Schweres Wasser wird bekanntermaßen in Atomkraftwerken benutzt. Dass man darin auch fahren kann, mag uns überraschen, steht aber heute im Kommentar auf Seite 2: „Doch die Prima-Klima-Koalition von Rüttgers gerät nun in schweres Fahrwasser, teils ohne eigenes Verschulden, teils durch eigene Fehler.“
Gemeint ist wohl eher schwere See oder im günstigsten Fall gefährliches Fahrwasser; wobei die Redensart ursprünglich ohnehin nur bedeutete, dass man jemandem kritiklos folgt, wenn man sich in seinem Fahrwasser befindet. Nur scheint das Fahrwasser inzwischen so beliebt zu sein, dass es auch laufend für andere Zwecke genutzt wird. So befindet man sich manchmal in gefährlichem Fahrwasser und findet dann vielleicht in richtiges zurück. Und da mag die Zeit nicht mehr fern sein, dass es noch weiter angereichert wird und man dann auch durch Kernkraftwerke schippern kann.
18. Februar 2009
Wieder schweres Fahrwasser
9. September 2008
Irritiert über das Heft des Handelns und die Spreizung der Gesellschaft im ruhigen Fahrwasser
Kaum ist so ein Kurt Beck zurückgetreten, werden wieder reichlich Bilder bemüht. Wobei die Betonung auf „Mühe“ liegt. Und gerne purzeln sie durcheinander.
So ist auf Seite 3 davon die Rede, ob es „Steinmeier und Müntefering gelingt, den Kahn SPD wieder auf Kurs zu bringen“.
Und als ob das noch nicht schlimm genug wäre, und man doch schon so schön im sprachlichen Wasser planscht, wird dann noch von einem SPD-Mitglied berichtet, dass „sich auf ruhigeres Fahrwasser ein(stellt).“
Nun bedeutet aber die Redewendung, der oder das „ist im Fahrwasser von“, dass man jemandem nacheifert oder gar abhängig von ihm ist. Etwas völlig anderes ist es, wenn man sich freut, aus stürmischer See in ruhigere Gewässer zu kommen. Das heißt dann etwa, dass sich die Lage beruhigt, und das war wohl auch gemeint, mit dem Fahrwasser. Ein anderer Kommentator (Seite 2) hat das Problem übrigens umschifft, er fragt sich, „ob das neue Führungsduo die Partei auch inhaltlich wieder in ruhigere Gewässer steuern kann.“ (Wobei für mich allerdings neu ist, dass man die Wahl hat, formal oder inhaltlich zu steuern.)
Leider geht der Artikel aber noch weiter. Wir erfahren im Weiteren, dass „in der SPD nun mehr Disziplin, an der Spitze wie an den Flügeln“ erwartet wird, „zumal die Auswechselbank geräumt ist“. Wir hören, dass „Politik auch für junge politische Sprinter zu schnell geht“ und dass es nur gut sein kann, „wenn es denn die neue Spitze schaffe, die Flügel halbwegs auf Kurs zu bringen. Schön wär’s, sagt (das SPD-Mitglied) Stock nach all den Querelen, Talfahrten und dem ständigen Hauch von Mitleid …“ Ständiger Hauch von Mitleid? Den habe ich eher, wenn ich so was lesen muss. Und vor allem am Ende: „Junge Leute in Foren und Projekte einbinden … sie nicht als Alibi für eine Scheinverjüngung missbrauchen.“ Dieser Satz ist so verknotet, dass es schwer fällt, da überhaupt einen Sinn zu entdecken. Ein Alibi ist der Beweis dafür, dass man zur Tatzeit „anderswo“ gewesen ist. Daneben gibt es umgangssprachlich auch die „Alibifrau“ (einzige Frau in einem Männergremium) und darum meinetwegen auch „Alibijugendliche“ in einer vergreisten Partei. Aber wie die Jugendlichen als Alibi für eine Scheinverjüngung herhalten oder gar missbraucht werden können, das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.
Im Artikel: „Ein Putsch auf Raten“ (Seite 2) muss der arme Beck dann gleich zweimal Unmögliches vollbringen: „Allerdings konnte niemand außer ihm wissen, dass der Putsch gelingen würde, denn Beck hat ihn mit seinem Rücktritt erst selbst vollzogen.“ Demnach hat Beck gegen sich selbst geputscht (was dem Wesen eines Putsches radikal widerspricht) und konnte daher wissen, dass derselbige gelingen würde.
Es kommt indes noch schlimmer: „… ein politischer Mord im Orientexpress, bei dem viele einmal zugestochen haben, und auch Beck selbst.“ Ich stelle mir das gerne bildlich vor, wie ein Mordopfer, von vielen Messern gestochen, aus vielen Wunden blutend und mehr tot als lebendig, sich auch noch das Messer selbst irgendwo rein rammt (mich erinnert das an den alten Witz, wonach der Richter den Angeklagten fragt: „Sie wollen uns doch nicht im Ernst erzählen, Ihre Schwiegermutter sei Ihnen 23 mal ins Messer gefallen?“)
Und das, obwohl seinen Beratern daran lag, „ihm das Heft des Handelns in die Hand zu drücken.“ Wer das Heft in der Hand hat, der übt die Kontrolle aus, der hat alles im Griff. Im Schwertgriff übrigens, denn daher kommt die Redewendung, mit einem Schreibheft hat das nichts zu tun. Und woher nun das unsägliche „Heft des Handelns“ kommt (von dem ich nicht nur in der WAZ lesen oder hören musste), weiß der Geier. Deutsch ist das jedenfalls nicht.
Genauso wenig wie die Aussage, dass „Müntefering den Vorsitzenden mit einer brillanten Rede in einen nachtfarbenen Schatten gestellt“ hat, was man gegen Ende des Artikels noch lesen muss.
Gleich zweimal bekommen wir es heute mit der beliebten Universalpräposition „über“ zu tun: Auf der Titelseite ist der IG Metall-Chef „mehr als irritiert über den SPD-Führungswechsel“ und nicht etwa von ihm, und im Essener Lokalteil verkündet eine Headline: „Politik will klare Zahlen über die Philharmonie“.
Und darüber bin ich mindestens genauso irritiert wie über die „Spreizung der Gesellschaft in arm und reich“, die die Grünen auf der der Rhein-Ruhr-Seite beklagen. Hätte es nicht eine normale Spaltung auch getan? Zumal es die zwischen Arm und Reich ist. Entschuldigung, aber darüber musste ich mich jetzt einfach noch ein bisschen ausspreizen.
29. September 2013
Hinter der Fichte
… wird es langsam eng, so viele Leute treiben sich inzwischen dort rum. Weil man dort das Heft das Handelns findet? Die klare Kante? Die Be-Förderung? Oder ruhiges Fahrwasser? Wie auch immer – inzwischen hat auch der Chefredakteur dort ein Plätzchen gefunden: „Geradeheraus sein, den Anderen nicht hinter die Fichte führen, berechenbar bleiben, fair“ (Donnerstag, 26. September 2013, Sonderteil Berthold Beitz, Titelseite, Editorial).
Um es noch mal festzuhalten: Es gibt keine Redewendung und kein Sprichwort hinter der Fichte! Und wenn man noch so sucht! Und wenn es noch so viele nachplappern! Hinter das Licht wird man geführt, und sonst nirgendwo hin, wenn man belogen wird.
Und der Andere ist ein Fremdling, ein Alien. Ist es ein normaler Mensch, dann bleibt es der andere.
Leider geht der Artikel noch weiter. „Die dem Westbindungs- und Kaltkriegskanzler Adenauer giftig einflüsterten, Beitz eigene Ostpolitik, die frühen Kontakte nach Moskau, machten ihn national unzuverlässig.“ Diesen vor lauter Geschwurbel fast unverständlichen Satz muss man mehrfach lesen, bis man drauf kommt, was er aussagen soll. Und auch nur, wenn man die Ostpolitik entschlüsselt. Es ist „dem Beitz seine“ Ostpolitik! In dem Fall aber fehlt ein Apostroph. Eine Kleinigkeit, gewiss, aber „Beitz’ eigene Ostpolitik“ macht den Satz ein bisschen verständlicher. Zumindest weiß man, was der Autor eigentlich beschwurbeln wollte.
Dafür folgt wieder ein Rechtschreibfehler: „Beitz hat es bekümmert, aufgehalten hat ihn Derlei nicht.“ Und ein Kommafehler: „Seine Zeitung hatte einen Leserbrief abgedruckt (Komma fehlt) die 55 Folkwang-Millionen solle man doch besser nutzen …“
Und zum Schluss kommt dann endlich auch die: „Wer zahlt, schafft an. Klare Kante.“
22. September 2013
Raues Wasser
„Ein Zerschlagen des in raues Wasser gerateten Essener Unternehmens müsse unter allen Umständen verhindert werden …“ (Donnerstag, 19.9.2013, Titelseite). Wie gerät ein Unternehmen in Wasser? Und was soll es dort? Früher wurde in solchen Fällen wenigstens noch irgendein Kapitän bemüht, der das Unternehmensschiff in irgendein Fahrwasser geführt hatte, aber selbst diese Zeiten sind vorbei …
22. November 2008
Die Arme aufkrempeln
Heute habe ich Geburtstag, und die WAZ beschenkt mich mit derartig vielen sprachlichen Ausrutschern, dass ich kaum nachkomme…
Beginnen wir auf der Titelseite. Neben einigermaßen harmlosen Sachen wie: „der Sturm schaukelte den liegenden Anhänger so weit auf, dass es schien, er würde von der Brücke geschoben“, oder „… in Ruhrgebietsstädten mussten Weihnachstmärkte schließen, weil der Wind die Buden zerzauste“, finden wir im Kommentar eine Aussage, die als eine Art sprachlicher Spätzünder daherkommt. Das sind Formulierungen, deren tieferer Nicht-Sinn (oder Unsinn) sich erst nach zwei- oder dreimaligem Lesen erschließt, weil sie so haarscharf daneben sind, dass man sie beim ersten Lesen für richtig halten könnte: „Häme ist hier nicht am Platz“, ist der Kommentar überschrieben und im Text steht es dann ein bisschen verschärft noch einmal: „Häme ist hier aber nicht am Platz“.
Moment, was ist mit der Häme? Irgendwas stimmt doch hier nicht. Wieso ist die Häme nicht am Platz? Wo ist sie dann? Grübel, grübel. Aber es gibt doch eine Redensart mit „Platz“! Genau: „Häme wäre hier fehl am Platz“. Nur: Knapp vorbei ist auch daneben!
Und zwar mindestens genauso wie die Formulierung ein paar Zeilen zuvor: „Aber die Katastrophe ist handgestrickt.“ Als handgestrickt bezeichnet man mehr oder weniger schlecht gelungene Arbeiten, eine Katastrophe zählt selten dazu. Gemeint war hier wohl auch eher, dass das Trauerspiel in Essen hausgemacht war … Aber Stricken ist doch auch eine Handarbeit, also hausgestrickt hin und handgemacht her, da sind wir bei Deutschlands größter Regionalzeitung nicht kleinlich!
Und das sind wir auch nicht auf der „Welt“-Seite. Denn hier, im Artikel über Susanne Klatten, geht es um „die zentrale Frage jeglicher Zwischenmenschlichkeit„. Eine Formulierung von wahrhafter Größe!
Dahinter kann sich die Kulturseite nur verstecken: „Er hat sich auch bei wichtigen Förderern aus der Wirtschaft (…) für das Vorgehen der Stadt entschuldigte.“ Also damit kann man nun wirklich keine Furore machen und auch nicht hiermit: „Besonders im Blick auf den neuen Intendanten streckte Kaufmann die Hand aus“. Wie kommt er nun in den Blick auf den neuen Intendanten rein? Vielleicht war ja auch mit Blick auf jenen gemeint.
Mit Blicken klappt’s in dem Artikel eh nicht besonders gut: „Man wolle gemeinsam in die Zukunft blicken„. Mit einer Kristallkugel vielleicht? Ich vermute, sie wollen gemeinsam nach vorn schauen, aber sicher kann man sich da natürlich nicht sein, zumal „die unangenehme Rolle des neuen TuP-Geschäftsführers … von der Stadt bisher nicht kommentiert wurde.“ Der hat vielleicht eine undurchsichtige Rolle gespielt, wie unangenehm er auch immer aufgefallen ist.
Die schönsten Sachen stehen heute aber ohne Zweifel im Essener Lokalteil. Das beginnt noch recht zurückhaltend mit einem zurück gehaltenen Wort: „Als die beiden Frauen die Wohnung des betraten, …“ Wessen Wohnung auch immer.
Ähnlich zurückhaltend dann der Artikel über die Zeche Carl: „Damit meint er die zuletzt so verkrusteten Strukturen des soziokulturellen Zentrums, das sich zuerst als unregierbar und zuletzt als unbezahlbar erwiesen.“ Punkt.
Leider wird nun aber die Zurückhaltung aufgegeben zugunsten einer missglückten Metapher: „Der ‚Kümmerer‘ lässt beim Gang von Bord ein Schiff in deutlich ruhigerem Fahrwasser zurück als beim Dienstantritt im September.“ Das ist aber auch vertrackt mit diesem unruhigen Gewässer, das aber nichts mit einem Fahrwasser zu tun hat, in dem man sich befindet, wenn man jemandem kritiklos folgt.
Und danach wird es noch schlimmer, denn „die Lotsen … haben das Schiff über Wasser gehalten“. Vermutlich über dem Fahrwasser.
Und damit in dem vielen Wasser niemand ertrinkt, wird im zugehörigen Kommentar mit einem „kleinen Team“ gearbeitet, „um gruppendynamische Prozesse im Ansatz zu ersticken“. Leider wird das nicht funktionieren, da in einer Gruppe immer entsprechende Prozesse stattfinden, ob man sie nun im Ansatz ersticken oder im Fahrwasser ertränken will.
Das kann dem Vorstandsvorsitzenden der Essener Nationalbank nicht passieren. „In die Stimmung mischt sich immer Mehltau“, zitiert ihn die WAZ an prominenter Stelle, direkt unter der Headline. Ohne uns allerdings zu sagen, was damit gemeint ist und auch ohne diese Äußerung im eigentlichen Artikel wieder aufzunehmen. So werden wir wohl nie erfahren, wie und warum sich Mehltau (übrigens eine durch Pilze verursachte Pflanzenkrankheit) in eine Stimmung mischen kann, und dazu auch noch immer.
Den Vogel abgeschossen hat aber heute „Lupus“ (das ist eine Art feststehender Kommentar im Lokalteil), der unter der Überschrift „Schlappe für die Kulturpolitik“ fordert: „Nun müssen aber die Arme aufgekrempelt werden, denn in einem Jahr ist 2010.“
Da mischt sich jetzt sofort Mehltau in meine Stimmung und ich könnte direkt meine Ärmel aufkrempeln, wenn mir nicht schlagartig klar geworden wäre: Hier ist Häme am Platz!