WAZblog Waz man seinen Lesern eigentlich nicht zumuten sollte …

22. November 2008

Die Arme aufkrempeln

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 21:23

Heute habe ich Geburtstag, und die WAZ beschenkt mich mit derartig vielen sprachlichen Ausrutschern, dass ich kaum nachkomme…

Beginnen wir auf der Titelseite. Neben einigermaßen harmlosen Sachen wie: „der Sturm schaukelte den liegenden Anhänger so weit auf, dass es schien, er würde von der Brücke geschoben“, oder „… in Ruhrgebietsstädten mussten Weihnachstmärkte schließen, weil der Wind die Buden zerzauste“, finden wir im Kommentar eine Aussage, die als eine Art sprachlicher Spätzünder daherkommt. Das sind Formulierungen, deren tieferer Nicht-Sinn (oder Unsinn) sich erst nach zwei- oder dreimaligem Lesen erschließt, weil sie so haarscharf daneben sind, dass man sie beim ersten Lesen für richtig halten könnte: „Häme ist hier nicht am Platz“, ist der Kommentar überschrieben und im Text steht es dann ein bisschen verschärft noch einmal: „Häme ist hier aber nicht am Platz“.
Moment, was ist mit der Häme? Irgendwas stimmt doch hier nicht. Wieso ist die Häme nicht am Platz? Wo ist sie dann? Grübel, grübel. Aber es gibt doch eine Redensart mit „Platz“! Genau: „Häme wäre hier fehl am Platz“. Nur: Knapp vorbei ist auch daneben!
Und zwar mindestens genauso wie die Formulierung ein paar Zeilen zuvor: „Aber die Katastrophe ist handgestrickt.“ Als handgestrickt bezeichnet man mehr oder weniger schlecht gelungene Arbeiten, eine Katastrophe zählt selten dazu. Gemeint war hier wohl auch eher, dass das Trauerspiel in Essen hausgemacht war … Aber Stricken ist doch auch eine Handarbeit, also hausgestrickt hin und handgemacht her, da sind wir bei Deutschlands größter Regionalzeitung nicht kleinlich!

Und das sind wir auch nicht auf der „Welt“-Seite. Denn hier, im Artikel über Susanne Klatten, geht es um „die zentrale Frage jeglicher Zwischenmenschlichkeit„. Eine Formulierung von wahrhafter Größe!

Dahinter kann sich die Kulturseite nur verstecken: „Er hat sich auch bei wichtigen Förderern aus der Wirtschaft (…) für das Vorgehen der Stadt entschuldigte.“ Also damit kann man nun wirklich keine Furore machen und auch nicht hiermit: „Besonders im Blick auf den neuen Intendanten streckte Kaufmann die Hand aus“. Wie kommt er nun in den Blick auf den neuen Intendanten rein? Vielleicht war ja auch mit Blick auf jenen gemeint.
Mit Blicken klappt’s in dem Artikel eh nicht besonders gut: „Man wolle gemeinsam in die Zukunft blicken„. Mit einer Kristallkugel vielleicht? Ich vermute, sie wollen gemeinsam nach vorn schauen, aber sicher kann man sich da natürlich nicht sein, zumal „die unangenehme Rolle des neuen TuP-Geschäftsführers … von der Stadt bisher nicht kommentiert wurde.“ Der hat vielleicht eine undurchsichtige Rolle gespielt, wie unangenehm er auch immer aufgefallen ist.

Die schönsten Sachen stehen heute aber ohne Zweifel im Essener Lokalteil. Das beginnt noch recht zurückhaltend mit einem zurück gehaltenen Wort: „Als die beiden Frauen die Wohnung des betraten, …“ Wessen Wohnung auch immer.

Ähnlich zurückhaltend dann der Artikel über die Zeche Carl: „Damit meint er die zuletzt so verkrusteten Strukturen des soziokulturellen Zentrums, das sich zuerst als unregierbar und zuletzt als unbezahlbar erwiesen.“ Punkt.
Leider wird nun aber die Zurückhaltung aufgegeben zugunsten einer missglückten Metapher: „Der ‚Kümmerer‘ lässt beim Gang von Bord ein Schiff in deutlich ruhigerem Fahrwasser zurück als beim Dienstantritt im September.“ Das ist aber auch vertrackt mit diesem unruhigen Gewässer, das aber nichts mit einem Fahrwasser zu tun hat, in dem man sich befindet, wenn man jemandem kritiklos folgt.
Und danach wird es noch schlimmer, denn „die Lotsen … haben das Schiff über Wasser gehalten“. Vermutlich über dem Fahrwasser.
Und damit in dem vielen Wasser niemand ertrinkt, wird im zugehörigen Kommentar mit einem „kleinen Team“ gearbeitet, „um gruppendynamische Prozesse im Ansatz zu ersticken“. Leider wird das nicht funktionieren, da in einer Gruppe immer entsprechende Prozesse stattfinden, ob man sie nun im Ansatz ersticken oder im Fahrwasser ertränken will.

Das kann dem Vorstandsvorsitzenden der Essener Nationalbank nicht passieren. „In die Stimmung mischt sich immer Mehltau“, zitiert ihn die WAZ an prominenter Stelle, direkt unter der Headline. Ohne uns allerdings zu sagen, was damit gemeint ist und auch ohne diese Äußerung im eigentlichen Artikel wieder aufzunehmen. So werden wir wohl nie erfahren, wie und warum sich Mehltau (übrigens eine durch Pilze verursachte Pflanzenkrankheit) in eine Stimmung mischen kann, und dazu auch noch immer.

Den Vogel abgeschossen hat aber heute „Lupus“ (das ist eine Art feststehender Kommentar im Lokalteil), der unter der Überschrift „Schlappe für die Kulturpolitik“ fordert: „Nun müssen aber die Arme aufgekrempelt werden, denn in einem Jahr ist 2010.“
Da mischt sich jetzt sofort Mehltau in meine Stimmung und ich könnte direkt meine Ärmel aufkrempeln, wenn mir nicht schlagartig klar geworden wäre: Hier ist Häme am Platz!

18. Februar 2009

Wieder schweres Fahrwasser

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 22:18

Schweres Wasser wird bekanntermaßen in Atomkraftwerken benutzt. Dass man darin auch fahren kann, mag uns überraschen, steht aber heute im Kommentar auf Seite 2: „Doch die Prima-Klima-Koalition von Rüttgers gerät nun in schweres Fahrwasser, teils ohne eigenes Verschulden, teils durch eigene Fehler.“
Gemeint ist wohl eher schwere See oder im günstigsten Fall gefährliches Fahrwasser; wobei die Redensart ursprünglich ohnehin nur bedeutete, dass man jemandem kritiklos folgt, wenn man sich in seinem Fahrwasser befindet. Nur scheint das Fahrwasser inzwischen so beliebt zu sein, dass es auch laufend für andere Zwecke genutzt wird. So befindet man sich manchmal in gefährlichem Fahrwasser und findet dann vielleicht in richtiges zurück. Und da mag die Zeit nicht mehr fern sein, dass es noch weiter angereichert wird und man dann auch durch Kernkraftwerke schippern kann.

22. August 2008

Es wird gedingelt, dass sich einem der Magen umkrempelt

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 00:25

Interessante Wortneuschöpfung heute auf Seite 3, im Artikel über den Rücktritt von Evonik-Chef Werner Müller: „Den Atomausstieg hat Müller als Minister gedingelt …“ Nur – was ist damit gemeint? Hat vielleicht was mit „Ding“ zu tun oder auch mit „Dengeln“, was wiederum was mit Mähen zu tun hat. Nur: was hat das alles mit dem Atomausstieg zu tun?
Aber wenn wir bei der WAZ schon mal dabei sind, dann legen wir auch gleich richtig los: zunächst ist die Rede davon, den „Konzern börsenfein zu machen und aufs Parkett zu schieben“ zumal sich der Müller „nach dem Studium von Philosophie und Linguistik … auch gern selber reden hört.“ (Vorher nicht? Und wann genau hat das angefangen: direkt nach dem Studium?) Interessant sind auch die „Satzungen, die über Gremienvorbehalte seine Kreise stören“. Wieder frage ich mich, wie das gehen soll. Wie stören Satzungen über Gremienvorbehalte irgendjemandes Kreise?
Ganz zu schweigen von den „Hintergrundrunden“, in denen er „mit Journalisten sein Projekt Alpha für die Öffentlichkeit“ vorbereitete. Allerdings: „Von solchen Alleingängen getrieben, rumpelte Alpha über die Startlinie“.

Auch im Sportteil mal wieder grandiose Erkenntnisse: Den „Flug durch das Pekinger Vogelnest“ kann man ja vielleicht noch verzeihen, denn das Stadion heißt ja nunmal so – haha! – aber dass sich „Supermann I … mit Kyptonit gestärkt“ habe, muss jeden Comicfan entsetzen: schließlich ist Kryptonit das Einzige, was dem ansonsten unverwundbaren Superman etwas anhaben kann – also das genaue Gegenteil von „Stärkung“ (kleine Erläuterung für Nicht-Comicleser).
Anschließend finden wir einen klassischen Beziehungsfehler: Die Rede ist von Tobias Unger, welcher Bolt beim Warmlaufen beobachtet. „In Badehose und Jogginghose sei er gekommen … er habe eine Steigerung und seinen Probestart gemacht“ (Hä?) „und sei dann 9,92 Sekunden über 100 Meter getrabt.“ Und dann geht’s direkt weiter: „Für ihn sei das eine Riesenverarschung“. (Gemeint ist Unger, aber der Satz bezieht sich eindeutig auf Bolt.)
Danach noch ein schöner Tippfehler (bin mir mal wieder nicht sicher, ob es wirklich einer ist): „In Jamaika steht es mit dem Kampf gegen den Manipulation im Sport nicht zum Besten“.
Am Rande erwähnen sollte man vielleicht noch, dass sich Bolt „den Weg nach oben geebnet“ hat (also ist es jetzt eben oder oben?), aber deutlich besser ist dann noch die Nachricht, dass bei den Frauen „nur Läuferinnen von der 2,8 Millionen-Einwohner-Insel auf dem Podium“ standen. Wo standen die, bitte? Nein, nicht auf dem Siegertreppchen oder auf dem Podest. Und wenn uns das richtige Wort nicht einfällt, dann nehmen wir einfach das nächstbeste Wort mit „P“. Podium hin – Podest her, das merkt doch eh keiner!

Da „krempelt sich vermutlich der Magen um“, wie im Kommentar eine Spalte daneben zu lesen ist. Dabei wäre der fast fehlerfrei nach Hause gebracht worden, wenn man einfach nur die übliche, wenn auch wenig originelle Formulierung genommen hätte, wonach sich der Magen nun mal umdreht. Aber das war wohl wieder nicht blumig oder kräftig genug, da musste dann das „Krempeln“ her.
Man kann sich die Ärmel aufkrempeln, man kann auch ein Leben oder die Gesellschaft umkrempeln, aber den Magen? Und der auch noch sich selbst?

Zum Abschluss unserer heutigen Blütenlese noch eine kurze Nachricht in voller Länge. Oder besser: Eine Nicht-Nachricht. Wäre ich jetzt WAZ-Journalist, würde ich wahrscheinlich „Nichtricht“ schreiben, haha. Hier ist sie:

„LKA sprengte Pikrinsäure
Essen. Der Kampfmittelräumdienst des Landeskriminalamts hat getrocknete Pikrinsäure aus einer Essener Apotheke gesprengt. Wie die Polizei mitteilte, rückte das LKA wenige Stunden nach dem Hinweis der Apotheke an. In der Apotheke werden dringend benötigte Arzneien für ein Krankenhaus hergestellt. Die Beamten hoben am Dienstag auf einem angrenzenden Grüngelände eine Grube aus und sprengten die Substanz.“

Soweit die Meldung auf der Seite Rhein-Ruhr. Wer kann mir erklären, was da passiert ist? Hat das irgend jemand verstanden? Ist da draußen wer? Hallo? Manchmal fühle ich mich so allein …

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