation kennt man, ein brenzliges Treffen ist nicht so bekannt. Dafür aber ist hier wenigstens „E-Mail“ richtig geschrieben, was man von dem Folgesatz nicht behaupten kann: „Die Email aus dem Jahr 2008 wurde pikanterweise öffentlich, nachdem Brown ihn vergangene Woche als seinen Stellvertreter eingesetzt hatte.“ Hier ist nämlich eher von Kochtöpfen die Rede als von elektronischer Post.
Aber vielleicht klammert sich hier jemand an die Trümmer der Sprache, um auf die Frage nach richtigem Deutsch besser abzuschneiden und das Momentum seiner Rebellion gegen unsere Muttersprache noch ein bisschen vorwärts zu treiben.

6. Juni 2009

Prozent des Betriebe auf Kampen

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 15:28

Sylt ist eine Insel. Ortsbezeichnungen bei Inseln verlangen die Präposition „auf“ statt „in“. Also war man „auf Sylt“ und nicht „in Sylt“. Ist man aber in einem Ort auf Sylt, bleibt es natürlich bei „in“. Soweit, so schön. Was muss man aber in der WAZ lesen? „Am Mittwochabend hab es einen Einsatz auf Kampen“, erzählt man uns auf der Gesellschaftsseite.

„Gleichzeitig stufen rund 55 Prozent des Betriebe die Lage als schlecht oder sehr schlecht ein“, lässt uns die Wirtschaftsseite wissen.

5. Juni 2009

VSteinmeier tabuisiert auf Gegenseitigkeit

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 06:24

Was ein IM ist, wissen wir durch die unsäglichen Stasi-Geschichten. Und einen V-Mann kannten wir auch schon, irgendwie. Aber was ist das hier, was uns auf der Wirtschaftsseite begegnet? „VSteinmeier kann sich indes vorstellen …“ Der VSteinmeier, eine neue Agenten-Art? Oder ist es nur eine Abkürzung für „Vrank-Walter? Es muss ein Geheimnis bleiben.

„Wer anderes behauptet, huldigt einem arg idealistischen Menschenbild“, steht im Seite-2-Kommentar, und wer wollte da widersprechen? „In begründeten Einzelfällen und unter Beachtung der Rechtslage sollte deshalb auch Observation nicht völlig tabuisiert werden“, heißt es weiter und damit ist klar, das in unbegründeten Fällen unter Nichtbeachtung der Rechtslage Observation völlig tabuisiert werden kann. Das ist ja beruhigend.

„Das Publikum dankte mit freundlichem Applaus wie auch bei vielen anderen Passagen der Grundsatzrede, die alle heißen Eisen zwischen der muslimischen Welt und den USA abhandelte …“, lässt uns die Politik-Seite wissen. Zwar werden heiße Eisen im Regelfall angepackt, da sie sich im vorliegenden Fall aber zwischen den Muslimen und den USA befinden, was ein völlig ungewöhnlicher Platz für heiße Eisen ist, mögen sie stattdessen vielleicht auch abgehandelt werden.
„Fehler der Vergangenheit ehrlich einzugestehen, sei Vorraussetzung für jeden Neuanfang“, ist ein paar Absätze weiter zu lesen und leider hat sich hier direkt schon wieder ein neuer Fehler eingeschlichen: Voraussetzung schreibt man nämlich nur mit einem „r“.
Ein paar Zeilen weiter “ … versprach er einen Kurswechsel, der Folter verbietet und das Gefängnis in Guantanamo schließt.“ Wobei allerdings anzunehmen ist, dass eher der US-Präsident derjenige ist, der Folter verbietet und Gefängnisse schließt, nicht der Kurswechsel.

„Tagelang wurden Alternativen gesucht, um dem demokratischen Kandidaten im amerikanischen Wahlkampf nicht zu viel, aber auch nicht allzu wenig Ehre zu erweisen“, steht im Artikel darunter. Wie erweist man jemandem allzu wenig Ehre?
Nicht ganz einfach. Und das Folgende auch nicht: „Den Bildern wird man kaum ansehen, dass Irritationen zwischen dem US-Präsidenten und der Kanzlerin stehen.
Es geht noch schlimmer, denn „der Reiseplan Obamas, in dem Deutschland nur als Zwischenaufenthalt vorgesehen ist, spricht drei bis vier Bände.“ Ist das jetzt Heinz Ehrhardt für Arme?
Denn ich muss drei- bis viermal stutzen, wenn ich das lese und daran ändern auch nichts „die ungelenken Platzierungsversuche im letzten Jahr, die schließlich an der Siegessäule endeten.“
Es kann nur noch schlimmer werden: „Obama will Merkel in ihrem Wahlkampf nicht allzu wenig Ehre erweisen, aber auch nicht zu viel.“ Hm, ja, so etwas hatten wir irgendwie schon, nur andersherum.
„Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier kommt erst gar nicht, um einen zweitrangigen Eindruck zu vermeiden“, erfahren wir nun und wundern uns, dass es erst- und zweitrangige Eindrücke gibt. Ich hätte da eher den erstrangigen Eindruck, das der Kanzlerkandidat deshalb nicht gekommen ist, um den Eindruck von Zweitrangigkeit zu vermeiden.
Sei es, wie es sei, zum Abschluss kommt noch eine total verwurstelte Formulierung: „Das Fremdeln zwischen Merkel und Obama beruht auf Gegenseitigkeit …“ Würde z.B. Frau Merkel fremdeln, dann könnte es auf Gegenseitigkeit beruhen, wenn auch Herr Obama fremdeln würde; da das aber weder sie noch Herr Obama tun, sondern nur ein Fremdeln zwischen ihnen ist, ohne dass man weiß, wo es herkommt, mit wem oder was soll es da auf Gegenseitigkeit beruhen?
Vielleicht sollte man da einmal den VSteinmeier drauf ansetzen, sofern er nicht gerade einem arg idealistischen Menschenbild huldigt oder heiße Eisen abhandeln muss, um einen zweitrangigen Eindruck zu vermeiden.

4. Juni 2009

Politikernaus am Abgrund in der Brust

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 21:08

„Britische Regierung in schwerer See“, verkündet eine Headline auf der Titelseite. Im Artikel kann man dann lesen: “ Die britische Regierung steht am Rand des Abgrunds“. Also, wo ist sie denn nun, die arme Regierung? Vielleicht am Arsch der Welt?

Drei Spalten weiter ist „Wittke weiter in der Kritik“ und „in anderen Ländern ist Politikernaus gutem Grund … der Wechsel in die Privatwirtschaft verboten …“

Etwas anatomisch Merkwürdiges können wir im Seite-2-Kommentar lesen: „Zwei Lager schlagen in der Labour-Brust …“ Dachte man bisher, dass es schon schlimm genug ist, wenn zwei Herzen in einer Brust schlagen, wie es die Redensart ausdrückt, so das doch nichts dagegen, wenn es zwei Lager tun. Das muss ja schlimm sein!

Schlimmer ist da nur noch der Verzicht auf das „zu“ bei „brauchen“. Und genau das müssen wir auf der Wirtschaftsseite lesen: „Wer keinen schnellen Rechner mit viel Arbeitsspeicher sein Eigen nannte, brauchte erst gar nicht versuchen, Vista zu installieren.“

Brrr! Da gerät die Sprache von der schweren See direkt in den Abgrund. Und zwei Politikernäuse schlagen in meiner Brust.

3. Juni 2009

Jetzt gehen schon Beraterinnen auf den Strich

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 19:53

Doch zunächst lappt der Chefredakteur voll ins Esoterische: „Die Kanzlerin versucht, die Dinge auszupendeln.“ (Kommentar Seite 2). Dann sitzt sie also da, befragt das Pendel, und fängt dann an zu regieren. Da wundert einen doch gar nix mehr.

Aber dann, auf der Rhein-Ruhr-Seite: Hier erfahren wir vom Elend der Huren in Dortmund: „Ohne Strom, ohne Wasser, ohne Schulen, ohne jede medizinische Versorgung lebten sie dort, berichten die Frauen den Beraterinnen von Kober, die seit kurzem mit einer Dolmetscherin auf den Strich gehen.“ Die Huren gehen auf den Strich, die Beraterinnen und die Dolmetscherin. Was ist das nur für ein Sodom in Dortmund!

2. Juni 2009

Es wird wieder unterfüttert

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 19:28

„Harte Einschnitte“ in einer Unterzeile auf der Titelseite. Bin ja gespannt, wann man endlich auch die weichen Einschnitte entdeckt.

Kein Problem, denn „letzteres wird dadurch unterfüttert, dass Bau-Geschäftsführer Wittke sein Landtagsmandat und die Funktion als CDU-Wirtschaftssprecher behalten will.“ Vielleicht gibt das einem Gerücht neue Nahrung, aber das hat wenig mit Füttern zu tun. Und unterfüttert werden ausschließlich Kleidungsstücke.

30. Mai 2009

Verkehre im Instrumentenkasten

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 20:35

Nein, „Verkehre lassen sich nicht beliebig verlagern.“ Das steht heute im Titelseiten-Kommentar und ist schon allein deshalb wahr, weil es keinen Plural von „Verkehr“ gibt, wär‘ ja auch noch schöner! Jedenfalls nicht im normalen Deutsch, höchstens in Fachsprachen. Aber das macht es nicht besser: Es klingt einfach dämlich.

„Eine Bürgschaft für einen Kredit ist ein Staatseingriff. Der sanfteste, den der Instrumentenkasten bereitstellt“, erfahren wir beim Lesen des Seite-2-Kommentars. Nun ist ein Instrumentenkasten ein Behältnis, das ein Musikinstrument umschließt und schützt, sei es eine Geige, ein Saxophon oder ein Cello. Mit einem besseren Werkzeugkasten, der nun eben Instrumente (im Sinne von Werkzeugen) bereithält, hat das Ganze leider überhaupt nichts zu tun.

Im Artikel daneben steht folgende interessante Erkenntnis: „Eine Insolvenz befördert den Niedergang.“ Ja, wohin denn nur, möchte man fragen. Oder ist hier am Ende doch gar keine Beförderung gemeint? Wahrscheinlich hätte es eine einfache Förderung auch getan, aber das klingt wohl in den Ohren eines WAZ-Autors nicht wichtig genug, und so wird dann eben mal schnell befördert.

Auf der Rhein-Ruhr-Seite kann man lesen, „dass der Bund zügig mit 1,5 Milliarden Euro für Opel in Vorlage geht“. Das ist wieder einer der Sätze, bei denen man erst beim zweiten Lesen merkt, was da schräg ist: Der Bund geht eben nicht in Vorlage, sondern in Vorleistung.

Ansonsten haben wir’s heute einmal mehr mit den Trennungen: Im Essener Lokalteil gibt es einen Mediziner, der „studierte in Mainz und arbeit-
(neue Zeile) ete als Professor in Berlin und Karlsruhe (Komma fehlt) bevor er 1988 dem Ruf ans Essener Klinikum folgte.“ Und im nächsten Absatz „baute er … ein großes Dialysezentrum auf und richt-
(neue Zeile) ete 2006 ein Transplantationszentrum … ein.“
Im Feuilleton gibt es den „Termin-
(neue Zeile) ator und im Artikel darunter „eine militär-
(neue Zeile) ische Formation.
Im selben Artikel „hätte das Parallelen mit dem Anfang der 90er“, obwohl die sich besser zum Anfang der 90er ziehen ließen. Aber vermutlich gab der Instrumentenkasten hier nichts Besseres her.

29. Mai 2009

Hartleibiger Nukleus, steh uns bei!

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 18:36

Wenn die WAZ Fremdwörter benutzt, geht‘s schon mal schief. Im heutigen Aufmacher liest sich das so: „In Videokonferenzen habe sich das US-Ministerium außerordentlich hartleibig gezeigt. Teilnehmer gewannen den Eindruck, dass es den USA allein darum ging, einen Nukleus für eine neue GM zu legen …“ Nun gut, „hartleibig“ ist kein Fremdwort. Ein deutsches Wort ist es allerdings auch nicht.
Kommen wir daher lieber zu dem echten Fremdwort: Ein Nukleus ist z.B. ein Atomkern. Kann aber auch ein Zellkern sein. Nur, wie man so etwas legen kann, selbst für eine neue GM, und wenn, was das Ganze soll, bleibt ziemlich schleierhaft. Also soll es offenbar nur gut klingen – bzw. Inhalt vortäuschen, wo keiner ist.

Auf der Wirtschaftsseite spricht der Bundeswirtschaftsminister, und das ist auch nicht besser: „… im Gegensatz zu Arcandor ist die Lage bei GM ein rabenschwarzes Loch.“ So, so, die Lage ist also ein Loch. Noch dazu ein rabenschwarzes. Und das im Gegensatz zu Arcandor, wo die Lage dann also vermutlich eine schneeweiße Säule ist. Interessant, mit welch minimaler Sprachbegabung man in Deutschland ausgestattet sein kann, um es dennoch bis zum Bundeswirtschaftsminister zu bringen.
Ein paar Absätze weiter taucht wieder ein bescheuerter WAZ-Lieblings-Ausdruck auf: „In dieser Gemengelage gehen die wenigen halbwegs guten Nachrichten fast unter.“ ich würde ja noch etwas dazu sagen, hab es aber schon so oft getan, dass ich fürchte, es geht in der Gemengelage unter, oder noch schlimmer: Man hielte mich für einen hartleibigen Nukleus.

28. Mai 2009

Die Spekulation schlug auf, nachdem sich die Dinge kompliziert haben

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 20:57

Man glaubt es nicht, aber „Mittwoch früh schlug im Opel-Aufsichtsrat die Spekulation auf …“ wie man auf der Wirtschaftsseite lesen kann. Man kann eine Seite in einem Buch aufschlagen, ggf auch ein Ei, meinetwegen mögen sogar irgendwelche skurrilen Typen irgendwo aufschlagen – die Spekulation kann höchstens eingeschlagen sein, vielleicht sogar wie eine Bombe.
Ein paar Absätze weiter ist „Bemerkenswert: Der chinesische Autobauer BAIC, der sich überraschend noch am Vortag als Interessent gemeldet hat, sitzt nicht bei Tische.“ Vielleicht war am Tisch kein Platz mehr? Oder ist den Autoren dieses Artikels vielleicht plötzlich der Struwwelpeter bzw. der Zappelphilipp in den Sinn gekommen? „Ob der Philipp heute still wohl bei Tische sitzen will“, heißt es dort, und wenn man als Kind mit solchen Versen gequält wurde, kann es durchaus sein, dass man im späteren Journalistenleben plötzlich mit solchen Erinnerungen konfrontiert wird. Doch anstatt das auf diese Weise zu bearbeiten, sollte vielleicht doch lieber um professionelle Hilfe nachsuchen.

Muss ich vielleicht auch, wenn ich weiter solches Denglisch lesen muss wie auf der Kulturseite: „Man muss später nicht mal seinen Namen erinnern.“ Hallo? Wir leben in Deutschland! Und da muss man sich an einen Namen erinnern! Hier können wir nicht einfach etwas erinnern, das kann man nur in englischsprachigen Ländern. Im Deutschen müssen wir uns, ich mich, er/sie/es und auch man sich an etwas erinnern. Bitte erinnert das beim nächsten Mal!
Und bei der Gelegenheit auch daran, dass wir ein Genitiv-S benötigen. Nun gut, bei der kleinen Überschrift im Kasten neben dem Artikel gibt es schon ein „s“: „Wenders Entdeckung“. Aber dann muss man für das weggelassene Genitiv-S wenigstens einen Apostroph setzen. Apostroph! Nehmen wir doch sonst immer so gern! Und hier könnte man ihn einmal völlig zu Recht und im Einklang mit der Rechtschreibung einsetzen! Wenders‘ Entdeckung! Geht doch! Oder hat’s weh getan?

Da tut doch weher, was auf der Seite „Gesellschaft“ über den italienischen Staatschefs zu lesen ist: „Und seit diesem Interview sind Tage vergangen, in denen sich die Dinge für den Regierungschef noch mehr kompliziert haben“. Entweder haben sich die die Dinge verkompliziert oder sie sind komplizierter geworden.
Aber möglicherweise ist ja gerade eine Spekulation aufgeschlagen und hat die Dinge kompliziert, so dass man das alles bei Tische nicht mehr erinnern kann …

27. Mai 2009

Darf der Arzt jemand sterben lassen?

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 20:25

Sprachlich schonmal nicht. Da könnte er höchstens jemanden sterben lassen. Dennoch finden wir im Seite-2-Kommentar den folgenden Satz: „Es hängt oft vom Kräftespiel am Krankenbett ab, ob ein Arzt jemand sterben lässt.“
Da tun einem die Ohren weh. Glücklicherweise folgen nun ein paar Sätze, die so verschwurbelt sind, dass man verzweifelt nach einem Sinn sucht und darüber alle Schmerzen vergisst: „Wenn ein Mensch festlegt, ob er behandelt werden will, sollte sein Wille zählen. Die Patientenverfügungen für alle gleich zu regeln, macht Sinn. Könnte man nicht alles offen lassen, weil nicht jede denkbare Situation vorhersehbar ist? Das ist eine Haltung, aber nicht mehr der Punkt. Die Abgeordneten sollen entscheiden. So der so.“
Wer mir diese Sätze erläutert oder in lesbares Deutsch überträgt, bekommt von mir eine Flasche Ohrentropfen gratis. Auch wenn er jemand findet, der ihm hilft. Denn das ist nicht der Punkt. So der so.

26. Mai 2009

Ein Gefälle von 54 Meter

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 21:00

Heute geht es ganz weit runter. Mit der deutschen Sprache. Laut Rhein-Ruhr-Seite „bleibt ein Gefälle von 54 Meter, erlaubt sind nur bis zu 42 Meter.“ Man muss sich ja schon leider daran gewöhnen, dass laufend von „200 Meter Tiefe“ oder „Staus bis zu 2 Kilometer Länge“ zu hören und zu lesen ist, so, als ob die Maßeinheit und der folgende Ausdruck eine feste Verbindung eingegangen wären, die nicht flektierbar ist. Und das tut mir schon genug weh in den Ohren. Und wie soll der Niedergang der deutschen Sprache aufgehalten werden, wenn ein solcher Satz schon für ein Gefälle von mehreren Kilometern sorgt?!!

25. Mai 2009

Vieleer läuten die große Glocke

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 22:05

Ein etwas merkwürdiges Wort findet man heute auf der „Rhein-Ruhr“-Seite: „So ähnlich ist die Lage für vieleer über 40 Familien, die derzeit im westlichen Ruhrgebiet auf den Einzug ins Eigenheim warten.“

„Barbara Rudnik läutete nie die große Glocke“ wird ein paar Seiten später gemenschelt. Was kann damit nur gemeint sein? Wenn man etwas nicht an die große Glocke hängt, will man etwas verheimlichen. Das kann es nicht ein. Mal sehen, was gibt es da noch in der Art: Vielleicht spielte sie nie die zweite Geige? Oder tanzte nie nach jemandes Pfeife? Haute nie auf die Pauke? Ja, das käme am ehesten hin: Die Pauke. Wäre jetzt aber nur ein bescheidener Vorschlag von mir, den man nicht an die große Glocke hängen sollte.

23. Mai 2009

Das deutsche Eishockey trauert, während der Fön föhnt

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 19:31

Geht das? Nun, ja, es gibt auch den „deutschen Fußball.“ Und der erlebt z.B. Sternstunden. Aber kann man deshalb schreiben, was heute in einer kleinen Meldung auf der Titelseite steht: „Das deutsche Eishockey trauert um den ehemaligen Nationaltorwart“? Eher nicht!

In der Spalte daneben spricht unser Bundespräsident über die „Eltern des Grundgesetzes“. Nun ist unser Staatsoberhaupt ja für eine gewisse Schlichtheit der Rede bekannt, aber aus den „Vätern des Grundgesetzes“ (wie man den Parlamentarischen Rat gerne nennt), zu denen sich später zwecks Gleichberechtigung auch die „Mütter“ gesellten, nun „Eltern“ zu machen, ist ein kleines bisschen verwegen.

Noch drei Spalten weiter rechts „wird die Zafira-Produktion (WAZ v. 14. 5.) ) im Ruhrgebiet Bochum konzentriert …“ Und was macht da das Ruhrgebiet Essen? Oder das Ruhrgebiet Dortmund? Und das Ruhrgebiet Rest? Sich über die doppelte Klammer wundern, oder was :-))

Nach dem Umblättern kann man im oberen Kommentar noch ein bisschen mehr über unseren Bundespräsidenten erfahren: “ … den erlernten Neoliberalismus hat er längst zu Gunsten einer mittelinken Grundmelodie abgelegt.“ Interessant, nur leider passt hier gar nichts zusammen. Wie kann man Neoliberalismus erlernen? Wie ihn zugunsten einer Melodie ablegen? Was ist eine Grundmelodie? Und eine mittelinke gar?

Im Kommentar darunter haben wir es endlich einmal nicht mit dem Jenseits zu tun: „Diesseits des Spekulativen ist eines klarer denn je …“ Das ist natürlich genauso bescheuert, weil es weder diesseits noch jenseits des Spekulativen irgendetwas gibt, das klarer denn je sein könnte. Aber außerhalb dessen gibt es eine ganze Menge.

„Erst müsse der Mutterkonzern GM entscheiden, wem es den Zuschlag gebe, erläuterte ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums“ auf der Wirtschaftsseite, und drei Absätze weiter „wollen Gläubiger von GM den vorgeschlagenen Umtausch ihrer Schulden in Unternehmensteile ablehnen“, was ich gut verstehen kann, weil ich an ihrer Stelle auch lieber Anteile hätten als irgendwelche obskuren Teile. Allerdings ist es unwahrscheinlich, dass sie ihre Schulden in Anteile umtauschen können; es dürfte sich eher um ihre Forderungen handeln, da es den Hauptunterschied zwischen Gläubigern und Schuldnern ausmacht, dass die einen Forderungen eintreiben, hingegen die anderen Schulden begleichen.

Auf der „Gesellschafts“-Seite „verha-
(neue Zeile) spelt“ sich Heidi Klum und die Polizeibehörden haben einen Verdächtigen „lokal-
(neue Zeile) isiert“.

Trennungen sind eben nicht leicht. Vielleicht hält man daher auch so an der alten Rechtschreibung fest. Auf der „Wissen“-Seite prangt eine fette Headline: „Fönen, schrauben, puzzeln“, im Artikel darunter wird gefragt: „Was macht der Fön auf dem SPD-Plakat?“ Zumal es seit der Rechtschreibreform der Föhn ist, der dort föhnt.

21. Mai 2009

Blockade gegen Lohnwucher

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 20:47

Blockiere ich etwas oder blockiere ich gegen etwas, wenn ich blockiere? Und wie ist es dann mit dem Demonstrieren? Was sagt die Wirtschaftsseite dazu: „Die SPD-Chefin in NRW, Hannelore Kraft, vermutet indes eine ‚gnadenlose Blockade‘ des NRW-Koalitionspartners der Union, FDP, gegen staatliche Hilfen für Opel.“ Also: Ab morgen blockieren wir gegen Zeitungsartikel. Und zwar gnadenlos.

20. Mai 2009

Franz-Walter Steinmeier nimmt einen Schluck aus der Gießkanne

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 19:17

Wie heißt noch gleich unser Bundesaußenminister und SPD-Kanzlerkandidat? Ach ja, richtig: „Längst ist Opel zum Politikum geworden, Kanzlerkandidat Franz-Walter Steinmeier (SPD) schien die Magna-Leute zu befürworten …“ So wird er zumindest auf der heutigen Wirtschaftsseite genannt.

Im Seite-2-Kommentar finden wir dagegen einen schönen doppelten WAZberger: „Weil der interne Verteilungskampf gescheut wird, fordert man insgesamt mehr Geld, also einen neuen Schluck aus der Gießkanne.“ Wenn Gewerkschaftler Lohnforderungen stellen, dann verlangen sie häufig einen „kräftigen Schluck aus der Pulle.“ Und bei der Verteilung von Geld ist auch schon mal vom Gießkannenprinzip die Rede. Zusammengenommen ist das allerdings ein ziemlich ekliges Ereignis.

19. Mai 2009

Unglückliche Sterne mit Optimismus weggewischt

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 20:55

Wenn die Dinge einen unglücklichen Verlauf nehmen, dann sagt man gern, das sie unter keinem guten Stern stehen. Grund genug für die WAZ, das Ganze heute auf der Politik-Seite zu folgender Formulierung zu komprimieren: „Diesmal aber stand Schwans Nominierung, zu der sie den damaligen Vorsitzenden Kurt Beck vor einem Jahr durchaus überredete, unter unglücklichen Sternen.“
Doch bevor wir dazu kommen, diese armen unglücklichen Sterne zu bedauern, müssen wir ein paar Zeilen weiter lesen: „Schwan konnte sich nie von dem Eindruck befreien, dass ihre Kandidatur Teil der schwierigen Erbmasse Becks sei.“ Ich kann mich hingegen nicht von dem Eindruck befreien, dass hier eigentlich gemeint war, Frau Schwan konnte nichts dagegen tun, dass die Öffentlichkeit einen solchen Eindruck von Frau Schwans Kandidatur hatte. Aber bitte, vielleicht hatte ich nur einen falschen Eindruck und es ging doch um den Eindruck, den Frau Schwan hatte. Ja, es ist schon kompliziert mit Beziehungen!

Lange nichts mehr vom Rettungsschirm gehört. Dafür erfährt man heute auf der Wirtschaftsseite etwas, das mein bisheriges Bild dieses Gegenstands zum Wanken bringt: „Die Sparkassen hingegen verweisen darauf, dass sie schon 2004 die Kapitalerhöhung der WestLB getragen hätten und maßgeblich den Rettungsschirm für die toxischen Finanzgeschäfte aufgespannt hätten.“ Also doch kein Fallschirm? Und wie spannt man einen Schirm für Finanzgeschäfte auf? Bisher wurde der immer für die Banken selbst bereit gehalten …
Vielleicht bräuchten die eine größere Ration? Bitte sehr: „Am heutigen Mittag … maschieren die Mitarbeiter zu einer Demonst-
(neue Zeile) ration …“ Da haben wir sie schon!

Im Artikel darunter gibt es ein paar Formulierungen, die nicht direkt falsch, aber doch irgendwie schräg sind: „Unstrittig ebenso unvergessen ist für Piëch sicher der Quasi-Rauswurf in Stuttgart.“ Und zwei Absätze weiter: „Eine Woche zuvor hatte er bei seiner Breitseite gegen den Porsche-Vorstandsvorsitzenden Wiedeking gegen das ungeschriebene Clan-Gesetz des Schweigens verstoßen.“

Naja, vielleicht sollten wir das alles besser wegwischen. Und so lesen wir im Kommentar am Rand der Seite: „Hinweise auf die komplizierte Eigentümerstruktur … wischte er mit Optimismus weg.“ Wischt man normalerweise Einwände weg, so sind es nun wohl die Hinweise, aber wenn einem zu Wischen der Optimismus zu Verfügung steht, dann können wohl auch die Sterne endlich glücklich werden, selbst wenn sie sich nicht von dem Eindruck befreien können, dass sie unstrittig unvergessen gegen das ungeschriebene Clan-Gesetz des Schweigens verstoßen haben.

18. Mai 2009

Den Verfassungsminister, Studier-Enden und einen Durchmarsch beäugen

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 09:46

Nachdem wir uns vorgestern schon mit einem neuen Ministerposten vertraut machen konnten (dem „Finanzer“), setzt die WAZ heute im Aufmacher noch einen drauf, denn dort „spricht sich der Verfassungsminister gegen einen erneuten Verbotsantrag gegen die rechtsextreme NPD aus“. Selbst wenn der Bundesinnenminister – zumindest nach eigenem Bekunden – auch für den Schutz der Verfassung zuständig ist, so ist er doch genauso wenig Verfassungsminister wie Frau von der Leyen die Babyministerin ist.

Der Artikel daneben beschert uns aufgrund eines Trennfehlers die „Steigerung der internationalen Mobilität der Studier-
(neue Zeile) enden“ und – da wir gerade beim Thema sind – erfahren wir nach dem Umblättern zur Rhein-Ruhr-Seite, dass „ein Wechsel des Studienorts sogar innerhalb einer Stadt oft kaum möglich“ sei. Das leuchtet direkt ein, ist doch Stadt und Studienort bzw. Studienort und Stadt in etwa 99% der Fälle identisch. Es sei denn, man trifft gerade auf ein Studier-Ende.

Im Seite-2-Kommentar haben wir’s dann mit den Augen: „Kaufhof äugt zu Karstadt“, heißt es es da in einer Dachzeile. Nun kann man durchaus etwas misstrauisch beäugen, auch manche Wildtiere äugen vorsichtig, bevor sie eine Lichtung betreten. Jemanden zu etwas äugen hat man überhaupt selten erlebt, weshalb ich es insgesamt als viel angenehmer empfunden hätte, wenn der Kaufhof mit Karstadt liebäugeln würde.

Beäugen wir zum Schluss noch den Durchmarsch. Wenn man damit nicht gerade den Durchfall meint, wie das umgangssprachlich durchaus möglich ist, dann ist normalerweise die rede von einem erfolgreichen Überwinden vieler Hindernisse. Insofern ist es dann schon ein bisschen merkwürdig, wenn Bochum – laut WAZ-Sonderseite zum Ruhr-Marathon – die Läufer „mit einem Durchmarsch durchs Opelwerk“ lockte.

16. Mai 2009

Kann ich Sie helfen?

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 21:36

Wenn es etwas zu entfalten gibt, ist man der WAZ immer wieder gerne dabei. In der Vergangenheit war das schon der Symbolcharakter, die Anerkennung und erst kürzlich die Strahlkraft. Heute ist es im Seite-2-Kommentar „das Sozialversicherungssystem, das enorme Verteilungswirkungen entfaltet.“ Es ist schon schwer genug, Wirkungen zu entfalteten, und was Verteilungswirkungen sind, weiß eh kein Mensch, entsprechend schwierig dürfte das kombinierte Unterfangen werden.

Auf der Politik-Seite finden wir einen Satz, der noch ein bisschen schwerer zu verstehen ist: „Die Opel-Krise etwa haben sie mehr oder weniger aus dem Wahlkampf heraus gehalten – jeder hatte seinen Auftritt – und wenn ihm Wirtschaftsminister zu Guttenberg die Karten zu eng an der Brust spielt, dann sagt es Steinmeier auch.“ Hoppla, was, bitte, macht der Guttenberg da? Und aus welchen Sprachbildern setzt sich das zusammen? Mit Karten gibt da so einiges: Die kann man in der Hand haben, mit offenen oder verdeckten spielen, sie neu legen oder bei jemandem in sie hineinsehen. Auch die Brust ist recht ergiebig: Auf die kann man sich klopfen, es können zwei Herzen darin schlagen und man kann eine Pistole darauf setzen. Aber die Karten drauf spielen, bzw. zu eng daran – das hatten wir noch nicht. Und wir werden es auch so schnell nicht wieder kriegen – es sei denn, der nächste WAZ-Autor ist auf der Suche nach einem unstimmigen Sprachbild und hält eng an der Brust gespielte Karten für eine geniale Formulierung. Damit müssen wir rechnen!

Zumal wir es laufend mit genialen Formulierungen zu tun haben. Die folgende gibt es auf der Rhein-Ruhr-Seite zu bestaunen: „‚Quartalsläufer‘ sind sie gewesen, wetterabhängig, hier mal fünf, da mal sechs Kilometerchen, und Peter, der 50-Jährige, hat überhaupt erst angefangen, als sein Arzt ihm freundlich sagte: ‚Sie sind extrem zu fett.‘ Da versuchte er es mit Weniger-Essen, machte weiter mit ein paar Hanteln und stieg schließlich in die Laufschuhe, falls es nicht zu nass war oder zu dunkel oder zu kalt.“ Das sind Sternstunden der deutschen Sprache!

Wir machen jetzt aber weiter mit mehr Essen, oder muss man jetzt schreiben: „Mit Mehr-Essen“? Und das finden wir im Reise-Journal. Dort heißt es in einer Bildunterschrift: „Guten Hunger! Der Berliner ist stolz auf seine Curry-Wurst, die er ab August auch mit einer eigenen Ausstellung huldigt!“ Und wenn wir die Ausstellung besuchen und der Wurst huldigen, wird er wahrscheinlich fragen: „Kann ich Sie helfen?“ Und wir werden antworten: „Nein danke, wir warten noch, bis sich die Verteilungswirkungen entfalten, weil zu Guttenberg die Karten zu eng an der Brust spielt und außerdem versuchen wir es gerade mit dem berühmten Weniger-Essen!“

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