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31. Dezember 2008

Rettungsschirm auf Platz 8

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 11:27

Die schlechte Nachricht zuerst: Der „Rettungsschirm“ hat es beim „Wort des Jahres“ unter die ersten Zehn geschafft und ist immerhin auf Platz 8 gelandet! Wie konnte das nur passieren? Die Gesellschaft für deutsche Sprache begründet das folgendermaßen: „Rettungsschirm ist wie ‚Rettungspaket‘ die bildhafte Bezeichnung der staatlichen Finanzhilfen für in der Krise befindliche Banken und Unternehmen.“ Das hilft uns aber nicht besonders weiter, wissen wir doch immer noch nicht, wofür dieses Bild stehen soll. Unter einem Rettungspaket kann man sich noch irgend etwas vorstellen, auch unter einem Schutzschirm. Aber diese vermaledeite Mischung aus beidem, die nur dem verwirrten Hirn eines aufgeregten Reporters entsprungen sein kann, funktioniert weder sprach- noch bildlich: Wie rettet ein Rettungsschirm? Die nahe liegende Assoziation ist ein Fallschirm, den man ergreift, wenn man aus einem Flugzeug springen muss, genauso, wie man einen Rettungsring ergreift (oder zu den Rettungsbooten eilt), wenn das Schiff untergeht. Aber die Banken sollen sich ja drunter stellen. Manchmal erwägt man gar, sie darunter zu zwingen. Demzufolge wird er aufgespannt. Manchmal enthält er Milliarden Euro, ist also eine Art Tüte. Und manchmal hat er einen Konstruktionsfehler und versagt. Was ist das also für ein Monster?
Und dass diese sprachliche Entgleisung nun auch noch offiziell Eingang in die deutsche Sprache findet, (um es einmal mit Hanns-Dieter Hüsch zu sagen:) „da kann ich mich kriminal drüber ärgern“. Aber es ist offenbar nicht mehr zu ändern.

Dagegen sind die sprachlichen Entgleisungen in der heutigen WAZ geradezu harmlos. Auf der Sport-Seite „antworten chinesische Freunde auf die Frage nach den Nachwirkungen der Spiele: ‚Ich kenne niemand, der nicht stolz darauf ist …“, und das auch noch „einhellig“. Nun gut, das sind Chinesen, wie sollen die auch wissen, dass sie allenfalls niemanden kennen? (Nur der deutsche Autor hätte es wissen können…)

Auf der Kultur-Seite werden uns die Intendanten im Ruhrgebiet mit den Worten beschrieben: „Auf Gerard Mortier, den intellektuell Leuchtenden, und Jürgen Flimm, den emphatisch Starken, folgt Willy Decker, ein klug leise und sehr tief Fragender.“ Und das ist ja nicht falsch, nur reichlich verschwurbelt.

Und im Essener Lokalteil verabschiedet sich der Lokalchef in seiner „Lupus“-Kolumne in den Ruhestand. Er benutzt dabei so schöne Sprachbilder wie dieses: „… Begegnungen sind das Salz für Journalisten in den alltäglichen oft doch hektischen Abläufen.“
Und er mahnt: „Mit Gutsherrenart und einem betonköpfigen ‚Durch-die-Wand-Wollen‘ ist kein Erfolg zu verbuchen“.
Schließlich gelingt es ihm sogar noch, die aktuelle wirtschaftliche Situation mit seinen Überlegungen zu verknüpfen: „Die Probleme des Haushalts der Stadt haben nichts mit dem Boom der Wirtschaft zu tun, der immer noch anhält, sich aber aufgrund der Finanzkrise auch in Essen auswirkt – für depressives Lamentieren sollte aber die Zeit zu schade sein.“ Finde ich auch, zumal ein Boom eine Hochkonjunktur bedeutet und somit der Rest des Satzes schlicht unverständlich wird. Aber solche Formulierungen waren für mich immer irgendwie … äh … das Salz in … äh … meinen täglichen hektischen Abläufen.
Lupus wird mir fehlen.

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