WAZblog Waz man seinen Lesern eigentlich nicht zumuten sollte …

11. Dezember 2008

Die Kanzlerin sägt an Klimazielen, die Gefährten sind nicht auszuweiden und der Rettungsschirm hält nicht, was man sich erwartet hat

Filed under: Allgemeines — Schlagwörter: — msteinmen @ 22:03

Wahrhaft merkwürdige Dinge geschehen heute! Auf der Seite 2 bereits, in einer fetten Überschrift, „sägt die Kanzlerin an jenen Klimazielen…“ Nun kann man ja an vielem sägen, und in solchen Fällen zumeist an dem Ast, auf dem man sitzt, aber wie sägt man an Zielen?

Auch im nebenstehenden Kommentar gibt es wieder schräge Formulierungen. So „würde die Kanzlerin mindestens seltsam neutral auf Frauen wirken.“ Wie wirkt man neutral auf Frauen? Wie seltsam neutral? Und wie mindestens seltsam neutral? Und warum muss ich mir solche Fragen stellen?
Aber trösten wir uns: „Positionen werden nicht deshalb falsch, weil ihr Inhaber betroffen ist. Auch Westerwelles Position ist nicht deshalb falsch, weil er mit einem Mann zusammenlebt, sondern weil er vielleicht kein hervorragender Außenminister wäre.“ Also, meine Position ist nicht falsch, weil ich betroffen bin. Und ich bin ziemlich betroffen. Und Westerwelle hat auch Glück: Seine Position ist nur falsch, weil er vielleicht kein hervorragender Außenminister wäre. Wenn er einer wäre. Da er aber keiner ist, auch nicht vielleicht nicht hervorragend, ist jetzt seine Position …? Das ist mir zu kompliziert!
Vielleicht erfahren wir im nächsten Satz mehr. Tun wir nicht, denn der lautet: „Als Oppositionsführer profiliert Westerwelle sich derart scharf konturiert gegen die Große Koalition, dass man manchmal den Eindruck hat, er male im nächsten Moment die Innenwände des Bundestages schwarz und weiß an.“ Irgendwie leuchtet mir das nicht ein: Warum sollte er Wände anmalen, wenn er sich profiliert? Und warum im nächsten Moment? Zugegeben: Auf irgend eine Weise hat das mit dem scharf konturierten Profilieren etwas mit schwarz und weiß zu tun, aber was? Das erfahren wir nicht.
Stattdessen das Folgende: „Auch eine wertegebundene Außenpolitik kann nur dann funktionieren, wenn man Zugang zu den Ländern behält, denen man Werte vermitteln will.“ Was ist das für eine Politik, die da funktionieren soll? Ich hab im Duden nachgeschaut: „wertegebunden“ existiert nicht. Aber weil hier viel von „Werten“ die Rede ist, sollte man vermuten, es sei eine Politik, die sich bestimmten Werten verpflichtet fühlt.
Da sind dann die „mit Geld unterlegten Beitrittsverhandlungen der EU mit der Türkei“ schon fast verständlicher.
Aber auch der amtierende Außenminister hat es nicht leicht: „Frank-Walter Steinmeier suchte das Gespräch über Tibet und Menschenrechte hinter verschlossenen Türen.“ Vielleicht hätte er es gefunden, wenn er es hinter offenen Türen oder geschlossenen Fenstern gesucht hätte.
Ein paar Zeilen später erfahren wir, was wichtiger ist als wichtig: „zwei weltwichtige Regierungen“.
Und am Ende es Kommentars erfahren wir endlich, warum Guido Wände anmalt: „Allerdings steht auch ein Oppositionsführer in der Pflicht, Bürgern graue Positionen dort zu erklären, wo Schwarz und Weiß eine gefährliche Illusion sind.“ Das neue Rätsel ist jetzt nur, was graue Positionen sind.

Kommen wir zur „Rhein-Ruhr“-Seite und damit zum „Rinnstein der Gesellschaft“, wie uns die Headline in mindestens 60 Punkt verkündet. Was das allerdings sein soll, erfahren wir nicht, stattdessen ist im Artikel von den „Absteigen im Rinnstein der Haupstadt„, was aber auch nicht verständlicher ist, zumal es wenigstens die Hauptstadt sein sollte. Wo und inwiefern man dort im Rinnstein Absteigen findet, wird leider nicht weiter ausgeführt, sondern das Folgende: „wo die wohnen, die noch ärmer sind als die Armen und noch ärmer dran.“
Um so etwas zu schreiben, muss man ja total arm dran sein, sozusagen Arm ab (haha!).
Es geht aber noch schlimmer weiter: „Das hier sei ’schlimmer als alles‘, hieß es eben noch, aber was ist nun schlimmer: eine armselige Hütte oder gar keine?“ Ich glaube, am schlimmsten ist dieser Sprachstil, der Sprache zerhackt, zerstückelt und dann die Einzelteile zu neuen Sprachgebilden recycelt.
Und nun folgen Zeilen sinnfreien Gefasels, und ich kann nun wirklich nicht mehr auf alles eingehen: „Die Straßen der Städte sind verstopft, die Flüsse nicht minder, beide mit Gefährten, die nicht einmal mehr auszuweiden wären auf dem Schrott, und dann: überall Leute, überall Lärm. Schon jetzt beschäftigen sich die Gerichte zu 80 Prozent mit Streitigkeiten um Grund und Boden. Um Grund, der feucht ist, salzig und wenig Ernte bringt. Um ein Stück trockenen Lehms oder eine Pfütze, über denen der saure Geruch verrottenden Abfalls liegt. Über Flecken wie dem, auf dem Parveen wohnt, die Feuerholz verkauft, Ashma, die 17-Jährige, die ihrem Vater hilft, einem Scherenmacher, und Piyara, die stolz ist auf ihr ‚Transportunternehmen‘: Sie besitzt einen brüchigen Handkarren.“ Entschuldigung, hier stimmt einfach nichts mehr: Weder die Semantik, noch der Satzbau, noch die Aussage; hier geht alles komplett schief.
Ich würde mich jetzt noch gern über die Gefährten aufregen, die nicht auszuweiden wären, aber eigentlich bin ich nur noch müde…
Aber es gibt noch mehr Unsinn: „Sie geben sich gegenseitig winzige Kredite, für Mehl, um daraus Kuchen zu verkaufen…“ Aus Mehl Kuchen verkaufen!
Und dann wieder zeilenweise Gefasel: „Gerade sitzen die Frauen wieder zusammen und diskutieren: ‚Unsere Brüder haben immer das bessere Essen gekriegt.‘ – ‚Mädchen bringen einer Familie nichts ein.‘ Es ist viel, dass sie das sagen können: Vor wenigen Monaten noch hätten sie es nicht einmal zu denken gewusst. Und jetzt erleben sie, dass die paar gesparten Taka, über die sie penibel Buch führen in rosa Kassenheftchen, die Familie ernähren.“ Das ist doch kein Deutsch, das ist schlicht unerträglich! Und das Schlimmste: Bei der WAZ scheint man zu glauben, dass man so eine Reportage schreiben muss! (Egon Erwin würde sich im Grabe umdrehen!)

Und nun muss ich mich auch noch mit dem Rettungsschirm beschäftigen. Den finden wir heute mal wieder auf der Wirtschafts-Seite. „Rettet den Rettungsschirm“, heißt da die Headline über dem Kommentar, und ich vermag mich dieser Forderung ganz und gar nicht anzuschließen. Denn eigentlich gibt es dieses Ding gar nicht. Der Duden zumindest kennt es nicht und ich wüsste auch nicht, jemals so etwas gesehen zu haben. Es tritt ja auch erst seit der Finanzkrise auf, und seitdem vermehrt. Allerdings gab es ursprünglich einen Schutzschirm und ein Rettungspaket – und ich vermute, dass irgendein aufgeregter Reporter daraus einen Rettungsschirm gebastelt hat. Nur: Warum alle das ohne Überlegung nachplappern, ist mir unerklärlich. Nun gut, die WAZ ist halt für jeden Blödsinn zu haben, selbst für die folgende Aussage: „Ganz offensichtlich hält das vor sechs Wochen allseits gefeierte Rettungspaket nicht, was man sich erwartet hat.“ Vielleicht wollte der Autor ursprünglich schreiben: „… was man sich darunter vorgestellt hat“ und ist im letzten Moment auf „erwartet“ umgestiegen, wir werden es nie erfahren…

Zum Abschluss noch ein paar Politiker-Zitate von der Politik-Seite, um die WAZ-Autoren ein bisschen zu entlasten. Alle drei aus einem Artikel. Zuerst die SPD. Sie spricht von einer „faustdicken Panne“, während man höchstens die faustdicke Lüge kennt. Sodann die Grünen, die nicht verstehen, „dass ein Richter keine Klarheit über Fristen hat“. Ich verstehe daran vor allem den Gebrauch der Präposition „über“ und die merkwürdige Satzkonstruktion nicht. Und schließlich die CDU, bzw. ihre Justizministerin, die meint, es sei nichts passiert, „was auch nur entfernt an einen Skandal erinnern könnte“. An welchen Skandal sollen wir uns da erinnern?
Solange die Politiker soviel Unsinn reden, muss man bei der WAZ nicht fürchten, dass „Deutsch als Sprache“ ins Grundgesetz geschrieben werden kann.

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