Dass eine klare oder unklare Kante Blödsinn ist, hatten wir bereits. Und da wurde sie nur gezeigt. Dass man den Blödsinn noch weiter treiben kann, zeigt das hier: „Beim Vorzeigen der klaren Kante fühlt sich der frühere dänische Premier sichtlich wohl“ (Dienstag, 6. Mai 2014, Tagesthema).
11. Mai 2014
7. Oktober 2009
Bizarre Kanten glätten
Ein merkwürdiges Ansinnen heute im Titelseitenkommentar, denn: „Dazu müssten erst die bizarren Kanten geglättet werden durch Realitätssinn von Kommunalpolitikern und ein bundespolitisches Programm bar jeder Sektiererei.“ Wie glättet man Kanten? Und gar bizarre? Und was hat man dann? Glatte Kanten? Naja, immer noch besser als klare.
27. Oktober 2008
Schon wieder klare Kante
Wer hat eigentlich diese unsägliche Redensart in die Welt gesetzt? Alle zeigen neuerdings klare Kante. Müntefering vorweg, aber laut WAZ auch kürzlich erst die Polizei Duisburgs, und heute (im Kommentar auf der Titelseite) sind es Köln und Bochum, die das gegenüber den Rechtsextremisten tun.
Ein klare Linie, die kenne ich. Aber die ist vermutlich nicht kantig genug. Die Kante klingt so schön … äh … kantig. Und dazu muss sie natürlich auch klar sein. Wer will schon eine unklare Kante? Ist doch alles irgendwie totaler Blödsinn, oder?
Um nicht falsch verstanden zu werden: Zeigt den Rechtsextremisten alles mögliche, am besten, wo der Ausgang ist, aber lasst doch bitte endlich diese dämliche klare Kante!
15. September 2008
Ringe über die Kante
Wieder einmal ein besonders kreativer Einsatz unserer Universalpräposition. Auf der Politik-Seite, im Bericht über die Papstreise nach Frankreich, sind es nun die französischen „Spitzen-Sozialisten“, die „am Ende beeindruckt über diesen Kirchenführer“ waren. Und nicht etwa von ihm.
Dabei hatte der Artikel doch schon so gut angefangen: „Die Ringe unter den Augen sprechen Bände.“ Da hören wir doch schon gleich ganz gespannt zu.
Und gegen Ende des Berichtes „gab sich der Papst indes ein Stück weit volksnäher“, diesmal wenigstens richtig geschrieben (vgl. Eintrag vom 13.08.08). Wirklich besser wird der Ausdruck dadurch allerdings nicht …
Auf der Wirtschafts-Seite dann wieder die beliebte Kante. Diesmal wird keine Kante gezeigt, wie bei der Polizei in Duisburg (vgl. 03.09.08), auch keine klare, diesmal hat Ferdinand Porsche „den Konflikt zwischen Porsche und Volkswagen auf Kante geschoben.“ Wie macht man denn sowas?
29. September 2013
Hinter der Fichte
… wird es langsam eng, so viele Leute treiben sich inzwischen dort rum. Weil man dort das Heft das Handelns findet? Die klare Kante? Die Be-Förderung? Oder ruhiges Fahrwasser? Wie auch immer – inzwischen hat auch der Chefredakteur dort ein Plätzchen gefunden: „Geradeheraus sein, den Anderen nicht hinter die Fichte führen, berechenbar bleiben, fair“ (Donnerstag, 26. September 2013, Sonderteil Berthold Beitz, Titelseite, Editorial).
Um es noch mal festzuhalten: Es gibt keine Redewendung und kein Sprichwort hinter der Fichte! Und wenn man noch so sucht! Und wenn es noch so viele nachplappern! Hinter das Licht wird man geführt, und sonst nirgendwo hin, wenn man belogen wird.
Und der Andere ist ein Fremdling, ein Alien. Ist es ein normaler Mensch, dann bleibt es der andere.
Leider geht der Artikel noch weiter. „Die dem Westbindungs- und Kaltkriegskanzler Adenauer giftig einflüsterten, Beitz eigene Ostpolitik, die frühen Kontakte nach Moskau, machten ihn national unzuverlässig.“ Diesen vor lauter Geschwurbel fast unverständlichen Satz muss man mehrfach lesen, bis man drauf kommt, was er aussagen soll. Und auch nur, wenn man die Ostpolitik entschlüsselt. Es ist „dem Beitz seine“ Ostpolitik! In dem Fall aber fehlt ein Apostroph. Eine Kleinigkeit, gewiss, aber „Beitz’ eigene Ostpolitik“ macht den Satz ein bisschen verständlicher. Zumindest weiß man, was der Autor eigentlich beschwurbeln wollte.
Dafür folgt wieder ein Rechtschreibfehler: „Beitz hat es bekümmert, aufgehalten hat ihn Derlei nicht.“ Und ein Kommafehler: „Seine Zeitung hatte einen Leserbrief abgedruckt (Komma fehlt) die 55 Folkwang-Millionen solle man doch besser nutzen …“
Und zum Schluss kommt dann endlich auch die: „Wer zahlt, schafft an. Klare Kante.“
29. Juni 2009
Ökopaxe sind brilliant
„Wie nennt man noch mal jemanden, der verspricht, was er nicht halten kann?“ fragt uns der Chefredakteur im Titelseitenkommentar provokant. Hm, keine Ahnung. Ist das ein falscher Versprecher? Oder ein Versprechen-nicht-Halter? Auch doof. Die Lektüre des Artikels hilft da leider auch nicht weiter. Es geht am Schuldenabbau vorbei, an Steuererhöhungen, hin zum „Oder“: „Das Oder aber wird zum Tabu erklärt.“ Und schlägt den Bogen (fast) zurück zur ebenso provokanten Schlussfrage: „Wie nennt man noch mal jemanden, der sich versprechen lässt, was nicht zu halten ist?“ Weiß ich auch nicht. Wissen Sie’s?
Also: Jemandem wird etwas versprochen. Er weiß, dass das Versprechen gebrochen werden wird. Und anstatt laut zu rufen, was jeder andere tun würde: „He, das lasse ich mir nicht versprechen!“ lässt er er sich dann doch etwas versprechen, ohne zu murren. Muss ein merkwürdiger Vogel sein. Und dafür soll es einen speziellen Namen geben?
Vielleicht ist das ein Ökopax? Denn „die einstigen Ökopaxe stellen sich inhaltlich breiter auf …“ vermittelt uns der Kommentar auf Seite 2. Ich wusste bis dato nicht einmal, dass es Ökopaxe gibt (gleichwohl scheinen sie dennoch zu existieren, der Duden kennt sie), geschweige denn, dass sie sich breiter aufstellen können – und das auch noch inhaltlich.
Doch es geht noch etwas weniger verständlich: „Der fortgesetzte Linksruck der Linkspartei bis ins realpolitische Nirwana macht Rot-Rot-Grün im Industrieland NRW zunehmend unrealistisch.“ Ist das Nirwana schon so gut wie nicht zu beschreiben (außer vielleicht, dass es etwas mit dem „höchsten Glück“ zu tun hat), so ist noch weniger vorstellbar, was es mit Realpolitik zu tun haben kann. Und wie nun ausgerechnet ein Linksruck, ein fortgesetzter zumal, dorthin führen kann, werden wir wohl auch nie erfahren. Eigentlich schade!
Dafür erfahren wir Folgendes im nebenstehenden Artikel: „Die Frage steht im Raum, umso mehr als Merkels Machtwort verhallte.“ Als ob es nicht schon bedrohlich genug wäre, dass da überhaupt eine Frage im Raum steht, jetzt steht sie sogar noch mehr! Und nur, weil Merkels Machtwort verhallte (was man übrigens auch auf der Titelseite lesen kann). Dabei ist das doch gar nicht so schlimm. Schlimmer wäre gewesen, wenn ihr Ruf verhallt wäre, und, wie die Redensart es vorsieht, ungehört. Einfach so verhallen, das tut schließlich jedes Geräusch.
Auf der Politik-Seite wollen die Grünen „den vom Bundesparteitag beschlossenen ‚Grünen New Deal‘ … für NRW herunterbrechen.“ Das kann übel ausgehen!
Zuvor forderte der Grünen-Landeschef: „Daran müssen wir anknüpfen und ausbauen!“ Klare Worte, überzeugender Stil! Daran wollte ich auch schon immer mal ausbauen.
Und das alles „mit erneuerbare Energien und Gebäudesanierungen.“
„Brilliant!“ ist der Sportkommentar überschrieben, und ich könnte mich dem anschließen, wenn auch nur brillant. Vielleicht, indem ich mit meine nicht-erneuerbare Energien daran ausbaue? Nun weiß ich nur nicht mehr, wie man noch mal so jemanden nennt.
8. Juni 2009
Auf die Frage abschneiden und an Trümmer klammern
Im Titelseiten-Kommentar schreibt der Chefredakteur über den „CSU-Mann Guttenberg – und der schneidet auf die Frage, wer uns am besten durch die Krise führt, fast doppelt so gut ab wie der SPD Kanzlerkandidat.“ Gut oder schlecht abschneiden kann man allenfalls bei einer Umfrage, auf eine Frage kann man höchstens antworten.
Und die folgende Formulierung auf der Politik-Seite schneidet da auch nicht besser ab: „Sie wünschen sich mehr Sicherheit und sie verbergen auch nicht ihre Wut über eine EU, die ihrer Ansicht nach zu fern ist von ihrer Heimat ist.“
„Der Regierungschef klammerte sich gestern an die Trümmer seiner politischen Karriere …“ steht auf der nächsten Politik-Seite. Nun gut, soll er sich klammern. Auch wenn die einen vor den Trümmern ihrer Karriere stehen, während die anderen sich an ihre letzte Hoffnung klammern.
Das ist jedenfalls auch nicht schlimmer, als „mit den massiven Labour-Stimmverlusten das Momentum ihrer Rebellion vorwärts zu treiben“ wie man gegen Ende des Artikels lesen kann. Wie sie das hinkriegen wollen, wird man wohl nicht erfahren, denn ein Momentum hat etwas mit Börsenkursen zu tun, und der Duden kennt das Wort überhaupt nicht.
Egal, denn „kurz vor diesem für Brown brenzligen Treffen sind weitere E-Mails aufgetaucht, die seinen Charakter diskreditieren.“
Eine brenzlige Situation kennt man, ein brenzliges Treffen ist nicht so bekannt. Dafür aber ist hier wenigstens „E-Mail“ richtig geschrieben, was man von dem Folgesatz nicht behaupten kann: „Die Email aus dem Jahr 2008 wurde pikanterweise öffentlich, nachdem Brown ihn vergangene Woche als seinen Stellvertreter eingesetzt hatte.“ Hier ist nämlich eher von Kochtöpfen die Rede als von elektronischer Post.
Aber vielleicht klammert sich hier jemand an die Trümmer der Sprache, um auf die Frage nach richtigem Deutsch besser abzuschneiden und das Momentum seiner Rebellion gegen unsere Muttersprache noch ein bisschen vorwärts zu treiben.
24. März 2009
Ein Chamäleon bekennt Farbe
„Dazu gehört eine Unschärfe in Sach- und Machtfragen, so dass FDP-Chef Guido Westerwelle anderntags irritiert notiert, dass sie sich bei ‚Will‘ ’schärfer mit der FDP auseinandergesetzt hat als mit den Sozialdemokraten'“, liest man heute auf der Politik-Seite über die Kanzlerin. Ah, ja: Eine Unschärfe macht die Auseinandersetzung schärfer. Das ist nur logisch.
Ist aber noch nicht alles, denn außerdem „verfüge (sie) über eine ‚unglaubliche Kraft‘ und über ein ‚hohes Maß an Uneitelkeit‘.“ Das muss ihr erst einmal einer nachmachen: Das hohe Maß an „Un“. Denn das ist fast so viel wie „viel nichts“, „kein Alles“ oder „immer nie“.
Aber Gott sei dank gibt es am Ende des Artikels „Klartext: Die SPD wird Merkel weiter angreifen, klare Kante anmahnen und verlangen, das Chamäleon möge endlich Farbe bekennen.“ Das ist doch mal was! Nicht nur die bekannt-bekloppte „klare Kante“, sondern auch ein armes Chamäleon, das Farbe bekennen soll. Womit wieder einmal zwei Bilder durcheinander purzeln: Das Chamäleon, das sich seiner Umgebung anpasst und seine Farbe entsprechend wechseln kann einerseits und die Farbe, die jemand bekennt und so seine Meinung offen äußert andererseits. Beides zusammen wird uns einfach zu bunt!
Auf der Seite 2 finden wir dann noch einen verunglückten Zungenbrecher, die „immer verheerenderen Prognosen“, welche Prognosen sind, die einfach immer verheerend sind, nicht zu verwechseln mit solchen, die immer schlimmer werden, das sind nämlich die immer verheerendereren. Ist nicht ganz einfach, zugegeben, und mir schwirrt inzwischen selbst der Kopf, zumal man sich fragt, ob man „verheerend“ überhaupt steigern kann. Aber wenn, dann kommt eben noch ein „rer“ dazu.
15. Dezember 2008
Viele Grüsse vom Bär
Na gut, mit dem „ß“ geht es in letzter Zeit etwas durcheinander. Viele glauben sogar, es sei komplett abgeschafft worden und man müsse es stets in „ss“ auflösen. Das stimmt aber nicht. Und im Grunde ist es sogar ganz einfach, seit der neuen Rechtschreibung: Wird der Vokal vor dem (früheren) „ß“ kurz gesprochen, so wird es durch „ss“ ersetzt, wird es lang (oder auch als Diphthong wie in „heißt“) ausgesprochen, bleibt es.
Preisfrage: Wie lang oder wie kurz spricht man „Grüße“ aus? Wenn es nach der WAZ geht, dann offensichtlich kurz. Im Artikel über den Mordversuch der Rechtsradikalen auf Seite 2 wird einer der Täter mit den Worten zitiert: „Viele Grüsse vom nationalen Widerstand…“ Um an dieser Stelle nicht falsch verstanden zu werden: Die „Grüße“ machen die Sache zwar besser lesbar, aber nicht besser.
Nicht besser sind übrigens auch die Formulierungen im Kommentar auf derselben Seite: „Als Bürger sollte man davon ausgehen dürfen, dass die Kommunikation zwischen den Welten Politik, Wirtschaft und Finanzen auf unterschiedlichen Fachebenen längst in eine Permanenzphase eingetreten ist.“ Eine Phase ist ein Abschnitt einer Entwicklung und als solche geradezu das Gegenteil von Permanenz, welche Dauerhaftigkeit bedeutet; es befindet sich etwas also entweder in einer Phase oder aber in Permanenz, und daher kann man als Bürger keinesfalls von Permanenzphasen ausgehen, auch nicht ausgehen dürfen.
Weiter geht’s: „Man kann zwar Medien vorwerfen, dass sie eine Erwartungshaltung sowie eine riskante Fallhöhe erzeugen, aber das weiß die Gastgeberin – und lädt trotzdem ein, eben weil sie mediale Präsenz erreichen möchte.“ Ich habe ja den Medien – und insbesondere der WAZ – schon eine Menge vorgeworfen, das mit der riskanten Fallhöhe jedoch noch nie. Gleichwohl würde mich brennend interessieren, wie die das hinkriegen sollten!
Auf der „Rhein-Ruhr“-Seite haben wir es mal wieder mit den Deklinationsproblemen der WAZ zu tun. Erschwerend kommt hinzu, dass es sich um „Nachrichten für Kinder“ handelt, die sollen es ja erst noch lernen und müssen dann so etwas lesen: „Dem kleinen Bär in Stuttgart geht es gut.“ Liebe Kinder, schreibt nicht alles nach, was Ihr in den Medien findet! Es heißt: „Dem kleinen Bären„!!! Also guckt lieber TV, bis Eure Augen viereckig werden, denn Lesen schadet der Grammatik!
7. November 2008
Sich um die Frage herumschleichen
Man weiß ja nicht, ob er’s wirklich so gesagt hat, der Helmut an de Meulen, Vorsitzender des Vereins Pro Ruhrgebiet. Zumindest wird er in der WAZ von Donnerstag auf der „Rhein-Ruhr“-Seite so zitiert: „Niemand soll sich um die Frage ,Wie hältst Du’s mit der Stadt Ruhr’ herumschleichen können“.
Leider kann das ohnehin niemand. Man kann sich herumtreiben, oder um etwas herumschleichen, vielleicht kann man sogar sich schleichen, (was im Österreichischen soviel heißt wie abhauen), alles andere ist ziemlicher Humbug, und gemeint war wohl eher, dass sich niemand um die Beantwortung dieser Frage drücken können soll. Insofern hat der Vorsitzende sein Meulen ein bisschen überstrapaziert (wenn man mir bitte diesen Kalauer verzeihen möge), ansonsten war es ein schöner Satz.
Was man von diesem hier auf der Politik-Seite nicht unbedingt behaupten darf: „Jenseits der Frage – Wieso Ulf aus Deutschland? – tut man sich schwer mit der Vorstellung …“ Wieso jenseits? Warum nicht diesseits? (Ich vermute, der Autor hat diese unsinnige Formulierung im Koch-Interview gelesen, und sie scheint ihm auch noch gefallen zu haben!) Warum nicht ober- oder unterhalb der Frage?
Und im Artikel darunter „haben die Vereinigten Staaten ihre Obsession mit der Verschiedenheit und Unvereinbarkeit der Rassen abgelegt, sie entwickeln sich zu einer halbwegs farbenblinden Nation.“ Den ein bisschen konstruierten Zusammenhang zwischen Hautfarbe und Farbenblindheit könnte man vielleicht noch verzeihen, aber wie ist man halbwegs farbenblind?
Auch der nächste Satz ist nicht besser: „Dazu hat der Kandidat Barack Obama erheblich beigetragen – indem er selbst nicht dem Stereotyp gehorchte, das weiße Wähler über schwarze Politiker pflegen.“ Denn auch hier ist die Universalpräposition „über“ mal wieder völlig fehl am Platz, weil man ein Stereotyp von einer Erscheinung pflegt, mal abgesehen davon, dass ich nicht weiß, wie man ihm gehorchen sollte, wenn man ihm schon nicht entspricht.
Und gegen Ende des Artikels muss man dann noch lesen, dass Obama „,cool‘ genug (war), um den kosmopolitischen Schmelztiegel zu verkörpern.“ Da wundert mich dann gar nichts mehr.
Auf der Kulturseite (Kommentar, rechte Spalte) „stehen CDU und Grüne … in der Kaufmann-Frage in Frontalstellung“. Hier kann man wieder einmal nur raten, was gemeint war. Stehen sie frontal gegeneinander oder beziehen sie frontal Stellung? Vielleicht gibt es aber auch Fronten in der Auseinandersetzung? Werden wir es je herausfinden?
Wohl kaum, denn: „Diese Essener Gemengelage lässt sich nicht durch Zahlenprüfungen allein entwirren.“ Das fürchte ich auch, denn eine Gemengelage hat in erster Linie mit Grundstücken zu tun, auch wenn dieser Begriff in letzter Zeit häufig in den Medien auftaucht, wenn von irgendeiner unübersichtlichen oder gefährlichen Mischung die Rede ist. Aber selbst die kann man nicht entwirren, dass kann man allenfalls mit Fäden oder einem Knäuel.
Und da hilft es auch nicht weiter, „den klaren organisatorischen Schnitt zu machen“, wie uns der Artikel weiter empfiehlt. Weil ich mir einen organisatorischen Schnitt nicht vorstellen kann, sei er nun klar oder unklar. Wobei ich allerdings schon froh bin, dass es diesmal keine klare Kante ist.
Zu guter Letzt haben wir dann noch ein sprachliches Kleinod auf der „Menschen“-Seite, das ich hier in weiten Teilen unkommentiert wiedergeben möchte:
„Essen. 15 Jahre. So viel liegt zwischen diesen Bilder: Zwischen Becker und Sandy Meyer-Wölden, die ex-verlobt wurde mit zwei dürren Sätzen ihres Boris. ‚Wir beide haben den Alltag nicht zusammen geschafft …‘ Der Alltag spielte sich wohl eher zwischen New York, Paris, München ab denn zwischen Waschmaschine, Berufsverkehr und Supermarkt …“
Und weiter: „Medienberater meinen ja, Becker verscherze mit seinen Frauengeschichten sein Image. Da haben die Medienberater bestimmt lange überlegt für. So einen Job möchte man mal haben.“
Wäre dem Autor dieses Artikels nur zu wünschen, denn man fragt sich: War er nur betrunken oder etwa heftig bekifft oder gar auf dem Weg nach Poona? Doch um diese Frage muss ich mich leider herumschleichen!
2. November 2008
Schutzschirme und Rettungsschirme, unter die man sich stellen kann
Seite ein paar Tagen überspannt er alle Medien – und WAZ natürlich auch: Der Rettungsschirm. Was mag das für ein merkwürdiges Utensil sein? Vielleicht eine Art Fallschirm? Ähnlich einem Rettungsboot, nur jetzt für Flugzeuge?
Der Duden kennt ihn leider gar nicht: da gibt es Rettungssanitäter, gar einen Rettungsschuss und schließlich Rettungsschwimmer – Rettungsschirme müssen also eine Wortneuschöpfung sein. Doch wer hat’s erfunden? Die Schweizer diesmal nicht, die WAZ auch nicht, ich vermute, dass hier mal irgendwo ein übereifriger Reporter die Synthese aus Rettungspaket (von dem ja immer die Rede war) und Schutzschirm gebildet hat.
Und da die WAZ natürlich jeden sprachlichen Blödsinn schnellstmöglich übernimmt, wimmelt es seit ein paar Tagen von Schutz- und Rettungsschirmen, die mehr oder weniger synonym verwendet werden.
So auch in der Samstags-WAZ: „Grund war wohl, dass die Banken negative Reaktionen befürchteten, wenn sie sich unter den Rettungsschirm stellen“, heißt es im Kommentar auf der Wirtschaftsseite. Also, liebe Banken: Wenn Ihr – resp. Eure Börsenkurse – mal wieder im freien Fall seid: Vergesst das Rettungspaket und stellt Euch einfach unter einen Fallschirm!
Darum nimmt die WAZ im Kommentar auf Seite 2 einen anderen Schirm: „Die komplexe Struktur des Drei-Parteien-Systems wirkt wie ein Schutzschirm für schwache Kabinettsmitglieder“. Das will ich mir jetzt mal nicht auf der Zunge, sondern lieber eine weitere interessante Formulierung vorstellen: „Bei einer Durchsage an der Bahnsteigkante …“ – mit diesen Worten beginnt der Kommentar. Da ist dem Autor jetzt ein bisschen was durcheinander geraten: Die Durchsagen hört man am Bahnsteig, nicht an der Kante (selbst wenn es eine „klare“ sein sollte). Und die entsprechende Durchsage lautet dann häufig: „Vorsicht an der Bahnsteigkante!“ Aber deswegen ist es eben noch lange keine Durchsage an der Bahnsteigkante …
Wir haben noch mehr in besagtem Kommentar. Eine falsche Trennung: „Bonus-Zahl- (nächste Zeile) ungen“ und dann noch ein schön daneben geratenes Sprachbild: „Auch dieser Tage scheint ihm ein klarer Kompass zu fehlen“. Unklare Kompasse kenne ich eigentlich nicht, aber vielleicht war hier der Kompass gemeint, der den Weg – vorbei an der klaren Kante – bis unter den Rettungsschirm führt, unter den wir uns stellen wollen, während das Rettungspaket den Schutzschirm auslöst.
3. September 2008
Vergrabene Leichen und mehr-Russen füttern Attacke
Nachdem auf Seite 1 die „Polizei in Duisburg Kante zeigt“, um „den sozialen Brennpunkt zu entschärfen“, geht es ohne Pause im Kommentar über Sarah Palins Privatleben auf Seite 2 weiter: „Kandidaten für öffentliche Ämter werden … gründlich auf den Kopf gestellt“. Das ist mir neu, aber noch nicht alles: Wir „wüssten … lieber selbst, wo die Leichen vergraben sind“. Mag ja sein, gemeint ist aber wohl eher, dass man gerne wüsste, ob da Leichen im Keller sind, so zumindest kennt man dieses Bild. Mit vergrabenen Leichen hat das relativ wenig zu tun. Macht aber nix, denn: „Nur die Heuchler und Heckenschützen füttern ihre Attacken“, und das wollen wir dann auch lieber bleiben lassen.
Zumal wir ja auch „Heute mehr-Russen im Knast als zu Sowjetzeiten“ haben, so eine kleine Headline auf der Politik-Seite. Wer oder was auch immer „mehr-Russen“ sein mögen, mehr Kante will ich heute nicht zeigen, um die Attacke nicht zu überfüttern …