Schleicherei ohne Ende! Sind wir gestern noch schleichend gelaufen, verlegen wir heute unsere entsprechenden Aktivitäten auf das Meer: „Inzwischen scheint aber klar, dass die Terroristen sich im Schutz der Nacht mit Schnellbooten angeschlichen haben.“ (Kommentar Seite 2). Vermutlich haben sie die Boote auf dem Rücken getragen, als sie sich angeschlichen haben, oder wie soll man sich das vorstellen?
Doch schon vor den schleichenden Schnellbooten geschieht Wundersames, denn „diese Gewalttaten haben die politischen Landschaft der größten Demokratie der Welt umgekrempelt„. Das würde ich zu gern einmal sehen, wie eine Landschaft umgekrempelt wird (allerdings: nachdem letzte Woche Arme aufgekrempelt wurden, warum eine Landschaft nicht um?)
Das alles war noch relativ harmlos und man könnte es als Ausrutscher eines gestressten Redakteurs abtun. Nun aber gerät der Artikel mehr und mehr aus der Kurve und ich frage mich, wie viel Alkohol ein durchschnittlicher WAZ-Kommentator so zu sich nimmt, während er einen solchen Artikel verfasst:
„Die hindunationalistische Bharatiya Janata Party will Sicherheitsprobleme und Terrorismus zum zentralen Punkt ihrer Kritik an der Kongress-Regierung machen – frei nach dem Motto: Nicht alle Moslems sind Terroristen, aber alle Terroristen sind Moslems.“ Das ist schon reichlich schwer verständlich, der Anschluss hingegen ist dann gar nicht mehr zu verstehen: „Die Geschichte Indiens beweist das Gegenteil.“ Das Gegenteil? Das hieße dann etwa so: Nicht alle Terroristen sind Moslems, aber alle Moslems sind Terroristen.
Der folgende Satz macht das Ganze nicht besser: „Dennoch“ (Wieso dennoch?) „wird die blutige Attacke von Bombay das ohnehin spröde Geflecht der Gesellschaft zum Zerreißen spannen.“
Warum musste es jetzt ausgerechnet ein sprödes Geflecht sein? Spröde bedeutet nämlich soviel wie „unbiegsam, brüchig, unelastisch, zerbrechlich“, was erstens für ein Geflecht und zweitens zum Spannen außerordentlich ungeeignet sein dürfte. Aber auch sonst fällt es schwer, diesem Satz überhaupt irgendeinen Sinn abzugewinnen. Übrigens genauso wie dem nächsten, der offenbar als Erläuterung gedacht war, diesem Zweck aber leider nicht nahe kommt: „Das Land hat sich längst in eine nationalistisch gesinnte hinduistische Mittelklasse und Unterklasse auf der einen Seite und Minderheiten auf der anderen Seite gespalten.“ Auf der einen Seite haben wir also zwei Klassen, auf der anderen Minderheiten. Und alles zusammen bildet ein sprödes Geflecht, das zum Zerreißen gespannt ist, oder wie? Ich frag ja nur…
„Die Moslems“, erfahren wir weiter, „rund 130 Millionen von eine Milliarde Einwohner…“ sind aber 130 Millionen von einer Milliarde Einwohner, wenn wir es mit dem Dativ ein bisschen genauer nehmen wollen.
Und nun folgt der Satz, der meinen Verdacht erhärtet hat, dass manche Artikel unter Alkoholeinfluss geschrieben werden: „Es war deshalb wie ein Schock, als während des vergangenen Jahres deutlich wurde, dass der Extremismus längst Wurzeln in den eigenen Megametropolen Fuß gefasst hatte.“ Also: Wer hat da jetzt Fuß gefasst, die Wurzeln oder der Extremismus? Oder hat der Extremismus Wurzeln gefasst?
Jetzt könnten wir es mit diesem Kommentar gut sein lassen, leider gibt es in der Online-Ausgabe dann noch einen Aufmerksamkeit erheischenden Satz: „Der indischen Marine, die vor Somalia einen von Piraten gekaperten thailändischen Fischkutter mit Mann und Geiseln versenkte und sich nicht einmal die Mühe gab, nach Überlebenden zu suchen, erwartet schon gar nicht, dass sie zu allem entschlossene Terroristen in kleinen, schnellen Booten aufspüren kann.“ Wenn man den Satz auf das Wesentliche reduziert, steht da: „Der indischen Marine erwartet schon gar nicht, dass sie Terroristen in kleinen, schnellen Booten aufspüren kann.“ Hauchen Sie mich mal an, Herr Kommentator!
28. November 2008
Während man sich mit Schnellbooten anschleicht, haben Wurzeln Fuß gefasst (oder so)
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