Gibt es eine Steigerung von „furchtlos“? Kann es eigentlich nicht geben, denn wenn man furcht-los ist, ist man ohne Furcht, und „ohnerer“ geht es ja nicht. Sollte man meinen. Für die WAZ ist das aber kein Grund, auf die Bildung eines Komparativs zu verzichten. Und schon lesen wir (im heutigen Kommentar auf Seite 2) den übrigens auch sonst recht rätselhaften Satz: „Volksparteien wie CDU und SPD könnten die Dynamik der direkten Demokratie und ihrer Köpfe furchtloser annehmen.“
Auch sonst ist dieser Satz, wie gesagt, recht rätselhaft. Denn wie kann man man „die Dynamik der direkten Demokratie“ annehmen? (Ach ja: und ihrer Köpfe.) Ob furchtlos oder furchtloser?
Ein paar Zeilen weiter kommt es dann noch ein bisschen dicker: „Nur sie (die Parteien) können Entscheidungen … durch die unverzichtbaren Strukturen der repräsentativen Demokratie navigieren.“ Entscheidungen navigieren. Durch Strukturen. (Welche unverzichtbar sind). Strukturen der repräsentativen Demokratie. Das können nur die Parteien und sonst niemand. Hat das jemand verstanden? Ich nicht.
Mindestens genauso unverständlich (wenn nicht „unverständlicher“, um hier auch mal einen unmöglichen Komparativ zu bilden) ist ein Satz ein paar Zeilen zuvor: „Wer gleich mit dem Gesinnungsverdikt ‚Lebenslänglich‘ droht oder dem Schriftführer, wirkt auf Quereinsteiger … wenig attraktiv“. Wer droht da jetzt wem, warum und womit?
Aber auch der Schlusssatz gibt uns Rätsel auf: „Der politische Diskurs vor Ort darf nicht allein von der eher zufälligen Durchsetzungskraft einzelner Initiativen abhängen.“ Dazu kann man irgendwie nicken: Jau, find ich auch. Jetzt müsste man nur noch wissen, was der Autor damit gemeint haben könnte. Denn der Diskurs ist ein ziemlich kompliziertes Ding (ursprünglich ein hin und her gehendes Gespräch, aber seit Habermaß u.a. „Schauplatz kommunikativer Rationalität“, wie man bei Wikipedia nachlesen kann) und inwieweit das von irgendwas „abhängen“ kann, und gar „von der eher zufälligen Durchsetzungskraft“ will mir nicht einleuchten.
Schade, dabei hatte der Kommentar so gut begonnen. Und sogar ein in unseren Breiten vermutlich völlig unbekanntes Wort einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht: „Die Bereitschaft, sich für Belange in seinem Sprengel einzusetzen …“ Hut ab, dachte ich und habe extra nachgeguckt: Laut Duden ist ein Sprengel das Amtsgebiet eines Pfarrers oder Bischofs. Man ist ja so unendlich dankbar, wenn sich merkwürdige und ungewohnte Wörter in WAZ-Artikeln als normale, vom Duden akzeptierte Wörter entpuppen – und nicht etwa als Wortneuschöpfungen eines durchgeknallten WAZ-Redakteurs.
Schade, dass dann der Artikel im weiteren Verlauf so total aus der Kurve geraten ist …
Aber kommen wir nun endlich zu den getragenen Hoffnungen (nicht etwa zu den Hoffnungsträgern), selbige begegnen uns – mal wieder im Sportteil. Unter der Überschrift: „Zu viel Bolt für die USA“ lesen wir so schöne Sätze wie: „So sehr die Zweifel auf der Bahn und im Becken liegen, weltweit überwiegt die Euphorie über die unvorstellbaren Vorstellungen gegenüber der Skepsis über deren Sauberkeit.“ Viermal „über“. Das muss man erstmal hinkriegen! Und das schafft man auch nur, wenn man „über“ mal wieder als Universalpräposition nutzt: Euphorie über. (Gibt’s nicht). Skepsis über. (Wenn es wenigstens „gegenüber“ gewesen wäre!) Und nicht zuletzt die Zweifel, die auf der Bahn und im Becken liegen! ich stelle mir sowas ja immer gleich bildlich vor … Zweifel, die im Becken liegen!
Und dann kommt erstmal wieder einer von meinen Lieblingsfehlern: „Vor Tagen hieß es noch, er sei 1,93 Meter groß, nun wird von 1,96 Meter gesprochen.“ Metern! Es wird von 1,96 Metern gesprochen, verd …!!
Anschließend eine Passage, die ich jetzt mal in voller Länge wiedergebe:
„Mit welchen Mitteln sich Usain Bolt und seine Kollegen diese schnellen Beine gemacht haben, darüber kann nur spekuliert werden. Eines ist jedoch klar, für das, was sich einige andere Staffeln geleistet haben, gibt es nichts in der Apotheke. Gegen“ (na was nun, für oder gegen?) „Dummheit gibt es keine Medikamente. In den Vorläufen der Männer-Sprintstaffeln waren die USA, Nigeria und Großbritannien gescheitert. Sie waren nicht in der Lage, das Staffelaluminium ins Ziel zu tragen. Aber auch auf der Reggae-Insel wird es einen heißen Tanz geben, denn das läuferisch praktisch unschlagbare Frauen-Quartett aus Jamaika ließ ebenfalls den Stab fallen.“
Das gelbe Trikot schreibt man übrigens nicht immer groß, sondern nur bei der Tour de France, aber das juckt uns bei der WAZ natürlich nicht: „Dem Himmel am nächsten kam im Gelben Trikot der Australier Steve Hooker mit 5,96“
Und schließlich kommen dann unserer Hoffnungsträger: „Nach dem Qualifikations-Aus von Tim Lobinger trug vor allem der Weltmeisterschafts-Dritte Danny Ecker aus Leverkusen die Hoffnungen.“ Und nicht etwa sein Päckchen, das müssen wir tragen …
Nun „holen“ wir uns noch schnell „die ungeteilte Hochachtung ab“ (Sportkommentar) und sinnieren noch einen Moment über „die Gold-Gewinnerin, die wohl leider aussichtslos von besseren Zeiten träumt“. Dann machen wir Schluss für heute.
Ein weiterer schöner Artikel, in dem jemand „von erfüllten Träumen umzingelt ist“ muss dann leider erstmal bis morgen warten.