Die WAZ gibt immer dann am meisten her, wenn sich ihre Autoren empören und ihre Leser mit in ihre Empörung hineinziehen und hineinschreiben wollen. Da reichen dann normale Sprachbilder nicht aus, da werden neue Adjektive erfunden oder so verstärkt, dass sie nahezu unverständlich werden. So auch heute im Bericht zum Film „der Bader-Meinhoff-Komplex“ auf der Kultur-Seite.
D.h., eigentlich fängt es schon auf der Titelseite an. Unter einem Szenenfoto verunglückt schon das erste Adjektiv, „die eiskalte Mordlust“. Es gibt eiskalte Mörder und eiskalt ausgeführte Morde, aber eiskalte Lust? Wenn die Mordlust schon unbedingt durch ein Adjektiv aufgewertet werden muss, um die Empörung zu verstärken, wie wär’s denn dann mit „rein“? Denn wenn die Lust kalt wird, sollte man sich eher Gedanken um seine Libido machen.
Auch der Kommentar auf Seite 2 überschlägt sich vor Mordlust: Der Terror „… hat unter dem verlogenen Anspruch, eine gerechte Welt zu schaffen, skrupellos Leid und Trauer gesät.“ Mal abgesehen davon, dass man sich fragt, wie ein Anspruch verlogen sein kann, ist der Rest des Satzes auch wieder reichlich neben der Spur. Denn wie man Leid und Trauer sät, und dann auch noch skrupellos und unter einem Anspruch, muss mir der Autor mal vormachen.
Einige Zeilen später wird dann die RAF „als Mordlustbande“ entmystifizert. Von Banden hat man schon gehört, von Mordbanden auch, aber von Mordlustbanden?
Das ist dann ein eher kruder Ausdruck, und so etwas gibt es auch tatsächlich, nicht aber die „kruden Sympathiesanten“, von denen am Ende des Kommentars die Rede ist.
Die eigentlichen Highlights zum Thema finden wir dann aber auf der Kultur-Seite in besagtem Bericht. Hier erfahren wir z.B., dass in den 60er Jahren „die Studentenunruhen auf dem Höhepunkt tobten“. Wie toben Unruhen? Und dann noch auf dem Höhepunkt? Dass sich die Unruhen nur auf dem Höhepunkt befanden, war dem Autor offenbar nicht heftig genug, also ließ er sie toben. Und mich gleich mit.
Da schrecken mich dann die „Bürgerskinder“ im nächsten Absatz kaum noch, vermutlich sind sie die Abkömmlinge des Bürgersmanns. Aber dass „sich die Aktionen der Terroristen von Mal zu Mal brutaliseren„, stört mich schon wieder mehr, und nicht nur wegen des fehlenden „i“. Hätte es nicht gereicht, dass sie immer brutaler wurden?
Es folgt der neue deutsche Genitiv, der ohne Flexion auskommt: „Entführung von Arbeitgeberpräsident Schleyer“. Warum ist es so schwer, die „Entführung des Arbeitgeberpräsidenten Schleyer“ zu schreiben? Danach eine falsche Trennung: „Pist-ole“, eine schöne Wortkombination: „als sie als“ und zwei Schwurbelsätze, wenn erstens „Regisseur Edel dem Ziel, den RAF-Mythos als hohl und alle Wahrheit verzerrend zu demaskieren, tatsächlich nahe“ kommt und wenn es zweitens „wiederholt … wirkt … , als seien er und Regisseur Edel verklärenden Anwandlungen erlegen.“ Das wirkt dann wiederholt, als sei der Autor verschreibenden Anwandlungen erlegen.
Worauf ein interessanter Superlativ folgt: „Den hartherzigsten RAF-Gegner muss es erweichen …“ Hartherzig, hartherziger, am hartherzigsten. Oder: hartherzig, härterherzig, amhärtestenherzig? Geht auch nicht. Wirklich herzig. Nee, am herzigsten.
In der Folge lassen wir dann „Assoziationen aufkeimen mit Christus am Kreuz“, oder „manches grausam bildhaft greifbar“ machen, „was romantisierende Erinnerungen an das Wüten der RAF unterschlagen“, aber ohne etwas zu werden, „das das Leid der RAF-Opfer aufhellen hilft“.
Aber immerhin wird „das menschenverachtende Wesen des RAF-Terrorismus am entwürdigenden Martyrium von Schleyer erfahrbar“. Ja, ja, die Adjektive. Ist ein Martyrium nicht schlimm genug, muss es auch noch entwürdigend sein.