Heute auf der Kulturseite: „Der Krieg … wird im Kino und in Romanen bevorzugt als Geschichte aufrechter Wehrmachtsoffiziere und -soldaten erzählt, die den Unbillen einer fehlgeleiteten Führung tapfer trotzen.“
Das Problem dabei ist nur, dass es keine „Unbillen“ gibt, denen man trotzen kann – ob tapfer oder ängstlich. Man kann Unbill erleiden, dann wird man ungerecht behandelt. Oder man kann den Unbilden z.B. des Wetters trotzen, also Unannehmlichkeiten, die schlechtes Wetter so mit sich bringt. Wem also können die armen Wehrmachtsoffiziere nun noch trotzen, zumal ihre Führung ja auch noch fehlgeleitet ist, vielleicht vom fehlgeleiteten Führer?
„Und dann erscheint dieses Buch,“ heißt es sofort im nächsten Satz, „in dem eine Frau ihre Tagebuchnotizen aus der Zeit der unmittelbaren Nachkriegsmonate im sowjetisch besetzten Berlin der Öffentlichkeit preisgibt.“ Lieber wär’s mir gewesen, sie hätte Geheimnisse preis– oder sonstige Dinge wie z.B. Tagebuchnotizen der Öffentlichkeit übergeben, aber man kann ja nicht alles haben.
Vielleicht war es deshalb „für Erfolgsproduzent Günter Rohrbach ein Unding …“ Für mich ist es eher ein Unding, dass es nicht für den Erfolgsproduzenten ein Unding war, obwohl diese Art von unflektierwilliger Bezeichnung (wenn ich das mal so ausdrücken darf) wie ein Lauffeuer um sich greift, so sehr ich diesen Unbillen auch trotzen möchte: „Für Präsident Bush“, „gegen Gehirnchirurg Dr. Aufschneider“ oder ganz schlimm: „mit Kollege Mustermann“. Brrr!
Dass es auch anders geht, finden wir überraschenderweise drei Absätze später: „Nach ersten körperlichen Übergriffen durch Soldaten sucht sie den Kontakt zum Offizierskorps und findet in dem Obersten Andrej einen Beschützer“. Dabei hätte ich den Kontakt zu Oberst Andrej erwartet. Die WAZ kann mich doch immer wieder überraschen!
Allerdings meistens mit arg unkonventionellen Formulierungen wie dieser hier: „,Anonyma‘ keilt eine in ähnliche Kerbe …“ bei der ich auch meckern würde, wenn der Satzbau in Ordnung wäre. Oder passt hier ein grober Keil in eine Kerbe anstatt auf den groben Klotz?
Da ist dann ja fast tröstlich, wenn man lesen kann: „Nina Hoss spielt diese Journalistin und Fotografin mit entschlossenem Blick und lässt keinen Zweifel, dass sie allen Lagen trotzen wird, die da noch kommen werden.“
Wir wollen nun nicht oberpingelig werden und fragen, ob Nina Hoss mit entschlossenem Blick spielt oder ob die Fotografin einen entschlossenem Blick hat, da wir nun endlich etwas haben, dem getrost getrotzt werden kann, wenn es schon nicht die Unbillen sind: alle Lagen, die da noch kommen werden.
22. Oktober 2008
Unbillen einer fehlgeleiteten Führung
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