Dieser Satz stammt von unserem NRW-Arbeitsminister, nachzulesen im heutigen Aufmacher: „Sollte ein solcher Vorgang in NRW auftreten, werde ich mit aller Vehemenz als Aufsichtsbehörde einschreiten.“ Einen Satz von solcher Größe und sprachlichen Schönheit kann wohl nur ein Politiker produzieren (da kommen selbst WAZ-Redakteure nicht mehr mit). Ein Vorgang tritt auf! Und dann wird eingeschritten. Das ist dreimal Fortbewegung in poetischer Form: gehen, auftreten, schreiten. Gekrönt wird das Ganze nur noch von dem „ich“ als Aufsichtsbehörde und der Vehemenz des Einschreitens. Jetzt wissen wir endlich, was Politiker können. Und vor allem: was sie nicht können.
Blättern wir um. Und lesen im Kommentar: „Die allermeisten Ärzten behandeln ihre Patienten aber wie selbstverständlich weiter“.
In der Zwischenzeit ist die Politik-Seite voller Panik. Nachdem Gesine Schwan „von ihrer eigenen Wirkungsmacht überrascht“ wird, was uns nicht wundert, da es das Wort gar nicht gibt, warnt unsere Kanzlerin ein paar Zeilen tiefer: „Es ist völlig unverantwortlich, jetzt Panik zu machen und Ängste zu schüren.“ Tja, wie macht man eigentlich Panik, denn trotz des schönen Begriffs „Panikmache“ ist das gar nicht so leicht.
Die Frage muss offen bleiben, denn „Wulff empfahl, man möge Schwan und Bundespräsident Horst Köhler sowie allen anderen, die nachdenklich redeten, aufmerksam zuhören.“ Es gibt nachdenkliche Menschen, die machen dann möglicherweise auch ein nachdenkliches Gesicht oder werden nachdenklich, wenn sie z.B. eine Rede hören, die nachdenklich macht (das wäre dann eine nachdenklich machende Rede), ggf. runzeln sie dann auch nachdenklich die Stirn – aber man hat noch nie jemanden nachdenklich reden gehört. Vermutlich war gemeint, das Köhler nachdenkt, bevor er redet, und daran sollten sich wirklich andere Politiker ein Beispiel nehmen.
Dann kommt es möglicherweise auch nicht mehr vor, dass „die Kandidatin für Anwürfe freigegeben“ wird.
Ob indes die Sorge kleiner wird, „dass die deutlich abgeflaute Debatte über SPD und Linkspartei wieder aufbranden könnte“, ist ungewiss, weil ein Wind, der abflaut, allenfalls wieder auffrischt und nicht aufbrandet. Letzteres tut nämlich die Meeresbrandung an Felsen oder Klippen.
Aber geraten wir doch lieber wieder in Panik. Und werden fündig im Artikel darunter. Zunächst „… verkündete Linkspartei-Landesvorstand und Bundestagskandidat Andrej Hunko ungeschminkt.“ Für diese Verkündigung hätte man ihn unbedingt vorher schminken müssen, das finde ich auch. Sollte er allerdings eine ungeschminkte Wahrheit verkündet haben, dann hätte man ihn ruhig ohne Make-up auftreten lassen können.
Sodann aber schlägt das Imperium zurück: „SPD-Generalsekretär Michael Groschek warf der Linkspartei vor, ‚vollkommen unangemessene Panik zu schüren‘.“ Was mich natürlich sofort zu der Frage bringt, wie man angemessene Panik schürt.
Zumindest aber wird nun die Panik geschürt, die im oberen Artikel noch gemacht wurde, während dort die Ängste geschürt wurden.
Schüren hin – Panik her, der CDU-Generalsekretär von NRW „titulierte sie (die Linkspartei. d.Verf) als ‚Rattenfänger‘, die aus dem Leid anderer Kapital schlagen wollten.“ (In der Online-Ausgabe steht übrigen „wolten“). Das mit dem Rattenfänger hat er wohl bei seinem Parteifreund Roland Koch abgeguckt – nur wird es nicht besser, wenn man es wiederholt. Denn der Rattenfänger hat damals Hameln von den Ratten befreit und ist anschließend von der städtischen Obrigkeit um seinen Lohn betrogen worden, nie hat er aus dem Leid anderer Leute irgend etwas schlagen wollen, geschweige denn Kapital. Aber woher soll so ein armer ungebildeter CDU-Generalsekretär so etwas wissen, zumal es ihm wohl nur darum geht, das Wort „Ratten“ irgendwie mit dem politischen Gegner in Verbindung zu bringen?
Sollte ein solcher Vorgang noch einmal auftreten, werde ich als sprachliche Aufsichtsbehörde mit aller Vehemenz angemessene Panik schüren … äh … machen, ob ich nun geschminkt bin oder nicht.