WAZblog Waz man seinen Lesern eigentlich nicht zumuten sollte …

17. Dezember 2008

Gerüchte-Verteilung auf dem prominentesten roten Teppich

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 16:19

O Mann, ist das viel heute! Aber ich kann nichts dazu: Ich schreibe nur auf, was ich finde. Und das ist heute eben wieder eine ganze Menge:

Schon im Kommentar auf der Titelseite springt uns ein gleichermaßen unverständlicher wie bemerkenswerter Satz ins Auge: „Bei der Gerüchte-Verteilung spielt jeder sein eigenes Spiel, die gebotene Pflicht zur sofortigen Beweisführung gilt offenbar nicht mehr.“ Gerüchte-Verteilung! Was muss man sich darunter vorstellen? Eine Art Essensausgabe bei der Gerüchteküche? Heute werden hier 1a-Gerüchte verteilt! Aber nur, wenn wir dabei noch ein eigenes Spiel spielen dürfen! Und so gilt dann auch die gebotene Pflicht nicht mehr. Nur noch die ungebotene.

Im Artikel direkt daneben lesen wir, dass Betriebe, die Finanzinvestoren gehörten, „mangels Eigenkapital schnell in Zahlungsschwierigkeiten… “ gerieten. Wieder einmal wird der Dativ gerettet, wo er gar nicht hingehört. Aber es gibt ja immer eine Gelegenheit, ihm anzuwenden, manchmal auch mangels grammatikalischen Eigenkapitals. Oder wie die WAZ schreiben würde: „mangels grammatikalischem Eigenkapital“. Tut das weh!

Und die Schmerzen nehmen noch lange kein Ende. Im Kommentar auf Seite 2 z.B. „füllen so viele Vorschläge den öffentlichen Raum“, dass man sich fragt, wie der das aushalten soll. Zumal der öffentliche Raum der ebenerdige Teil einer Gemeindefläche ist, was schon im Artikel vom 12.12. schief gelaufen ist und weshalb an dieser Stelle die Frage erlaubt sein muss, ob wirklich jeglicher Unsinn, den ein WAZ-Autor schreibt, auch zwangsläufig von den anderen WAZ-Autoren abgeschrieben werden muss.

Da kann man nur hoffen, das das Folgende aus dem nebenstehenden Artikel keine Nachahmer findet: „Solch eine Gesprächsbitte über die Verwendung von Zuwendungen sei allerdings ungewöhnlich…“ Dies ist ein ganz besonderes Beispiel über den Gebrauch der Universalpräposition: Eine Bitte über– und sei es auch eine Gesprächsbitte – ist leider komplett unmöglich. Ein Gespräch über geht schon, aber was machen wir mit der Bitte, bitte?

Auf der Seite „Rhein-Ruhr“ finden wir auch wieder eine Menge schräger Formulierungen. Überhaupt ist die Serie „Spendenaktion für Bangladesh“ eine Fundgrube (ich habe schon mehrfach daraus zitiert). Es beginnt mit: „Wie sollten die einfachen Leute, in diesem Land am Golf von Bengalen, weit weg von Deutschland und Europa, fern von Bildung und überhaupt einer Idee von internationalen Beziehungen.“ Wie sollten die was?
Rätselhaft ist dann auch die Formulierung im nächsten Absatz, in dem von einem Besuch Christina Raus die Rede ist: „Und wenn die 52-Jährige, die selbst zwei Töchter und einen Sohn großgezogen hat, ein Kind auf den Arm nimmt oder in den Arm, dann, weil sie es meint. Und sie tut das oft.“ Was tut sie oft? Ein Kind auf den Arm nehmen? Oder oft etwas meinen?
Egal, denn sie „ist eine, die sich im Wohnheim der ungewollt schwangeren Mädchen zu den Müttern auf die Erde setzt und ihre Babys streichelt.“ Sind das die Mütter der Mädchen oder die der Babys?
Scheint nicht wichtig zu sein, „weil sich den Leuten das Gefühl vermittelt: Dieser fremden Frau kann ich vertrauen.“ Das wusste ich noch gar nicht: Ein Gefühl ist nichts, was man fühlt, nein, es vermittelt sich einem.

Auf der zweiten „Rhein-Ruhr“-Seite wird dann ein „Schlüsselwerk deutscher Literatur … aus der Taufe gehoben“, gemeint ist die Filmpremiere von Buddenbrooks. Und hier finden wir auch den „roten Teppich – übrigens einer der längsten und prominentesten, den Essen seit langem erlebte“. Wie erlebt man einen roten Teppich? Außerdem hab ich ihn mir angeschaut: Er war recht unscheinbar, und prominent waren allenfalls die Schauspieler, die darauf herum liefen…

Auf der Politik-Seite wird gefragt: „Kann Europa Wohltaten verteilen?“ Ich glaube nicht, denn Taten kann man eigentlich nur … äh… tun, wie sollte man sie verteilen?

Im Artikel darunter „… entwickelten sich nach der letzten Kommunalwahl 2004 Ratssitzungen zu Marathon-Veranstaltungen mit zweifelhaftem Wirkungsgrad, weil zehn Fraktionen, Gruppen und Einzelkämpfer um das Wort ringen.“ Das stelle ich mir schön vor, wie Fraktionen, Gruppen usw. mit zweifelhaften Wirkungsgrad, nach Worten ringend, auch noch mit einander ringen…

Auf der Kulturseite (ausgerechnet!) steht die Headline: „Maurice Jarre erhält Berliner Ehrenbär“, wären wir im zugehörigen Artikel erfahren, dass er „im kommenden Jahr mit dem Goldenen Ehrenbären ausgezeichnet“ wird. Warum nicht gleich so?

Auf der „Welt“-Seite ist der „Terrorschreck mitten im Pariser Weihnachtstrubel…“, und da „Terror“ zu deutsch „Schrecken“ heißt, haben wir es also mit einem Schreckenschreck zu tun. Vielleicht ist das sowas wie der FIlmfilm von Sat1?

Einen (Artikel) hab ich noch: Auf der Seite „Hören und Sehen“ ist zunächst die Rede von einer Heilerin, die durch dörfliches Handauflegen mehr bewirkt als die Chemo…“, was ich hier mal unkommentiert stehen lassen will, und dann von „Menschen, die auch gern mal Elmar Gunsch als Weihnachtsmann sehen würden oder Iris Berben als Osterhase“, während ich sie viel lieber als Osterhasen gesehen hätte.
Und dann haben wir in dem Artikel noch eine Schlussbemerkung, die ich gar nicht verstehe: „Die Zeit sagt man, heilt alle Wunden. Die Heilerin, sagen wir, lässt einen sich wundern, wohin die GEZ zeitverbrennende Mittel fließen lässt.“ Um so etwas zu schreiben, muss man doch schon ein bisschen zeitverbrannt sein, oder?
Aber vielleicht reicht ja auch ein Terrorschreck aus, damit eine Gesprächsbitte über den Ehrenbär nach Worten ringt und sich mir das Gefühl vermittelt, bei der Gerüchte-Verteilung im öffentlichen Raum die gebotene Pflicht… äh… Tut mir leid, den Satz kriege ich nicht mehr zu Ende. Vielleicht sollte ich bei der WAZ anfangen.

11. Dezember 2008

Die Kanzlerin sägt an Klimazielen, die Gefährten sind nicht auszuweiden und der Rettungsschirm hält nicht, was man sich erwartet hat

Filed under: Allgemeines — Schlagwörter: — msteinmen @ 22:03

Wahrhaft merkwürdige Dinge geschehen heute! Auf der Seite 2 bereits, in einer fetten Überschrift, „sägt die Kanzlerin an jenen Klimazielen…“ Nun kann man ja an vielem sägen, und in solchen Fällen zumeist an dem Ast, auf dem man sitzt, aber wie sägt man an Zielen?

Auch im nebenstehenden Kommentar gibt es wieder schräge Formulierungen. So „würde die Kanzlerin mindestens seltsam neutral auf Frauen wirken.“ Wie wirkt man neutral auf Frauen? Wie seltsam neutral? Und wie mindestens seltsam neutral? Und warum muss ich mir solche Fragen stellen?
Aber trösten wir uns: „Positionen werden nicht deshalb falsch, weil ihr Inhaber betroffen ist. Auch Westerwelles Position ist nicht deshalb falsch, weil er mit einem Mann zusammenlebt, sondern weil er vielleicht kein hervorragender Außenminister wäre.“ Also, meine Position ist nicht falsch, weil ich betroffen bin. Und ich bin ziemlich betroffen. Und Westerwelle hat auch Glück: Seine Position ist nur falsch, weil er vielleicht kein hervorragender Außenminister wäre. Wenn er einer wäre. Da er aber keiner ist, auch nicht vielleicht nicht hervorragend, ist jetzt seine Position …? Das ist mir zu kompliziert!
Vielleicht erfahren wir im nächsten Satz mehr. Tun wir nicht, denn der lautet: „Als Oppositionsführer profiliert Westerwelle sich derart scharf konturiert gegen die Große Koalition, dass man manchmal den Eindruck hat, er male im nächsten Moment die Innenwände des Bundestages schwarz und weiß an.“ Irgendwie leuchtet mir das nicht ein: Warum sollte er Wände anmalen, wenn er sich profiliert? Und warum im nächsten Moment? Zugegeben: Auf irgend eine Weise hat das mit dem scharf konturierten Profilieren etwas mit schwarz und weiß zu tun, aber was? Das erfahren wir nicht.
Stattdessen das Folgende: „Auch eine wertegebundene Außenpolitik kann nur dann funktionieren, wenn man Zugang zu den Ländern behält, denen man Werte vermitteln will.“ Was ist das für eine Politik, die da funktionieren soll? Ich hab im Duden nachgeschaut: „wertegebunden“ existiert nicht. Aber weil hier viel von „Werten“ die Rede ist, sollte man vermuten, es sei eine Politik, die sich bestimmten Werten verpflichtet fühlt.
Da sind dann die „mit Geld unterlegten Beitrittsverhandlungen der EU mit der Türkei“ schon fast verständlicher.
Aber auch der amtierende Außenminister hat es nicht leicht: „Frank-Walter Steinmeier suchte das Gespräch über Tibet und Menschenrechte hinter verschlossenen Türen.“ Vielleicht hätte er es gefunden, wenn er es hinter offenen Türen oder geschlossenen Fenstern gesucht hätte.
Ein paar Zeilen später erfahren wir, was wichtiger ist als wichtig: „zwei weltwichtige Regierungen“.
Und am Ende es Kommentars erfahren wir endlich, warum Guido Wände anmalt: „Allerdings steht auch ein Oppositionsführer in der Pflicht, Bürgern graue Positionen dort zu erklären, wo Schwarz und Weiß eine gefährliche Illusion sind.“ Das neue Rätsel ist jetzt nur, was graue Positionen sind.

Kommen wir zur „Rhein-Ruhr“-Seite und damit zum „Rinnstein der Gesellschaft“, wie uns die Headline in mindestens 60 Punkt verkündet. Was das allerdings sein soll, erfahren wir nicht, stattdessen ist im Artikel von den „Absteigen im Rinnstein der Haupstadt„, was aber auch nicht verständlicher ist, zumal es wenigstens die Hauptstadt sein sollte. Wo und inwiefern man dort im Rinnstein Absteigen findet, wird leider nicht weiter ausgeführt, sondern das Folgende: „wo die wohnen, die noch ärmer sind als die Armen und noch ärmer dran.“
Um so etwas zu schreiben, muss man ja total arm dran sein, sozusagen Arm ab (haha!).
Es geht aber noch schlimmer weiter: „Das hier sei ’schlimmer als alles‘, hieß es eben noch, aber was ist nun schlimmer: eine armselige Hütte oder gar keine?“ Ich glaube, am schlimmsten ist dieser Sprachstil, der Sprache zerhackt, zerstückelt und dann die Einzelteile zu neuen Sprachgebilden recycelt.
Und nun folgen Zeilen sinnfreien Gefasels, und ich kann nun wirklich nicht mehr auf alles eingehen: „Die Straßen der Städte sind verstopft, die Flüsse nicht minder, beide mit Gefährten, die nicht einmal mehr auszuweiden wären auf dem Schrott, und dann: überall Leute, überall Lärm. Schon jetzt beschäftigen sich die Gerichte zu 80 Prozent mit Streitigkeiten um Grund und Boden. Um Grund, der feucht ist, salzig und wenig Ernte bringt. Um ein Stück trockenen Lehms oder eine Pfütze, über denen der saure Geruch verrottenden Abfalls liegt. Über Flecken wie dem, auf dem Parveen wohnt, die Feuerholz verkauft, Ashma, die 17-Jährige, die ihrem Vater hilft, einem Scherenmacher, und Piyara, die stolz ist auf ihr ‚Transportunternehmen‘: Sie besitzt einen brüchigen Handkarren.“ Entschuldigung, hier stimmt einfach nichts mehr: Weder die Semantik, noch der Satzbau, noch die Aussage; hier geht alles komplett schief.
Ich würde mich jetzt noch gern über die Gefährten aufregen, die nicht auszuweiden wären, aber eigentlich bin ich nur noch müde…
Aber es gibt noch mehr Unsinn: „Sie geben sich gegenseitig winzige Kredite, für Mehl, um daraus Kuchen zu verkaufen…“ Aus Mehl Kuchen verkaufen!
Und dann wieder zeilenweise Gefasel: „Gerade sitzen die Frauen wieder zusammen und diskutieren: ‚Unsere Brüder haben immer das bessere Essen gekriegt.‘ – ‚Mädchen bringen einer Familie nichts ein.‘ Es ist viel, dass sie das sagen können: Vor wenigen Monaten noch hätten sie es nicht einmal zu denken gewusst. Und jetzt erleben sie, dass die paar gesparten Taka, über die sie penibel Buch führen in rosa Kassenheftchen, die Familie ernähren.“ Das ist doch kein Deutsch, das ist schlicht unerträglich! Und das Schlimmste: Bei der WAZ scheint man zu glauben, dass man so eine Reportage schreiben muss! (Egon Erwin würde sich im Grabe umdrehen!)

Und nun muss ich mich auch noch mit dem Rettungsschirm beschäftigen. Den finden wir heute mal wieder auf der Wirtschafts-Seite. „Rettet den Rettungsschirm“, heißt da die Headline über dem Kommentar, und ich vermag mich dieser Forderung ganz und gar nicht anzuschließen. Denn eigentlich gibt es dieses Ding gar nicht. Der Duden zumindest kennt es nicht und ich wüsste auch nicht, jemals so etwas gesehen zu haben. Es tritt ja auch erst seit der Finanzkrise auf, und seitdem vermehrt. Allerdings gab es ursprünglich einen Schutzschirm und ein Rettungspaket – und ich vermute, dass irgendein aufgeregter Reporter daraus einen Rettungsschirm gebastelt hat. Nur: Warum alle das ohne Überlegung nachplappern, ist mir unerklärlich. Nun gut, die WAZ ist halt für jeden Blödsinn zu haben, selbst für die folgende Aussage: „Ganz offensichtlich hält das vor sechs Wochen allseits gefeierte Rettungspaket nicht, was man sich erwartet hat.“ Vielleicht wollte der Autor ursprünglich schreiben: „… was man sich darunter vorgestellt hat“ und ist im letzten Moment auf „erwartet“ umgestiegen, wir werden es nie erfahren…

Zum Abschluss noch ein paar Politiker-Zitate von der Politik-Seite, um die WAZ-Autoren ein bisschen zu entlasten. Alle drei aus einem Artikel. Zuerst die SPD. Sie spricht von einer „faustdicken Panne“, während man höchstens die faustdicke Lüge kennt. Sodann die Grünen, die nicht verstehen, „dass ein Richter keine Klarheit über Fristen hat“. Ich verstehe daran vor allem den Gebrauch der Präposition „über“ und die merkwürdige Satzkonstruktion nicht. Und schließlich die CDU, bzw. ihre Justizministerin, die meint, es sei nichts passiert, „was auch nur entfernt an einen Skandal erinnern könnte“. An welchen Skandal sollen wir uns da erinnern?
Solange die Politiker soviel Unsinn reden, muss man bei der WAZ nicht fürchten, dass „Deutsch als Sprache“ ins Grundgesetz geschrieben werden kann.

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