WAZblog Waz man seinen Lesern eigentlich nicht zumuten sollte …

12. Dezember 2008

Drohungen im öffentlichen Raum und der Klimakredit

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 23:49

Was macht man mit einem Fazit? Man zieht es. Jedenfalls normalerweise. Nicht so bei der WAZ. Im Kommentar auf der Titelseite wird folgendermaßen damit umgegangen: „Die soziale Herkunft ist entscheidend, lautet das Fazit, das über all diese Pisa-Vera-Iglu-Studien gelegt werden kann.“ Von jetzt ab also wird ein Fazit nicht mehr gezogen, sondern drüber gelegt.

Und was machen wir mit Geschichten? Wir lesen sie oder lassen sie uns erzählen. Was machen Geschichten mit uns? Sie beeindrucken uns, lassen uns kalt, rühren uns an, ergreifen uns und dergleichen. Die WAZ findet im Kommentar eine ganz neue Variante: „In den Augen des Zuschauers wird das Schicksal Ewerts zur Geschichte. Die mag einen aus Betroffenheit angehen oder abstoßen.“ Das müsste ich eigentlich in meinen aktiven Sprachschatz übernehmen: „Ey, deine Geschichte geht mich jetzt echt an. Aus Betroffenheit oder so.“ Aber glücklicherweise geht mich das nichts an.
Um so mehr das Folgende: „Es laufen jeden Tag barbarischere Bilder im Fernsehen: Spektakulär inszenierte Tode in Spielfilmen, die zu Nachahmungen anregen könnten.“ Wer weiß, nachher werde ich noch von Toden zur Nachahmung angeregt. Oder von Spielfilmen.

Auf der Seite 2 spricht aber auch der Bundesumweltminister, und hoffentlich regt er nicht zur Nachahmung an: „Wer mit faulen Krediten handelt, verliert am Ende Billionen Euro und Dollar. Und der faulste Kredit, mit dem wir weltweit handeln, ist der Klimakredit.” Toll, Gabriel! Super den Bogen geschlagen von der Finanzkrise zum Klimawandel! Ich wüsste da noch ein paar schöne Wörter, die man zusammenpappen kann, um nichtvorhandene Zusammenhänge herzustellen: Wie wäre es denn mit „Finanzwandel“, „Krediterwärmung“, oder – ja, jetzt hab ich’s! – das wird Furore machen: Der Klimaschirm!

Wo wir gerade bei Politikern sind: Der Seehofer kann laut WAZ (Politik-Seite) auch was Tolles: „Danach stellte er die Drohung in den öffentlichen Raum…“ Das muss ihm erst mal einer nachmachen, denn der öffentliche Raum ist eine ziemlich klar definierte Gegend in Städten und Gemeinden. Da hinein Drohungen zu stellen, ist gar nicht so einfach. Aber vielleicht stellte er seine Drohungen auch einfach nur in den Raum, wie es die Redensart empfehlen würde, selbst dann, wenn er es öffentlich tat.
Doch Seehofer kann noch mehr: „Zeitgleich biss der CSU-Chef in einem Zeitungsinterview zu, in dem er die Kanzlerin zu einem größeren Konjunkturpaket zu nötigen suchte…“ Neben den vielen „zus“ interessiert mich dabei, ob er zubiss, indem er zu nötigen suchte, oder ob er in dem Interview zubiss.

Aber auch andere Politiker können was. Unser Ministerpräsident zum Beispiel: „Rüttgers könnte auch Bundeskanzler“, verrät uns eine fette Headline. Nach meinem Dafürhalten fehlt jetzt noch ein Verb. „Sein“ fiele mir da ein, oder auch „spielen“. Ja, selbst „beißen“ oder „anmalen“ würde ich billigend in Kauf nehmen, ginge doch bloß der Satz sinnvoll zu Ende. Aber nichts dergleichen. Selbst im laufenden Text gibt es keine Aufklärung: „Er könnte auch Bundespräsident oder Bundeskanzler.“ Ja, sagt man denn so was heutzutage? Dann könnte ich glatt Journalist!

17. Dezember 2008

Gerüchte-Verteilung auf dem prominentesten roten Teppich

Filed under: Allgemeines — msteinmen @ 16:19

O Mann, ist das viel heute! Aber ich kann nichts dazu: Ich schreibe nur auf, was ich finde. Und das ist heute eben wieder eine ganze Menge:

Schon im Kommentar auf der Titelseite springt uns ein gleichermaßen unverständlicher wie bemerkenswerter Satz ins Auge: „Bei der Gerüchte-Verteilung spielt jeder sein eigenes Spiel, die gebotene Pflicht zur sofortigen Beweisführung gilt offenbar nicht mehr.“ Gerüchte-Verteilung! Was muss man sich darunter vorstellen? Eine Art Essensausgabe bei der Gerüchteküche? Heute werden hier 1a-Gerüchte verteilt! Aber nur, wenn wir dabei noch ein eigenes Spiel spielen dürfen! Und so gilt dann auch die gebotene Pflicht nicht mehr. Nur noch die ungebotene.

Im Artikel direkt daneben lesen wir, dass Betriebe, die Finanzinvestoren gehörten, „mangels Eigenkapital schnell in Zahlungsschwierigkeiten… “ gerieten. Wieder einmal wird der Dativ gerettet, wo er gar nicht hingehört. Aber es gibt ja immer eine Gelegenheit, ihm anzuwenden, manchmal auch mangels grammatikalischen Eigenkapitals. Oder wie die WAZ schreiben würde: „mangels grammatikalischem Eigenkapital“. Tut das weh!

Und die Schmerzen nehmen noch lange kein Ende. Im Kommentar auf Seite 2 z.B. „füllen so viele Vorschläge den öffentlichen Raum“, dass man sich fragt, wie der das aushalten soll. Zumal der öffentliche Raum der ebenerdige Teil einer Gemeindefläche ist, was schon im Artikel vom 12.12. schief gelaufen ist und weshalb an dieser Stelle die Frage erlaubt sein muss, ob wirklich jeglicher Unsinn, den ein WAZ-Autor schreibt, auch zwangsläufig von den anderen WAZ-Autoren abgeschrieben werden muss.

Da kann man nur hoffen, das das Folgende aus dem nebenstehenden Artikel keine Nachahmer findet: „Solch eine Gesprächsbitte über die Verwendung von Zuwendungen sei allerdings ungewöhnlich…“ Dies ist ein ganz besonderes Beispiel über den Gebrauch der Universalpräposition: Eine Bitte über– und sei es auch eine Gesprächsbitte – ist leider komplett unmöglich. Ein Gespräch über geht schon, aber was machen wir mit der Bitte, bitte?

Auf der Seite „Rhein-Ruhr“ finden wir auch wieder eine Menge schräger Formulierungen. Überhaupt ist die Serie „Spendenaktion für Bangladesh“ eine Fundgrube (ich habe schon mehrfach daraus zitiert). Es beginnt mit: „Wie sollten die einfachen Leute, in diesem Land am Golf von Bengalen, weit weg von Deutschland und Europa, fern von Bildung und überhaupt einer Idee von internationalen Beziehungen.“ Wie sollten die was?
Rätselhaft ist dann auch die Formulierung im nächsten Absatz, in dem von einem Besuch Christina Raus die Rede ist: „Und wenn die 52-Jährige, die selbst zwei Töchter und einen Sohn großgezogen hat, ein Kind auf den Arm nimmt oder in den Arm, dann, weil sie es meint. Und sie tut das oft.“ Was tut sie oft? Ein Kind auf den Arm nehmen? Oder oft etwas meinen?
Egal, denn sie „ist eine, die sich im Wohnheim der ungewollt schwangeren Mädchen zu den Müttern auf die Erde setzt und ihre Babys streichelt.“ Sind das die Mütter der Mädchen oder die der Babys?
Scheint nicht wichtig zu sein, „weil sich den Leuten das Gefühl vermittelt: Dieser fremden Frau kann ich vertrauen.“ Das wusste ich noch gar nicht: Ein Gefühl ist nichts, was man fühlt, nein, es vermittelt sich einem.

Auf der zweiten „Rhein-Ruhr“-Seite wird dann ein „Schlüsselwerk deutscher Literatur … aus der Taufe gehoben“, gemeint ist die Filmpremiere von Buddenbrooks. Und hier finden wir auch den „roten Teppich – übrigens einer der längsten und prominentesten, den Essen seit langem erlebte“. Wie erlebt man einen roten Teppich? Außerdem hab ich ihn mir angeschaut: Er war recht unscheinbar, und prominent waren allenfalls die Schauspieler, die darauf herum liefen…

Auf der Politik-Seite wird gefragt: „Kann Europa Wohltaten verteilen?“ Ich glaube nicht, denn Taten kann man eigentlich nur … äh… tun, wie sollte man sie verteilen?

Im Artikel darunter „… entwickelten sich nach der letzten Kommunalwahl 2004 Ratssitzungen zu Marathon-Veranstaltungen mit zweifelhaftem Wirkungsgrad, weil zehn Fraktionen, Gruppen und Einzelkämpfer um das Wort ringen.“ Das stelle ich mir schön vor, wie Fraktionen, Gruppen usw. mit zweifelhaften Wirkungsgrad, nach Worten ringend, auch noch mit einander ringen…

Auf der Kulturseite (ausgerechnet!) steht die Headline: „Maurice Jarre erhält Berliner Ehrenbär“, wären wir im zugehörigen Artikel erfahren, dass er „im kommenden Jahr mit dem Goldenen Ehrenbären ausgezeichnet“ wird. Warum nicht gleich so?

Auf der „Welt“-Seite ist der „Terrorschreck mitten im Pariser Weihnachtstrubel…“, und da „Terror“ zu deutsch „Schrecken“ heißt, haben wir es also mit einem Schreckenschreck zu tun. Vielleicht ist das sowas wie der FIlmfilm von Sat1?

Einen (Artikel) hab ich noch: Auf der Seite „Hören und Sehen“ ist zunächst die Rede von einer Heilerin, die durch dörfliches Handauflegen mehr bewirkt als die Chemo…“, was ich hier mal unkommentiert stehen lassen will, und dann von „Menschen, die auch gern mal Elmar Gunsch als Weihnachtsmann sehen würden oder Iris Berben als Osterhase“, während ich sie viel lieber als Osterhasen gesehen hätte.
Und dann haben wir in dem Artikel noch eine Schlussbemerkung, die ich gar nicht verstehe: „Die Zeit sagt man, heilt alle Wunden. Die Heilerin, sagen wir, lässt einen sich wundern, wohin die GEZ zeitverbrennende Mittel fließen lässt.“ Um so etwas zu schreiben, muss man doch schon ein bisschen zeitverbrannt sein, oder?
Aber vielleicht reicht ja auch ein Terrorschreck aus, damit eine Gesprächsbitte über den Ehrenbär nach Worten ringt und sich mir das Gefühl vermittelt, bei der Gerüchte-Verteilung im öffentlichen Raum die gebotene Pflicht… äh… Tut mir leid, den Satz kriege ich nicht mehr zu Ende. Vielleicht sollte ich bei der WAZ anfangen.

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