Heute gibt es eine Doppelausgabe. Vermutlich sind deshalb auch doppelt so viele Fehler drin, man kommt kaum nach. Beginnen wir mit der Titelseite: „Die Mehrheit der deutschen Mütter und Väter fühlt sich heute als Einzelkämpfer.“ Die Mehrheit als Einzelkämpfer, das ist in sich schon ein kleines bisschen widersprüchlich, aber wollen wir wirklich so kleinlich sein und auf einer eleganteren Formulierung bestehen? Ich denke schon.
Ein bisschen eleganter könnte es auch auf der Rhein-Ruhr-Seite sein: „Der erste Trauerfall war ein Marienkäfer. Er fand den Tod im Blumenbeet und seine letzte Ruhe hinter dem Kindergarten, aber richtig tragisch war das alles nicht: Denn die Kinder haben den Käfer nicht gekannt. ‚Wenn man einen kennt, ist es viel schlimmer‘, sagt Maurice.
Maurice kannte einmal einen, das war sein Onkel …“
Doch bevor wir uns von dem Schock erholen können, dass der arme Maurice der Neffe eines Marienkäfers ist, müssen wir das Folgende zur Kenntnis nehmen: „Das Grab haben die Kinder selbst angelegt, es war der feierliche Abschluss eines Projekts: ‚Kinder, Tod und Lebensfreude‘ haben die Dortmunder Friedhofsgärtner es genannt, die wirklich finden, dass diese Drei zusammengehören, sogar müssen.“ Komisch, warum muss ich jetzt zuallererst an „Kinder, Tod und Teufel“ denken? Und warum finden die Dortmunder Friedhofsgärtner es „wirklich“? Und was sind „diese Drei“, groß geschrieben? Und warum sind es überhaupt nur drei, da doch schon die Kinder mindestens zwei sein müssen?
Diese Fragen müssen wohl offen bleiben, denn „‚Wir erklären den Familien, wie Tod geht‘, sagt Martin Struck, dem sein Beruf den Humor nicht ausgetrieben hat, aber er meint das ganz ernst …“ Hoppla! Was ist jetzt los? Wir erklären, wie Tod geht? Und das meinen wir ernst, obwohl wir Humor haben? Oder wie? Ich würde das nicht mal ernst meinen, wenn ich keinen Humor hätte.
Aber dieser Friedhofsgärtner hat ja auch schon einiges erlebt: „Struck hat seinen Vater früh verloren und die kalte Hand seines Opas noch anfassen dürfen, und er hat all diese Kinder gesehen, mit denen er inzwischen über das Sterben geredet hat: so viele Fragen, aber niemals Tränen und gar keine Angst.“ Und das alles in einem Atemzug! In dem hat er seinen Vater früh verloren und dabei die kalte Hand des Opas anfassen dürfen. Kurz danach hat er Kinder gesehen und viele Fragen gehabt, aber keine Tränen und keine Angst, oder habe ich das falsch verstanden? Hölle, Tod und Teufel!
Kaum zu glauben, aber „auch den Erzieherinnen hat das gefallen: dass ihre Schützlinge begreifen, dass Schmerz manchmal sein muss, aber vergeht, und auch, dass Tod nicht toll ist. Es gab da nämlich ein paar, sagt Waltraud Piechaczyk, ‚die spielten etwas zu oft Totschlagen und Totschießen‘, aber auch die sind ganz still geworden, als das nun ernst wurde.“ Als was nun ernst wurde? Das Totschlagen und Totschießen? Ging es etwa Onkel Marienkäfer an den Kragen? Oder war hier erneut die kalte Hand des Opas im Spiel?
Auch das werden wir nie erfahren, darum schlagen wir die Politik-Seite auf und lesen die Headline: „Merkels Menschwerdung“. Prompt kommt mir ein Aufsatz von Friedrich Engels in den Sinn: „Der Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen“.
Doch bevor wir jetzt weiter gackern, lesen wir erst einmal: „Ende Februar breitete sich in den Medien die Einschätzung aus …“ Wie breitet sich eine Einschätzung aus, so wie ein Ölteppich?
Aber lesen wir weiter: „Im März konnte man etwas über Merkels Strategie zur persönlichen Krisenbewältigung lernen: Menschwerdung. Statt große Reden zu halten oder Machtworte auszuteilen, absolvierte die Kanzlerin vier Wochen lang jenseits des Tagesgeschäfts ungezählte Gespräche mit Kritikern und viele Termine vor sorgfältig ausgewähltem Publikum.“ Also: Die Menschwerdung (des Affen? Gacker!) ist eine Strategie zur persönlichen Krisenbewältigung. Anschließend werden Machtworte ausgeteilt, die allerdings normalerweise gesprochen werden und dann landen wir schon wieder im Jenseits. Warum eigentlich kann man nicht schreiben, dass die Kanzlerin abseits vom Tagesgeschäft Gespräche führte? Ist das Jenseits so attraktiv geworden, dass man es in jedem dritten WAZ-Artikel bemühen muss?
„‚Ich bin dann immer mehr in die Bredouille gekommen‘, schilderte Merkel“, was nicht weiter verwundert, da sie eh nicht als besondere rhetorische Leuchte bekannt ist, denn sonst wäre sie in dieselbe geraten. Leider redet sie noch weiter: „Ich habe mich in der Beweisführung immer weiter verstrickt, dass schon alles ein gutes Ende nehmen wird.“ Und ich versuche, mich jetzt nicht in der Beweisführung zu verstricken, dass das eigentlich gar kein Satz ist. Zumindest kein verständlicher.
Möglicherweise ist das alles aber auch nur Bestandteil ihrer „Charmoffensive“, wie in der Bildunterschrift zu lesen ist.
Und die hängt vermutlich mit Folgendem zusammen: „Gerade die Angriffe der SPD bringen einen Wesenskern von Merkels Selbstverteidigungsstrategie zum Vorschein. Sie wehrt sich nicht.“ Da muss man erst mal drauf kommen!
Und auch diese Headline auf der Wirtschaftsseite ist einen Tusch wert: „Bund mit Hochdruck an Bad Bank dran“! Und jetzt sind Sie dran. Aber an was und mit welchem Druck?
Auf der Sport(titel-)seite erfahren wir, „dass mit Lucio, van Daniel van Buyten, Miroslav Klose und dem noch kurzfristig ausgefallenen Philipp Lahm vier wichtige Spieler fehlten…“.
Und wem diese merkwürdige Doppelung noch nicht ausreicht, der wird im nächsten Absatz belohnt, denn „ein paar Stunden vor Anpfiff hatte Klinsmann noch versucht, einen letzten Reizpunkt zu setzen, als er sich für Hans-Jörg Butt im Tor entschied und nicht für den etatmäßigen Stammkeeper Michael Rensing“.
Da wir weder wissen, was ein Reizpunkt ist, noch, wie er gesetzt wird, noch, was ein etatmäßiger Keeper ist, sollte uns auch das Folgende nicht überraschen: „Das Spiel im vor 93 210 Zuschauern im Nou Camp hatte begonnen …“
Und „dass es kurz darauf nicht schon 3:0 stand für Barcelona (Komma fehlt!) hatten die Bayern in erster Linie Schiedsrichter Howard Webb zu verdanken… “ und kann uns nun auch nicht mehr aufregen. Was ist schon ein fehlendes Komma angesichts einer Schiedsrichter-Fehlentscheidung?
Wenden wir uns daher lieber dem nebenstehenden Kommentar zu, der uns berichtet, „dass Franz Beckenbauer trotz des Ruheverdikts der Führungs-Weggefährten bereits den Säbel in der Hand hält“, anstatt mit ihm zu rasseln, wie man es von diesem Sprachbild erwartet. Doch vielleicht will er ja mit dem Säbel Onkel Marienkäfer auflauern und ihm so erklären, wie Tod geht und nicht toll ist? Ich fürchte nur, dass er dadurch in die Bredouille kommt, seine Menschwerdung verpasst, während er die kalte Hand des Opas ergreift und dadurch einen letzten Reizpunkt setzt. Und das wäre doch schade, oder?