Dass selbst ein Professor Unsinn schreiben kann, dürfen wir heute in der WAZ auf der Politik-Seite erleben. Hier schreibt Karl-Rudolf Korte, seines Zeichens Politikwissenschaftler: „Kurt Beck hat … eine detaillierte Chronik seines Machtabstiegs geliefert.“ Was ist ein Machtabstieg? Der Duden gibt keine Auskunft. Und nicht einmal das Gegenteil, einen „Machtaufstieg“, kann ich irgendwo finden. Vielleicht war einfach nur der Abstieg gemeint? Oder der Machtverlust? Wir können nur raten …
Nämlich zu besserem Deutsch, Herr Professor. „Das filigrane Machtmobile der SPD-Spitze war aus der Sicht von Beck von Samstag auf Sonntag dramatisch in Bewegung geraten“, lässt er uns weiter wissen. Ein Mobile ist ein Spielzeug, das man sich ins Zimmer hängen kann und das sich beim leisesten Windhauch bewegt. Und es liegt in der Natur der Sache, dass es filigran ist. Aber was ist dann ein Machtmobile bei der SPD? Hing Herr Beck neben Herrn Steinmeier unter der Decke, direkt unterm linken und rechten SPD-Flügel? Oder wie muss man sich das Ganze vorstellen? Zumal bei mir die Vorstellungskraft nachlässt, wenn ich Herrn Beck mit der Vokabel „filigran“ in Verbindung bringen soll. Und jetzt sollen die auch noch dramatisch in Bewegung geraten. Weil Herr Müntefering gepustet hat?
„Der faktischen Realität entsprach dies leider nicht“, erklärt uns der Professor weiter. Dem kann ich nur zustimmen, abgesehen davon, dass ich mich frage, ob es noch eine andere als faktische Realität geben kann. Wie heißt es noch so schön? In Wirklichkeit ist die Realität ganz anders …
Mit den Adjektiven hat es der Professor ohnehin: „… die drei hatten sich … auf eine arbeitsteilige Aufgabenverteilung verständigt.“ Sieh an! Das ist mal echt überraschend: Man verteilt Aufgaben arbeitsteilig!
Das grammatikalische Highlight folgt auf dem Fuße: „Müntefering … brauchte nur abwarten, Mehrheiten … organisieren und … zur Verfügung stehen.“ Wer „brauchen“ nicht mit „zu“ gebraucht, braucht „brauchen“ überhaupt nicht zu gebrauchen!
„Doch das Muster von politischer Macht wird analytisch klar sichtbar“, tröstet uns der Professor. „Erst ändert sich die aufbereitete und gefilterte Wahrnehmung, dann die Lageeinschätzung, danach die politische Realität.“ Irgendwie tun mir seine Studenten leid. Wer soll so etwas verstehen?
„Machtabstiege gehen häufig mit gezielten Intrigen einher“, geht es unverdrossen weiter, und auch wenn der Machtabstieg nun in den Plural gesetzt wird, gibt es ihn im Deutschen immer noch nicht, und ich frage mich gleichzeitig, ob es auch „ungezielte“ Intrigen gibt (außerdem erinnert es mich fatal an diese idiotische Apotheken-Werbung, in der man aufgefordert wird, „gezielt“ nach der Apotheken-Umschau zu fragen).
Glücklicherweise kommen wir nun zum Ende des Artikels, und hier wird’s noch einmal ganz dramatisch: „Unsere Demokratie steht unter enormen Kommunikationsstress mit einem neuen Opfer an der Spitze der SPD.“ Was muss man sich unter – übrigens enormem (Dativ, Herr Professor!) – „Kommunikationsstress“ vorstellen? Wenn Kommunikation „die Aufnahme, der Austausch und die Übermittlung von Informationen“ ist, was ist dann „enormer Kommunikationsstress“, unter dem unsere Demokratie steht? Die armen Studenten tun mir immer mehr leid.
Zumal ja nun noch der Schlusssatz folgt: „Doch in einem politischen Machtmobile sind die Opfer immer ein stückweit gleichzeitig auch Täter.“ Nun hat sich zwar das filigrane in ein politisches Machtmobile gewandelt, besser wird es dadurch aber nicht. Und was ist ein stückweit? Mal abgesehen davon, dass es dummes Sozialarbeitergeschwätz ist (Entschuldigung, liebe Sozialarbeiter!), muss es „ein Stück weit“ heißen, wenn es zumindest richtig geschrieben sein soll. Ansonsten ist dieser Satz aber nicht nur ein stückweit, sondern kompletter Unsinn.
Sozusagen eine Pleite. Die schreibt man bei der WAZ allerdings heutzutage klein: „Britischer Reisekonzern macht pleite“ lautet eine Headline auf der Wirtschafts-Seite. Entweder: „ist pleite“ oder: „macht Pleite„. Aber was macht das schon: allenfalls einen Abstieg. Und das könnte dann der Machtabstieg sein, nach dem wir gesucht haben.