… kann die WAZ nicht weit sein. Und so stehen sie heute auf der Titelseite, die Zeilen der Ruhr-Hymne, mit der Grönemeyer offenbar versucht, sich als WAZ-Redakteur zu qualifizieren:
„Wo ein raues Wort dich trägt, weil dich hier kein Schaum erschlägt,
wo man nicht dem Schein erliegt, weil man nur auf Sein was gibt.
Wo man gleich den Kern benennt und das Kind beim Namen kennt.“
Wow! Das ist wahre Poesie! Worte, die einer echten Hymne würdig sind! Da bekommt man Gänsehaut! Ja, so sind wir Ruhris: Wir kennen das Kind beim Namen! Äh, hoppla! Was tun wir?
Wenn man es genau nimmt, dann lautet die Redewendung doch: Wer das Kind beim Namen nennt. Aber das konnte der Ruhr-Barde wohl so nicht stehen lassen, denn „nennt“ auf „benennt“ zu reimen, ist irgendwie nicht ordentlich poetisch und außerdem wird dann im zweiten Teil des Satzes so ziemlich genau dasselbe erzählt wie im ersten. Wenn sich also eine alberne Redensart so hinterhältig gegen die grandiosen Formulierungen eines wahren Ruhr-Poeten wehrt, muss sie eben geringfügig verändert werden, dann so muss eben ein anderes Wort her. Was hätten wir denn da noch? Ach, machen wir doch einfach aus dem „nennt“ ein „kennt“, das klingt jetzt immer noch ein bisschen wie die Redensart, und schon sind alle Probleme gelöst.
Pustekuchen, denn schon haben wir zwei neue: Erstens ist die Präposition falsch. Man kennt niemanden „beim“ Namen, sondern allenfalls mit Namen. Oder kennen wir Grönemeyer beim Namen? Beim Barte des Propheten, das tun wir nicht! Zweitens, selbst wenn wir über die falsche Präposition hinwegsehen, was haben wir davon, wenn wir das Kind kennen? Welches Kind? Wessen Kind? Und: Ist es vielleicht in den Brunnen gefallen?
Solange man das Kind beim Namen nennt, kommt man direkt auf den Kern einer Sache und drückt sich klar aus. Was man Grönemeyer nun nicht unbedingt vorwerfen kann. Er hat es geschafft, aus einer Redensart jeglichen Sinn zu entfernen und ein semantisches und grammatikalisches Blutbad anzurichten.
Aber sollte man deswegen etwa an einer Ruhr-Hymne rumkritteln? Wir wollen doch nicht das Kind mit dem Barden ausschütten! Jedenfalls nicht, bevor wir es beim Namen kennen!
9. Januar 2010
Wo man das Kind beim Namen kennt
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