WAZblog Waz man seinen Lesern eigentlich nicht zumuten sollte …

16. Mai 2009

Kann ich Sie helfen?

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 21:36

Wenn es etwas zu entfalten gibt, ist man der WAZ immer wieder gerne dabei. In der Vergangenheit war das schon der Symbolcharakter, die Anerkennung und erst kürzlich die Strahlkraft. Heute ist es im Seite-2-Kommentar „das Sozialversicherungssystem, das enorme Verteilungswirkungen entfaltet.“ Es ist schon schwer genug, Wirkungen zu entfalteten, und was Verteilungswirkungen sind, weiß eh kein Mensch, entsprechend schwierig dürfte das kombinierte Unterfangen werden.

Auf der Politik-Seite finden wir einen Satz, der noch ein bisschen schwerer zu verstehen ist: „Die Opel-Krise etwa haben sie mehr oder weniger aus dem Wahlkampf heraus gehalten – jeder hatte seinen Auftritt – und wenn ihm Wirtschaftsminister zu Guttenberg die Karten zu eng an der Brust spielt, dann sagt es Steinmeier auch.“ Hoppla, was, bitte, macht der Guttenberg da? Und aus welchen Sprachbildern setzt sich das zusammen? Mit Karten gibt da so einiges: Die kann man in der Hand haben, mit offenen oder verdeckten spielen, sie neu legen oder bei jemandem in sie hineinsehen. Auch die Brust ist recht ergiebig: Auf die kann man sich klopfen, es können zwei Herzen darin schlagen und man kann eine Pistole darauf setzen. Aber die Karten drauf spielen, bzw. zu eng daran – das hatten wir noch nicht. Und wir werden es auch so schnell nicht wieder kriegen – es sei denn, der nächste WAZ-Autor ist auf der Suche nach einem unstimmigen Sprachbild und hält eng an der Brust gespielte Karten für eine geniale Formulierung. Damit müssen wir rechnen!

Zumal wir es laufend mit genialen Formulierungen zu tun haben. Die folgende gibt es auf der Rhein-Ruhr-Seite zu bestaunen: „‚Quartalsläufer‘ sind sie gewesen, wetterabhängig, hier mal fünf, da mal sechs Kilometerchen, und Peter, der 50-Jährige, hat überhaupt erst angefangen, als sein Arzt ihm freundlich sagte: ‚Sie sind extrem zu fett.‘ Da versuchte er es mit Weniger-Essen, machte weiter mit ein paar Hanteln und stieg schließlich in die Laufschuhe, falls es nicht zu nass war oder zu dunkel oder zu kalt.“ Das sind Sternstunden der deutschen Sprache!

Wir machen jetzt aber weiter mit mehr Essen, oder muss man jetzt schreiben: „Mit Mehr-Essen“? Und das finden wir im Reise-Journal. Dort heißt es in einer Bildunterschrift: „Guten Hunger! Der Berliner ist stolz auf seine Curry-Wurst, die er ab August auch mit einer eigenen Ausstellung huldigt!“ Und wenn wir die Ausstellung besuchen und der Wurst huldigen, wird er wahrscheinlich fragen: „Kann ich Sie helfen?“ Und wir werden antworten: „Nein danke, wir warten noch, bis sich die Verteilungswirkungen entfalten, weil zu Guttenberg die Karten zu eng an der Brust spielt und außerdem versuchen wir es gerade mit dem berühmten Weniger-Essen!“

Print Friendly, PDF & Email

Keine Kommentare »

No comments yet.

RSS feed for comments on this post. TrackBack URL

Leave a comment

Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.

Powered by WordPress