WAZblog Waz man seinen Lesern eigentlich nicht zumuten sollte …

24. Mai 2015

Urteil kippt gegen Ruander

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 09:16

„Karlsruhe kippt Urteil gegen Ruander“ (Freitag, 22. Mai 2015, Headline, Politik).

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„Soviel Streik war lange nicht“ (Mittwoch, 20. Mai 2015, Headline, Titelseite).

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„Ein Teilerfolg hat Bülow schon in seiner Partei erzielt“ (Montag, 18. Mai 2015, Politik). Ja, Deklinieren ist unmodern geworden. Wen hat er erzielt? Ein Erfolg. Das tut ein doch in den Ohren weh!

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Dafür gibt’s aber auch endlich mal was Positives: „Wir Politiker müssen aber das Heft selbst in die Hand nehmen“ (ebd.). Ist zwar auch Blödsinn, weil es bei der Redewendung nur darum geht, wer das Heft in der Hand hat, aber es ist wenigstens nicht mehr vom „Heft des Handelns“ die Rede. Man wird ja schon richtig anspruchslos!

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“ … die Kapazität um eine Drittel erhöhen“ (Samstag, 23. Mai 2015, Titelseite).

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„Denn Sattler ist auch ein Getriebener seiner Ehefrau und Anwältin“ (Samstag, 23. Mai 2015, Hören & Sehen).

4. September 2009

Wenn die Kanzlerin den Karren aus der Krise zieht und den Gangstern das Fürchten gelehrt wird, ist das dicke Ende nah

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 19:16

Wir haben heute ein reichliches Pensum vor uns, da unsere Kanzlerin interviewt wurde, die ja immer für kuriose Formulierungen gut ist. Außerdem scheinen ihr einige Autoren nacheifern zu wollen, und so hat die heutige Ausgabe viel Interessantes zu bieten.

Also wollen wir uns erst gar nicht lange damit aufhalten, dass der thüringische Ministerpräsident „als Getriebener“ aus seinem Amt geht, wie wir im Titelseiten-Kommentar lesen können. Zumal wir diesen Unsinn bereits an anderer Stelle ausführlich besprochen haben.

Im Seite-2-Kommentar ist die Rede von einem Urteil, das „sich liest wie eine schallende Ohrfeige“.
Und im Leitartikel darunter erfahren wir: „Der Wasserverbrauch derer, die jetzt ihre Hände in Unschuld waschen, ist enorm.“

Der nebenstehende Artikel verwirrt uns mit folgender Aussage: „Nicht nur die CDU/FDP-Opposition zieht in Zweifel, dass Sierau vom Haushaltsloch nichts gewusst haben will.“ Denn was wollen wir jetzt in Zweifel ziehen? Dass Zierau nichts gewusst hat oder dass er gesagt hat, nichts davon gewusst zu haben?

Aber all das wollen wir nur der Vollständigkeit halber hier wiedergeben. Denn das erste Highlight folgt auf der Rhein-Ruhr-Seite: „Vier kleine Ganoven lehrten zwei großen Gangstern das Fürchten.“ Da fragt man sich höchstens, wer den WAZ-Leuten Deutsch gelernt hat.

Und dann endlich spricht SIE, auf die wir nun schon so lange gewartet haben, die uns schon auf der Titelseite angekündigt wurde: Unser Kanzlerin, die große Politikerin, die mit über 60 % Zustimmung regiert, die anerkannte Rhetorikerin, das Vorbild der Jugend. Und, wie immer, wenn sie spricht, gelingen ihr klare und treffende Aussagen, Formulierungen von großer sprachlichen Schönheit, Worte voller Klarheit und Eleganz. Worte wie diese: „… kann man von den äußeren Umständen so sagen“ (auf die Frage bzw. Feststellung, dass sie eine abgeschottete Existenz führe).
Oder diese im nächsten Absatz: „Kann man so sagen“.
Aber auch das hier ist nicht schlecht: „Leider war vor der Krise der internationale Konsens über die Dringlichkeit des Handelns noch nicht da.“ Der Konsens über die Dringlichkeit des Handelns! Famos!
„Der G20-Gipfel in Pittsburgh Ende September wird konkrete weitere Schritte bringen“, erklärt SIE weiter mit der ihr eigenen Lässigkeit im Umgang mit dem passenden Verb, die Sie auch bei der nächsten Frage ins Spiel bringt: „Dann sollen Banken Staaten nicht länger wegen ihrer hohen systemischen Bedeutung zur Hilfe pressen können.“
Den schönsten Satz finden wir aber im Interview-Teil zur Atomkraft: „Das wäre ein Signal für die Leistungsträger, die den Karren aus der Krise ziehen.“ Wen stört es da, dass man den Karren allenfalls aus dem Dreck zieht, wer mag da kleinlich Kritik üben?
(Außer mir, natürlich.)
Auch wenn wir, wie die Kanzlerin sagt, „international nicht mehr mit dem gleichen Gewicht mitreden“.
Das macht nämlich nix, denn: „Ich will zudem die ergebnisoffene Erkundung von Gorleben als Endlager für Atommüll weiterführen. Am Ende der Erkundung muss, unter Einbindung internationaler Experten, die Eignung entschieden werden.“
Da soll noch einer sagen, Politiker reden unverständlich! Es ist uns doch nun endlich klar, wann eine Eignung entschieden werden kann: Am Ende einer Erkundung, aber nur, wenn diese ergebnisoffen geführt wird. Selbstverständlich unter Einbindung internationaler Experten! Vorher wussten wir nicht einmal, das Eignungen überhaupt entschieden werden können! Ob unter Einbindung nationaler oder internationaler Experten oder gar gänzlich ohne sie.
Manchmal hat man den Eindruck, als gingen Politiker davon aus, man müsse nur bestimmte Stichworte wie „ergebnisoffen“, „Konsens“, „Dringlichkeit“ oder „Einbindung internationaler Experten“ unter Einbindung irgendwelchen sprachlichen Kleisters zusammenfügen, und schon entstehe beim Wahlvolk der Eindruck von Wissen, Erfahrung und Kompetenz. Und leider scheinen sie damit sogar Recht zu haben.

Mit diesem kleinen Sprachkurs unserer Regierungschefin könnte man es für heute bewenden lassen, wenn nicht auch auf der Politik-Seite Formulierungen von Merkelschem Format zu lesen wären: „Wenn Mimik und Sprache eines Menschen in schicksalhaften Momenten nicht in Deckung zu bringen sind, ist oft das dicke Ende nah. So betrachtet, hatte Dieter Althaus sich schon am Montag aus dem Machtspiel genommen, als er gemeinsam und doch allein mit den Ministerpräsidenten-Kollegen aus dem Saarland und Sachsen an der Seite von Angela Merkel zur Wahlnachlese antrat.“ Versteht das jemand? Das mit der Mimik und den schicksalhaften Momenten, und vor allem das mit dem Machtspiel, gemeinsam und doch allein? Naja, wenigstens ist das Ende nah, wie Weltuntergangspropheten zu prophezeien pflegen, auch wenn sie nicht das dicke Ende meinen, das gemeinhin noch nach kommt, wenn man schon glaubt, das Gröbste sei bereits überstanden.

Das scheint nun zumindest für die heutige Ausgabe überstanden, auch wenn hier noch ein dickes Ende nah ist: „Für Einenkel schwebt über diesen Überlegungen ein Damoklesschwert“, steht im „Magna-Mantra“ von der Wirtschaftsseite. Ein schönes Ende! Wenn man einmal davon absieht, das ein Damoklesschwert nicht schwebt, sondern hängt, und zwar nur gehalten von einem dünnen Rosshaar, und dass es nicht über Überlegungen hängt, sondern über dem Kopf.
So liest es sich leider wie eine schallende Ohrfeige, zumindest für alle, die gutes Deutsch gelehrt wurde, bevor ihnen die WAZ und die Kanzlerin besseres lernten – unter Einbindung internationaler Experten, die einen Konsens über die Dringlichkeit herstellen, eine ergebnisoffene Erkundung führen zu müssen, um die Eignung des Karrens zu entscheiden, den sie aus der Krise ziehen wollen.

2. März 2009

Fast fehlerfrei

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 21:44

Aber eben nur fast. Denn wenn man nix findet, ist meistens was über. Diese WAZ-Regel bewahrheitet sich auch heute. Und zwar schon auf der Titelseite. Dort verkündet eine fette Überschrift: „Unzufriedenheit über Opel-Konzept“. Die Universalpräposition hat wieder zugeschlagen und dann ist auf einmal die Unzufriedenheit mit dem Opelkonzept über.

Und außerdem haben wir noch ein paar interessante Formulierungen im Kommentar auf Seite 2: „Die allzu frühen Willensbekundungen … haben längst den Charakter von Festlegungen bekommen.“ Okay, das ist nicht besonders falsch, aber schon irgendwie schräg.
Oder das hier: „…keiner kann einfach zusehen, wie Werke, an denen tausende Beschäftigte hängen, den Bach runtergehen.“ Tut mir leid, aber ich stelle mir das immer bildlich vor: Tausende Beschäftigte hängen an Werken, die den Bach runter gehen! Das kann doch keiner wirklich schreiben! Oder klingt das nur in meinen Ohren komisch? Ich finde, da muss man einfach kichern, und so wird es dem Ernst der Lage nicht gerecht.
Und der Satz direkt danach: „Inzwischen aber hat sich die Kakofonie der politischen Unternehmensretter derart hochgedreht, dass ein Stopp zum Crash für die Kommunalwahlkämpfer im Lande NRW geriete.“ Eine Kakofonie ist ein Missklang und meinetwegen kann man das auch im übertragenen Sinne für die Missverständnisse und -stimmigkeiten in der Koalition benutzen, aber wie soll sich da irgendwas „hochdrehen“, und dann auch noch bei politischen Unternehmensrettern?
Und gegen Ende des Kommentars haben wir noch das „Risiko Nr. 2: Die Politik hat sich in die Position des Getriebenen begeben.“ Ein Getriebener, darauf hatte ich schonmal hingewiesen, ist jemand, der aus starkem inneren Antrieb handelt. Genau der ist hier aber – wie so oft – nicht gemeint, sondern wohl eher Politiker (warum werden die eigentlich in letzter Zeit dauernd als „die Politik“ bezeichnet?), die durch die Ereignisse zum Handeln gezwungen sein, anstatt selbst zu handeln. Die mögen getrieben sein, oder manch einer mag sie vor sich her treiben, damit sind sie aber noch längst keine Getriebenen.

29. November 2008

Der vor seinem Chef eigentliche Arbeiterführer und die Treiberin

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 20:37

Eine schöne Wortkombination hat sich der Chefredakteur heute für den Kommentar auf Seite 2 ausgedacht und damit die Kategorie „Arbeiterführer“ um eine weitere Sparte bereichert: „Und ganz bestimmt werden nicht alle in der Union jubeln über Laumann, den noch vor seinem Chef Jürgen Rüttgers eigentlichen Arbeiterführer…“ Demnach gibt es also Arbeiterführer, eigentliche Arbeiterführer und dann auch noch vor jemandem eigentliche Arbeiterführer. Vielleicht finden wir dann morgen den neben dem noch vor jemandem eigentlichen Arbeiterführer und übermorgen den über dem neben dem noch vor jemandem eigentlichen Arbeiterführer.
Im letzten Absatz eine weitere interessante Formulierung: „Angela Merkel wirkt in diesen Tagen nicht wie eine Treiberin, sondern wie eine Getriebene.“ Was ist eine Treiberin oder ein Treiber? (Bleiben wir mal, um die Dinge nicht noch mehr zu verkomplizieren, bei der männlichen Form:) Einen Treiber kennt man z.B. von der Jagd. Da scheucht er das Wild auf, welches der Jäger dann abschießt. Eine modernere Bedeutung des Wortes hat mit der Computerwelt zu tun: Hier ist ein Treiber ein kleines Programm, das ein Peripherie-Gerät (z.B. den Drucker) für den Rechner „ansprechbar“ macht. Beides kann hier nicht gemeint sein. Was ist hingegen eine Getriebene oder ein Getriebener? Das ist jemand, der von einer Aufgabe oder Idee beseelt oder mehr noch: geradezu besessen ist. Ich z.B. bin ein Getriebener, was die Verteidigung der deutschen Sprache angeht. Und daher würde ich solche Autoren gerne vertreiben oder sie zumindest antreiben, damit sie besser schreiben lernen. Darum bin ich aber noch lange kein Treiber!

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