WAZblog Waz man seinen Lesern eigentlich nicht zumuten sollte …

2. Oktober 2009

An Arbeitnehmerrechten kratzen und Uiguren unter den gigantischen Teppich kehren

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 20:30

Es soll vorkommen, dass etwas angekratzt ist. Zum Beispiel das Image der Banken. Auch ein Mythos kann angekratzt sein oder das Vertrauen. Aber wer kratzt da? Eigentlich niemand, und das ist auch gut so. Außerdem kann nicht alles und jedes angekratzt sein. Das hindert unseren heutigen Titel-Kommentator jedoch nicht daran zu konstatieren, dass „die Liberalen kaum an den Arbeitnehmerrechten kratzen können.“

Noch dicker kommt es allerdings auf der nächsten Seite, im Leitartikel: „… die entrechteten Tibeter und Uiguren werden unter einen gigantischen Teppich gekehrt.“

In einem weiteren Leitartikel kann der Chefredakteur heute Chefredakteur. Und weil diese Art von Neudeutsch so schön ist, muss er’s auch gleich viermal können, zu Beginn eines jeden Absatzes:
„Sigmar Gabriel kann Macht.“ Schlimm, schlimm. „Gabriel kann Volk.“ Noch schlimmer! „Gabriel kann Team.“ Jetzt heben wir gleich ab. Und am Schluss: „Gabriel kann SPD.“ Heilige deutsche Sprache! Womit hast du das verdient! Und ich kann … nicht mehr!

21. Juli 2009

Jetzt können wir auch Bären

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 20:11

Wenn irgendein WAZ-Autor Unsinn verzapft, kann man sicher sein, dass es ihm bald darauf ein anderer nachtun wird. So war es auch nur eine Frage der Zeit, dass diese merkwürdige Ausrufungszeichen-Komma-Kombination, die wir nun schon mehrfach in Reportagen erleiden mussten, nun auch anderswo auftaucht. So steht heute im Seite-2-Kommentar: „Peter Harry Carstensen macht es wie Gerhard Schröder 2005. Er stellt im Parlament eine Vertrauensfrage. Und hofft, Achtung!, sie zu verlieren.“ Anstatt dass mal jemand die Kollegin von der Reportage darauf angesprochen hätte, auf diese schräge Interpunktion zu verzichten, wird ’s auch noch nachgemacht. Nach dem Motto: „Wenn wir’s schon mal so gedruckt haben, dann wird es schon richtig sein!
Es folgt eine „Hintertürchen-Masche im parlamentarischen Räderwerk“, und das ist eine Formulierung, bei der zwar nichts zusammenpasst, die wir aber demnächst vermutlich auch wieder an anderer Stelle werden lesen müssen.

Auf der Rhein-Ruhr-Seite wurde eine „Infektion … positiv bestätigt“, und das ist natürlich besser, als wenn sie negativ bestätigt worden wäre. Anschließend noch ein kleiner Komma-Fehler: „Sechs Wittener … haben sich vermutlich in Lloret de Mar an der Costa Brava, (Komma überflüssig) angesteckt.“

Nach dem Umblättern zur Politik-Seite kann man den bemerkenswerten Satz lesen: „Dass eine so ehrbare Tradition immer wieder mit Störmanövern überzogen wird, ist absurd und so nur in Deutschland möglich, wo die gleichgültige bis moralinsaure Distanz zur Armee tief verwurzelt ist.“ Tja, es ist ja wirklich nicht ganz einfach, eine Tradition mit Störmanövern zu überziehen. Eher wäre denkbar, dass eine Traditionsveranstaltung von Störmanövern begleitet wird, aber hier will ich dem Autor nicht reinreden. Dafür möchte ich aber wissen, was eine gleichgültige Distanz von einer normalen Distanz unterscheidet, von der moralinsauren ganz zu schweigen.

Die Krone – im wahrsten Sinn des Wortes – setzt dem Ganzen heute aber ein Zahnarzt auf, über den auf der Gesellschaftsseite berichtet wird: „Denn der Dentist hat ja eigentlich Menschen gelernt …“ Mann-O-Mann, wo soll diese Art des Schreibens noch hinführen? Geradewegs hierhin: „… riesige Fangzähne im aufgerissenen Löwenmaul und hinten noch mehr Hauer, mit denen die Raubkatze ‚Gulasch macht‘, sagt Loose. Der mittlerweile auch Bären kann.“ Und ich kann Journalisten. Und zwar hassen oder am liebsten mit dem Setzkasten erschlagen, wenn sie einen derartigen Stuss schreiben. Ist es nicht schlimm genug, dass jemand „nur Qualität kann“? Oder gar „Kanzler“? Das hier ist noch einen Umdrehung mehr. Der Arzt kann mittlerweile auch Bären behandeln! Was ist so toll daran, ein Hilfsverb zum Verb hoch zu stilisieren?
Am Ende des Artikels dann das totale Chaos: „Kaputte Zähne hat er gesehen, von Zuckerwasser ausgetrocknet, das Tanzbären tranken, hat ganze Löcher im Kiefer plastisch verfüllt, von Eisenringen gerissen. In Afrika behandelte er eine Löwin mit spitzen Eckzähnen: abgefressen vom Hunger bis fast auf den Nerv.“ Was ist dem armen Doktor demnach so alles passiert: Erst wurde er vom Zuckerwasser ausgetrocknet, dann wurde er von Eisenringen gerissen und zu guter Letzt noch abgefressen bis auf den Nerv.
Da möchte man wirklich kein Zahnarzt sein, der Menschen gelernt hat und nun auch Bären kann. Da sehe ich zu, dass ich eine moralinsauere Distanz dazu kriege und suche mir eine Hintertürchen-Masche im Räderwerk aus. Und hoffe, dass ich nicht von Störmanövern überzogen werde.

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