WAZblog Waz man seinen Lesern eigentlich nicht zumuten sollte …

6. Mai 2009

Strahlkraft entfalten, das Einfälle entstehen

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 18:46

Doch zunächst haben wir es im Aufmacher mit noch schlimmeren Dingen zu tun: „Gewalt: Lehrer schlagen Alarm“, lautet die Headline. Das ist auch wirklich schlimm mit der Gewalt und dass jetzt Lehrer ungestraft auf den armen Alarm einschlagen, finde ich unmöglich.
Und es gibt noch eine überraschende Tatsache, dargelegt vom GEW-Landesvorsitzenden: „Es gibt jugendliche Gangs in Schulen, Waffen, Drogen.“ Wie kommen die da nur überall rein?
Wie auch immer, es gibt Schlimmeres: „Amokläufe wie der in Winnenden seien zwar selten, ‚aber das Spiel damit liegt nahe!'“ Welches Spiel? Wieso? Warum?

Es gibt wichtigere Fragen. Wie diese hier: „Welche Stadt erhält den ‚Gesundheitscampus‘, auf dem Gesundheitseinrichtungen konzentriert werden, die europaweite Strahlkraft entfalten sollen?“ Ach, nee! Strahlkraft, und die auch noch entfaltet! Konnte man nicht eine einfache Ausstrahlung nehmen?
Offenbar nicht, denn: „Dahinter steckt die Erfahrung des früheren Bundesforschungsministers, das bahnbrechende Einfälle oft entstehen, wenn sich Forscher und Praktiker im Alltag zwanglos begegnen können.“ Ein bahnbrechender Einfall wäre hier gewesen, ein Doppel-S zu verwenden.

28. Oktober 2008

Anziehung entfalten

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 21:34

„Ob solche Namen im Ausland eine gewisse Anziehung entfalten, muss sich sowieso noch zeigen.“ Ich fürchte, das wird sich nicht zeigen. Eine Anziehung wird nun mal in erster Linie ausgeübt, mit Entfalten wird sie sich eher schwer tun …

16. Mai 2009

Kann ich Sie helfen?

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 21:36

Wenn es etwas zu entfalten gibt, ist man der WAZ immer wieder gerne dabei. In der Vergangenheit war das schon der Symbolcharakter, die Anerkennung und erst kürzlich die Strahlkraft. Heute ist es im Seite-2-Kommentar „das Sozialversicherungssystem, das enorme Verteilungswirkungen entfaltet.“ Es ist schon schwer genug, Wirkungen zu entfalteten, und was Verteilungswirkungen sind, weiß eh kein Mensch, entsprechend schwierig dürfte das kombinierte Unterfangen werden.

Auf der Politik-Seite finden wir einen Satz, der noch ein bisschen schwerer zu verstehen ist: „Die Opel-Krise etwa haben sie mehr oder weniger aus dem Wahlkampf heraus gehalten – jeder hatte seinen Auftritt – und wenn ihm Wirtschaftsminister zu Guttenberg die Karten zu eng an der Brust spielt, dann sagt es Steinmeier auch.“ Hoppla, was, bitte, macht der Guttenberg da? Und aus welchen Sprachbildern setzt sich das zusammen? Mit Karten gibt da so einiges: Die kann man in der Hand haben, mit offenen oder verdeckten spielen, sie neu legen oder bei jemandem in sie hineinsehen. Auch die Brust ist recht ergiebig: Auf die kann man sich klopfen, es können zwei Herzen darin schlagen und man kann eine Pistole darauf setzen. Aber die Karten drauf spielen, bzw. zu eng daran – das hatten wir noch nicht. Und wir werden es auch so schnell nicht wieder kriegen – es sei denn, der nächste WAZ-Autor ist auf der Suche nach einem unstimmigen Sprachbild und hält eng an der Brust gespielte Karten für eine geniale Formulierung. Damit müssen wir rechnen!

Zumal wir es laufend mit genialen Formulierungen zu tun haben. Die folgende gibt es auf der Rhein-Ruhr-Seite zu bestaunen: „‚Quartalsläufer‘ sind sie gewesen, wetterabhängig, hier mal fünf, da mal sechs Kilometerchen, und Peter, der 50-Jährige, hat überhaupt erst angefangen, als sein Arzt ihm freundlich sagte: ‚Sie sind extrem zu fett.‘ Da versuchte er es mit Weniger-Essen, machte weiter mit ein paar Hanteln und stieg schließlich in die Laufschuhe, falls es nicht zu nass war oder zu dunkel oder zu kalt.“ Das sind Sternstunden der deutschen Sprache!

Wir machen jetzt aber weiter mit mehr Essen, oder muss man jetzt schreiben: „Mit Mehr-Essen“? Und das finden wir im Reise-Journal. Dort heißt es in einer Bildunterschrift: „Guten Hunger! Der Berliner ist stolz auf seine Curry-Wurst, die er ab August auch mit einer eigenen Ausstellung huldigt!“ Und wenn wir die Ausstellung besuchen und der Wurst huldigen, wird er wahrscheinlich fragen: „Kann ich Sie helfen?“ Und wir werden antworten: „Nein danke, wir warten noch, bis sich die Verteilungswirkungen entfalten, weil zu Guttenberg die Karten zu eng an der Brust spielt und außerdem versuchen wir es gerade mit dem berühmten Weniger-Essen!“

14. April 2009

Unter leisen Sohlen entführt und unterm Pantoffel hart geprüft

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 20:52

Wenn man jemandem einen guten Tipp gibt, dann gibt man ihm einen Fingerzeig. Und wenn gar noch höhere Wesen im Spiel sind, dann mag es sich gar um einen Fingerzeig Gottes handeln. Doch ist das offensichtlich nicht alles, denn „die Kommunalwahl gilt als wichtiger Fingerzeig für die Bundestagswahl“, zumindest laut WAZ-Titelseite.
Zugegeben, das war jetzt ganz schön pingelig, denn warum soll man den Fingerzeig nicht einfach mal umdeuten? Hm, vielleicht, weil eine Kommunalwahl kein Fingerzeig sein kann. Sie kann einen Anhaltspunkt geben oder eine Tendenz zeigen, vielleicht auch ein Stimmungsbarometer sein. Warum muss man bei dieser Vielfalt von sprachlichen Möglichkeiten auf einen nicht passenden Fingerzeig zurückgreifen?
Das Folgende ist es nicht minder pingelig: „Nach dem Rücktritt von OB Fritz Schramma (CDU) scheint die Erfolgsaussicht des gemeinsamen rot-grünen OB-Kandidaten Jürgen Roters gestiegen zu sein.“ Kann eine Erfolgsaussicht steigen? Eine Aussicht kann es schon mal nicht. Aber was machen wir nun mit der Erfolgsaussicht? Lassen wir sie steigen oder nicht? Je mehr ich darüber nachdenke: Besser nicht. Vielleicht sollte sie einfach nur größer werden.
Als nächstes kommt etwas vergleichsweise Einfaches: „Ein Sieg in der größten NRW-Stadt jedenfalls dürfte Symbolcharakter fürs ganze Land entfalten – und Sogwirkung auf Wähler ausüben.“ Natürlich kann man seinen Charakter entfalten (wenn man kann), aber mit dem Symbol davor wird das vergleichsweise schwierig: Etwas bekommt Symbolcharakter, es bekommt eine symbolhafte Bedeutung und hat es demzufolge nicht nötig, noch irgendetwas zu entfalten, geschweige denn einen Charakter. Und die ausgeübte Sogwirkung kann mann sich ohnehin schenken, weil man schreiben könnte, dass ein Sieg wie ein Sog wirkt. Das klingt dann zwar weniger hochtrabend, aber dafür ist es auch weniger – hochtrabend!

Im Seite-2-Kommentar müssen wir dann noch das Folgende lesen: „Seit Wochen zeigen Sozialdemokraten eine erhöhte Interviewbereitschaft, die sich zuletzt in Kritik an der Kanzlerin (Franz Müntefering) niederschlug …“ Tut mir leid, aber eine erhöhte Interviewbereitschaft schlägt sich in überhaupt nichts nieder, am wenigsten aber in Kritik. Das geht einfach nicht.
Und genauso wenig geht, „dass die SPD so früh in die Offensive strebt …“, denn man geht dort hinein, während man vielleicht nach Höherem strebt.
Und dass „… Politiker ihren Wählern das blanke Gefühl vermitteln …“, kann ich mir auch kaum vorstellen, mit der blanken Angst hätte ich da weniger Probleme.

Aber kommen wir endlich zu den Sohlen, die finden wir eine Seite weiter in einem Artikel über Kaugummi auf Bürgersteigen: „… so lange bleibt es kleben, hat Marcus Sonntag erforscht, (wenn es nicht entführt wird unter leisen Sohlen).“ Entschuldigung, man kann sich anschleichen oder sich zurückhaltend geben, dann kommt man auf leisen Sohlen; aber etwas oder jemanden unter leisen Sohlen entführen – das ist einfach Blödsinn!
Auch die „Fotos, die Ekel machen“, fallen unter diese Kategorie. Ekel empfinden wir, es ist ein Gefühl. Und das kann man nicht „machen“! Und Fotos vermögen dies noch weniger, sofern da eine Steigerung möglich ist.

Offenbar sind Steigerungen immer möglich, denn auf der „Menschen“-Seite „… verwandelt sich die Recklinghäuserin in eine aufgetakelte Muckermaus, die unterm Pantoffel eines cholerischen Gatten vom Leben hart geprüft wird.“ Da wir nicht wissen, was eine Muckermaus ist, sollte uns auch nicht stören, dass sie unterm Pantoffel geprüft wird, selbst dann nicht, wenn den der cholerische Ehemann trägt. Und wir sollten weder dem Bild des Mannes nachtrauern, der unterm Pantoffel steht, noch uns Gedanken über Prüfungen machen, die das Leben stellt. Das alles kann schließlich heutzutage wunderbar vermuddelt werden, oder?

Zum Schluss haben wir noch im Sportteil eine schöne Äußerung von Herrn Klinsmann: „Wir haben gegen Barcelona noch einiges zu reparieren“.
So gesehen, hat auch die WAZ gegen ihre Leser noch einiges zu reparieren, damit wir nicht unter der leisen Sohle des Pantoffels geprüft oder gar entführt werden. Ich meine: Hart geprüft werden wir doch sowieso, und zwar jeden Tag, wenn wir die WAZ aufschlagen.

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