WAZblog Waz man seinen Lesern eigentlich nicht zumuten sollte …

6. März 2009

Das Heft des Handelns ist am Ende der Nerven angelangt

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 15:17

Im Artikel über den Einsturz des Kölner Stadtarchivs zunächst zwei schöne Trennfehler: „Um endlich … zu dem Trümmerberg vorzud-
(neue Zeile) ringen …“ und ein paar Zeilen tiefer: „… eins ihrer Hand-
(neue Zeile) ys ist geortet in den Trümmern.
Und dann folgt ein Satz des Oberbürgermeisters, der mit Leuten gesprochen hat, die „wirklich am Ende ihrer Nerven sind“. Das tut mir zwar leid, doch auch ein OB sollte wissen, dass die Leute allenfalls mit den Nerven am Ende sind.

Ein paar nette Formulierungen dann auch auf der Wirtschafts-Seite. Das beginnt noch vergleichsweise harmlos mit einem leicht schrägen Bild: „Bochum ist quasi die Herzkammer von Opel.“ Das Herz allein reicht da nicht mehr aus, es muss schon die Herzkammer sein, davon haben normale Menschen allerdings normalerweise vier.
Und danach wird’s dann noch schräger: „Vielleicht ist es aber auch so, dass die Regierung nach den voreiligen Hilfszusagen bemüht ist, das Heft des Handelns wieder in die Finger zu bekommen.“ Tja, das Heft des Handelns! Wie muss man sich das vorstellen? Ist das ein kleines Heftchen, so eine Art Vokabelheft, oder eher eine dicke Kladde? Und wer dann Handeln möchte, der schlägt nach: Seite 24, Absatz 3, und dort steht, wie man handelt, wenn man nicht mehr weiter weiß (das Handeln in Basaren und auf Märkten kommt allerdings erst im Anhang). Kein Wunder also, wenn Politiker sowas in die Finger bekommen wollen, denn das ist ja noch besser als die göttlichen Eingebungen, auf die die bayrische Landesregierung seit Jahren vergeblich wartet.
Die Sache hat nur den Nachteil, das es dieses Heft gar nicht gibt. Denn die Redensart meint etwas anderes: Wer das Heft in der Hand hat, der übt die Kontrolle aus. Weil er nämlich den Schwertgriff umfasst, und der war mit „Heft“ ursprünglich gemeint.

Und wenn ich nochmal was vom Heft des Handelns lese, egal ob das jemand in der Hand hat oder in die Finger kriegen will, dann bin ich am Ende meiner Nerven angelangt.

9. September 2008

Irritiert über das Heft des Handelns und die Spreizung der Gesellschaft im ruhigen Fahrwasser

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 20:21

Kaum ist so ein Kurt Beck zurückgetreten, werden wieder reichlich Bilder bemüht. Wobei die Betonung auf „Mühe“ liegt. Und gerne purzeln sie durcheinander.
So ist auf Seite 3 davon die Rede, ob es „Steinmeier und Müntefering gelingt, den Kahn SPD wieder auf Kurs zu bringen“.
Und als ob das noch nicht schlimm genug wäre, und man doch schon so schön im sprachlichen Wasser planscht, wird dann noch von einem SPD-Mitglied berichtet, dass „sich auf ruhigeres Fahrwasser ein(stellt).“
Nun bedeutet aber die Redewendung, der oder das „ist im Fahrwasser von“, dass man jemandem nacheifert oder gar abhängig von ihm ist. Etwas völlig anderes ist es, wenn man sich freut, aus stürmischer See in ruhigere Gewässer zu kommen. Das heißt dann etwa, dass sich die Lage beruhigt, und das war wohl auch gemeint, mit dem Fahrwasser. Ein anderer Kommentator (Seite 2) hat das Problem übrigens umschifft, er fragt sich, „ob das neue Führungsduo die Partei auch inhaltlich wieder in ruhigere Gewässer steuern kann.“ (Wobei für mich allerdings neu ist, dass man die Wahl hat, formal oder inhaltlich zu steuern.)
Leider geht der Artikel aber noch weiter. Wir erfahren im Weiteren, dass „in der SPD nun mehr Disziplin, an der Spitze wie an den Flügeln“ erwartet wird, „zumal die Auswechselbank geräumt ist“. Wir hören, dass „Politik auch für junge politische Sprinter zu schnell geht“ und dass es nur gut sein kann, „wenn es denn die neue Spitze schaffe, die Flügel halbwegs auf Kurs zu bringen. Schön wär’s, sagt (das SPD-Mitglied) Stock nach all den Querelen, Talfahrten und dem ständigen Hauch von Mitleid …“ Ständiger Hauch von Mitleid? Den habe ich eher, wenn ich so was lesen muss. Und vor allem am Ende: „Junge Leute in Foren und Projekte einbinden … sie nicht als Alibi für eine Scheinverjüngung missbrauchen.“ Dieser Satz ist so verknotet, dass es schwer fällt, da überhaupt einen Sinn zu entdecken. Ein Alibi ist der Beweis dafür, dass man zur Tatzeit „anderswo“ gewesen ist. Daneben gibt es umgangssprachlich auch die „Alibifrau“ (einzige Frau in einem Männergremium) und darum meinetwegen auch „Alibijugendliche“ in einer vergreisten Partei. Aber wie die Jugendlichen als Alibi für eine Scheinverjüngung herhalten oder gar missbraucht werden können, das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.

Im Artikel: „Ein Putsch auf Raten“ (Seite 2) muss der arme Beck dann gleich zweimal Unmögliches vollbringen: „Allerdings konnte niemand außer ihm wissen, dass der Putsch gelingen würde, denn Beck hat ihn mit seinem Rücktritt erst selbst vollzogen.“ Demnach hat Beck gegen sich selbst geputscht (was dem Wesen eines Putsches radikal widerspricht) und konnte daher wissen, dass derselbige gelingen würde.
Es kommt indes noch schlimmer: „… ein politischer Mord im Orientexpress, bei dem viele einmal zugestochen haben, und auch Beck selbst.“ Ich stelle mir das gerne bildlich vor, wie ein Mordopfer, von vielen Messern gestochen, aus vielen Wunden blutend und mehr tot als lebendig, sich auch noch das Messer selbst irgendwo rein rammt (mich erinnert das an den alten Witz, wonach der Richter den Angeklagten fragt: „Sie wollen uns doch nicht im Ernst erzählen, Ihre Schwiegermutter sei Ihnen 23 mal ins Messer gefallen?“)
Und das, obwohl seinen Beratern daran lag, „ihm das Heft des Handelns in die Hand zu drücken.“ Wer das Heft in der Hand hat, der übt die Kontrolle aus, der hat alles im Griff. Im Schwertgriff übrigens, denn daher kommt die Redewendung, mit einem Schreibheft hat das nichts zu tun. Und woher nun das unsägliche „Heft des Handelns“ kommt (von dem ich nicht nur in der WAZ lesen oder hören musste), weiß der Geier. Deutsch ist das jedenfalls nicht.
Genauso wenig wie die Aussage, dass „Müntefering den Vorsitzenden mit einer brillanten Rede in einen nachtfarbenen Schatten gestellt“ hat, was man gegen Ende des Artikels noch lesen muss.

Gleich zweimal bekommen wir es heute mit der beliebten Universalpräposition „über“ zu tun: Auf der Titelseite ist der IG Metall-Chef „mehr als irritiert über den SPD-Führungswechsel“ und nicht etwa von ihm, und im Essener Lokalteil verkündet eine Headline: „Politik will klare Zahlen über die Philharmonie“.

Und darüber bin ich mindestens genauso irritiert wie über die „Spreizung der Gesellschaft in arm und reich“, die die Grünen auf der der Rhein-Ruhr-Seite beklagen. Hätte es nicht eine normale Spaltung auch getan? Zumal es die zwischen Arm und Reich ist. Entschuldigung, aber darüber musste ich mich jetzt einfach noch ein bisschen ausspreizen.

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